Zum dritten Mal schon fand das Luxor Egyptian & European Filmfestival statt. Endlich hatte ich die Gelegenheit, nach Luxor zu fahren, um
mir Filme anzusehen. Ich liebe Kino, ich liebe Arthouse Filme; nicht diese
Kassenknüller, sondern besondere, ausgefallene, stille Filme, welche Momente
einfangen und diese subtil erzählen. Filme, die durch ihre Authentizität
berühren.
Ich bin voll auf meine Rechnung gekommen. An drei
verschiedenen Standorten wurden die Filme gezeigt. Jene, die ich mir ausgesucht
habe, waren sehr schwach besucht: 10-20 Zuseher waren jeweils da. Einzig die
ägyptischen Filme brachten den Saal voll; ich sah „Katz und Maus“ und musste –
obwohl der Film in Arabisch und ohne Untertitel war, Tränen lachen. „ Sea
Shadow“, aus den Vereinigten Arabischen Emiraten hat mir am besten gefallen. „Der
Mann von Oran“, ein algerischer Film, hat mich auch sehr berührt. „Leviathan“
konnte ich nicht zu Ende sehen – ich wusste, wie der Film ausging – er
erinnerte mich zu sehr an die Realität in Ägypten. Technisch beeindruckt hat
mich der restaurierte Film „Das Weib des Pharaos“; ein Stummfilm von Ernst
Lubitsch, der aus mehreren Teilen in jahrelanger Arbeit rekonstruiert worden
war.
Als Ausländerin im eigenen Auto unterwegs
Die Fahrt nach Luxor im eigenen Auto habe ich genossen wie
eine Prinzessin. Endlich nicht mehr in einem Bus sitzen müssen und nicht mehr
wissen, wohin mit den Beinen, nicht wissen, wie die natürlichsten Bedürfnisse
befriedigen, nicht wissen, wann man denn endlich am Ziel ankommt. Und dort
dann, wenn man endlich da ist, von den Taxifahrern und Kutschern und anderen
Typen wie ein Kuhfladen von Fliegen befallen werden, um seine Pfundnoten
schneller loszuwerden, als einem lieb ist. Irgendwie die Fliegen abwimmeln und
davon laufen…. So war es bisher.
Natürlich war meine An- und Rückreise nicht ganz einfach.
Die Strecke führt durch die Berge und die Wüste. Es gibt Check-points, einige gefährliche
Löcher und noch gefährlichere Fahrer. Und es gibt Varianten. Seit ein paar
Jahren kann man statt dem Nil entlang und durch alle Dörflein über eine gut
ausgebaute Wüstenstrasse wenige Kilometer weiter im Hinterland nach Luxor fahren.
Doch der Polizist am Check-point wollte mich zuerst nicht durchlassen; es gebe
auf der Strecke keine Check-points (umso besser!), es gäbe keine Sicherheit und
die Strasse wäre gefährlich (gefährlicher als durch die Dörfer, wo sich ständig
Minibusse, Eselkarren, Radfahrer, Fussgänger, Busse, Lastwagen und Autos
durchdrängen?). Zum Glück liess er mich dann durch; die folgenden 90 km spulte
ich sorglos ab, denn die Strasse war wenig befahren und einwandfrei – und
verlief durch imposante Wüstenlandschaft mit ein paar grünen Kulturflächen.
Auf dem Rückweg wollte ich der Westbank entlang, da wurde
ich aber zurück gepfiffen. Allerdings verstehe ich nicht, weshalb Ägypter
weniger gefährdet sein sollen, als ich. Also nahm ich wieder die Wüsten-Strecke
– von dieser Seite her hielt mich niemand mehr auf und ich raste zurück nach
Hurghada. In Hurghada schaut auch niemand mehr, wenn eine Ausländerin ein Auto
fährt.
Als AusländerIN (!) in Luxor
Am meisten Sorgen hat mir dieser Teil gemacht, denn ich
ertrage die ständigen Belästigungen der Wort-Wegelagerer einfach nicht mehr.
Ich kämpfe für mein Recht, in Ruhe und ohne Belästigung herumspazieren zu
können – oder ich vermeide die Zone. Aus diesem Grund habe ich mir ein sehr
hübsches, kleines Hotel auf der Westbank ausgesucht und wurde belohnt. Neu,
sauber, liebevolle und aufmerksame Betreuung durch die Inhaberfamilie und für
bescheidenere Budgets. Das Hotel liegt ca. zehn Minuten von der Fähranlegestelle,
etwas versteckt und ruhig.
Das war das Positive.
