Mittwoch, November 22, 2017

Buchhinweis – eine Reise durch Europa

Vor einiger Zeit wurde ich angefragt, ob ich Lust hätte, eine Geschichte über mein Heimatland zu schreiben. Ein Franzose, der quer durch Europa gereist ist, wollte eine Sammlung von Erzählungen aus 44 Ländern Europas herausgeben.

Mir gefiel die Idee enorm und ich sagte spontan zu. Eine seiner Hauptbedingungen war, eine Geschichte, eine Legende oder ein Erlebnis in der Natur in Verbindung mit Achtsamkeit („Mindfulness“) sollte es sein.

Nun ist das Buch Mindfull Voices of Europe im Online-Handel erhältlich. Ich lade euch zu dieser achtsamen, behutsamen Reise quer durch Europa ein, die von Island bis nach Georgien, von Aserbeidschan bis Portugal führt.

Alle Erzählungen sind in Englisch geschrieben.


Links: Webseiteund Facebook 

Dienstag, November 14, 2017

Verlässlichkeit Stufe Null

Mehrere strube (Duden: schweizerisch mundartlich für struppig; schwierig) Wochen liegen hinter mir – vor mir wahrscheinlich auch wieder.

Die Nachfrage nach Deutsch-Unterricht bricht nicht ab. Das ist ja gut für mich und zeigt, dass der Tourismus aus deutschsprachigen Ländern zunimmt. Zusätzlich kam ich in den Genuss von längeren Übersetzungsprojekten. Spannend, zeitintensiv und lohnend. Mein Blog kam zu kurz, doch auch anderweitiger Ausgleich litt. Mein eh nicht so stabiles Nervenkostüm wurde etwas strapaziert – die Frustgrenze lag recht tief.

Zwischen der Vorfreude auf etwas ruhigere Tage und der Sorge, ob denn weitere Aufträge kommen würden, werde ich wieder in die erbarmungslose Realität geworfen: Neue Chancen, alte Unzuverlässigkeit und betrübliche Nachrichten einer lieben Freundin – alles miteinander und noch mehr.

Ein holländischer Bekannter, der ähnlich tätig ist wie ich, beklagt sich regelmässig darüber, dass Verabredungen (von Ägyptern) nicht eingehalten werden. Bei unserem letzten Treff meinte er, drei wären am Vormittag nicht gekommen! Ich versuche ihn zu trösten, denn wir Ausländer können das nicht ändern. Wir können nur ändern, wie wir damit umgehen.

Montag, September 25, 2017

Lichtblick in der Kultur-Wüste

Der Küstenstrich 30 km nördlich und südlich von Hurghada, inklusive der Stadt, bietet zwar alles Mögliche an Unterhaltung – aber kaum Kultur. Hie und da organisieren das Saqawy Cultural Wheel, die Deutsche Botschaft oder das Kulturzentrum der Deutschen Schule Konzerte. Die Anlässe kann man fast an einer Hand abzählen.

Eine Oper oder ein Theater sucht man vergeblich. In El Gouna werden manchmal internationale Filme vorgeführt und während den Wintermonaten gab es auch schon Live-Übertragungen der Metropolitan Opera New York. Auch Sahl Hasheesh hat Operetten und Konzerte organisiert, aber leider auch nicht regelmässig.

Der Kulturinteressierte muss sich nach Kairo begeben. Oder nach Luxor, wie ich das in den vergangenen Jahren gemacht habe. Dort gab es jährlich zwei Filmfestivals; eines ist jetzt nach Sharm El-Sheikh verlegt worden, leider.

El Gouna Filmfestival
Doch künftig muss ich nicht mehr so weit pilgern: Am vergangenen Freitag hat das 1.Internationale Filmfestival in El Gouna mit viel Pomp angefangen. Unter der Bezeichnung „Cinema for Humanity“ (Kino für Menschlichkeit) werden vor allem Filme aus der arabischen Welt im Wettbewerb gezeigt; aber auch internationale Leckerbissen sind dabei. Zudem werden Talenten aus dem arabischen Raum zahlreiche Workshops und Begegnungen mit Geschäftsleuten geboten.

Sonntag, September 17, 2017

Die Suche nach dem Weg aus der Misere (Teil II)

(Fortsetzung von Teil I)

Mohamed, um die 30 Jahre
Mohamed steht für viele Mohameds und Ahmeds und Mahmouds. Sie kommen aus Qena, aus Luxor, aus Hurghada, aus Kairo, aus Tanta oder aus einem Kaff im Delta, am Mittelmeer, am Roten Meer oder dem Niltal.