Das Negative: auf Schritt und Tritt hörte ich alle möglichen
Begrüssungen und wurde Hundert Mal gefragt, ob ich ein Taxi, einen Bus, eine
Kutsche, ein Toktok, ein Motorboot oder sonst was suche/brauche/möchte. Ich
fing an, meinem aufgestauten Frust Luft zu machen, indem ich Kinder,
Jugendliche und Erwachsene aufklärte, dass ich nicht alle zehn Meter jeden Tag
seit sieben Jahren „Hello Madame“, „Good morning“ und wer weiss was noch hören
möchte. Ich erklärte ihnen, dass sie kein Recht hätten, uns (Frauen, Ausländer)
ständig anzuquatschen. Ich erklärte ihnen, dass sie uns vertrieben und so kein
Tourist mehr Lust habe, nach Luxor zu kommen (tatsächlich hat Luxor
katastrophal schlechte Kriterien i.S. Belästigungen). Ich sagte ihnen, dass wir
die Schnauze voll hätten, von ihren Anpöbeleien, ihren Anbiederungen und ihrer
geheuchelten Freundlichkeit. Sogar zweijährige Kinder rufen „Hello“ und ein Fünfjähriger
rief „Taxi Madame“ und zeigte auf den Sattel seines Kindervelos!!!! Ich frage
mich, welches Beispiel da die Erwachsenen abgeben. Wir (Ausländer) werden wohl
nur als Geldbeutel auf zwei Beinen betrachtet.
Selbst unter den einheimischen Reiseführern ist Luxor
deswegen verhasst. Es hat einen äusserst miserablen Ruf und in den paar Tagen,
während denen ich in Luxor war, habe ich (in der Öffentlichkeit) nur ganz
wenige Menschen getroffen, die mir respektvoll gegenüber traten. Das
Stadtzentrum und den Souq habe ich vermieden – meine Nerven reichten trotz
guten Willens nicht mehr aus. Denn schon am zweiten Tag versetzte ich einem
Jüngling einen Kinnhaken (ja, leider, und das ist nicht lustig, auch wenn es
sich so liest!) und am dritten rief ich lauthals nach der Polizei. Ich wurde
weder angegriffen, noch bestohlen, sondern: verbal belästigt. Aber auf eine Art
und Weise, dass ich eine Anzeige machte. Selbst das Zauberwort (in Arabisch „respektiere
dich bitte“) wirkte nicht mehr. Wenigstens für ein paar Stunden oder ein paar
Tage werden die Profi- Belästiger den Mund gehalten haben – mehrere Dutzend Männer
waren Zeugen.
Luxor, eine historische Schatztruhe
Schade. Schade um diesen wunderbaren, einzigartigen Ort, wo
die grössten und berühmtesten Tempel und Gräber der Pharaonen liegen; wo
einmalige historische Schätze noch immer unentdeckt und unerforscht unter dem
konservierenden Sand der Sahara liegen. Luxor ist leer, die historischen
Denkmäler werden wenig besucht. Die Leute verhungern fast. Viele wissen schon
lange nicht mehr, wie über die Runden kommen. Der Tourismus hat sich in den
vergangenen vier Jahren nur wenig erholt. Und nur ganz wenige profitieren von
dem verbliebenen Rest. Die Preise sind tief gefallen. Viele Juwelier- und
Souvenirgeschäfte sind verstaubt und verriegelt. Restaurants, welche die Gäste
ganzer Reisebus-Gesellschaften verpflegten, sind geschlossen. Einmal speiste
ich in einem sehr bekannten Restaurant – ich und noch zwei Touristen waren die
einzigen Gäste; einmal ass ich auf einer Dachterrasse mit Blick zum
Hatschepsut-Tempel westwärts und Luxor ostwärts – und war alleine.
Himmeltraurig ist das.
Umso mehr lohnt es sich für unerschrockene und
aufgeschlossene Reisende, sich diese aussergewöhnlichen Raritäten jetzt anzusehen.
Ich habe extra noch einen Tag angehängt, um mir einige weniger oft besuchte
Gräber auf der Westbank anzusehen (und am Abend zwei weitere Filme anzugucken!).
Und siehe da: mit Ausnahme eines jungen Kerls waren die Grabwächter äusserst
freundlich, respektvoll und geduldig. Ich bestaunte in aller Ruhe die über
Dreitausend Jahre alten Hieroglyphen und Malereien, durfte eine Minute ganz
allein in der Grabkammer stehen bleiben, um in Stille zu „fühlen“…
Die Landschaft am Nil, dem Grünstreifen Kulturland, den
golden schimmernden Bergen mit ihren Tempeln und Gräbern und dem blauen Himmel
darüber fasziniert mich ewig… und sie bleibt wohl ewig, denn es ist dieselbe
Landschaft wie auf den Grabmalereien. Nichts hat sich verändert, „wir sind
Pharaonen, wir haben uns in dreitausend Jahren nicht verändert“, sagt mir mein
Gesprächspartner später. Das scheint wohl so zu stimmen – ob zum Vorteil oder
zum Nachteil, lassen wir jetzt offen.
Im März findet ein weiteres Filmfestival, das African
Filmfestival, statt. Ob ich wohl nochmals hinfahren soll? Einfach so, ganz
schnell mal?
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