Er hat eine deutsche, österreichische oder schweizerische Freundin, die er zu seiner Frau gemacht hat. Sie erwartet schon ein Baby. Oder auch noch nicht. Mit Baby ist aber sicherer. Er arbeitet als Tauchlehrer oder Fremdenführer. Oder in der Animation. Er kann ein klein wenig Englisch und Russisch, hat es so irgendwie bei der Arbeit gelernt. Er sieht nicht schlecht aus. Er ist höflich, das hat er bei den Touristinnen abgeguckt. Dass er aus einer sozial tieferen Schicht kommt, sieht der Tourist nicht sofort.

Nun muss er Deutsch büffeln, zum ersten Mal im Leben muss er richtig lernen. Gross ist das Ziel: die Prüfung A1 beim Goethe Institut zu bestehen (60% genügen) und damit das Visum ins Paradies zu erlangen. Die Freundin oder Frau bezahlt den Kurs (meistens). Sie lernt mit ihm, wenn sie das kann. Mohamed ist in Eile. Er will die Misere hinter sich lassen - das Glück liegt zum Greifen nah.

Ramy, Mitte 30
Arzt aus Kairo. Sitzt in einem goldenen Käfig, unter dem ein Pulverfass liegt. Der äusserst sympathische, gut aussehende Arzt arbeitet in einem Top-Hotel, verdient sich dumm und dämlich. Aber er weiss: innert Stunden kann alles zusammen brechen. Eine Bombe in einem Hotel am Roten Meer, ein Flugzeugabsturz, ein Aufstand oder eine andere Katastrophe lässt den Tourismus erneut zusammen brechen.

Samstag, September 16, 2017

Die Suche nach dem Weg aus der Misere (Teil I)

Meine Arbeit erlaubt mir interessante, manchmal auch schmerzhafte Einblicke in den seelischen Zustand von ägyptischen Menschen (meist Männern) allen Alters. Zumindest in jene der (unteren und oberen) Mittelschicht.

Der politische, wirtschaftliche und strukturelle Zustand des Landes lässt nicht viel Hoffnung für eine rosige Zukunft aufkommen. Dazu kommen gesellschaftliche Probleme, die besonders für jüngere Generationen bedrückend sind. Schlechte Ausbildung, keine Arbeit, kein Geld, keine Aussicht auf Heirat und einengende Traditionen. Manch einer sucht die Erlösung im Freitod. Oder im Schwindel und Betrug.

Andere kämpfen oder versuchen es wenigstens. Von einigen möchte ich hier erzählen (die Namen und Städte sind alle geändert).

Wael, 29 Jahre
Er kommt aus einem Dorf nahe Port Said am Mittelmeer. Sein Vater arbeitete in Saudi Arabien als Fotograf, während die Familie in Ägypten lebte. Aus der ersten Ehe entstand ein Sohn, der es nach Italien geschafft hat. Als Kleinkind erlebte Wael materiellen Reichtum – solange Geld vom Vater kam. Später, als der Vater zurückkehrte und nicht mehr arbeiten konnte, war das Geld durch verschwenderischen Lebensstil schnell aufgebraucht. Die drei Kinder aus der zweiten Ehe mit einer völlig ungebildeten Frau (die Heirat war eine Rache gegenüber der ersten Ehefrau) besuchten öffentliche Schulen. Wael studierte Landwirtschaft. Er liebt die Natur, züchtet und pflanzt gerne. Er hat viele gute Ideen – die wohl nie umgesetzt werden.

Er kam nach Hurghada, arbeitete als Verkäufer am Strand, später als Masseur. Er kam zu mir, um Deutsch zu lernen, in der Hoffnung auf einen besseren Job. Er lernte kaum, liess Unterricht sausen, hörte auf. Irgendwann rannte er von seiner Arbeit weg, weil dem hochgewachsenen, gutaussehenden jungen Mann eine ältere Arbeitskollegin näher kommen wollte und ihn damit in Schwierigkeiten brachte. Die Frau hüpft durch alle Betten des Managements, weshalb ihm niemand glauben würde.

Wael träumt von Europa. Sein Stiefbruder in Italien will davon nichts wissen. Auch davon nicht, dass das Geld für die Ausbildung der jüngeren Geschwister einfach nicht reicht.
Freunde in England wollen ihm helfen, ein Visum zu bekommen. Die haben – so erzählt er - eine Baufirma. Um Besitz vorweisen zu können, wollte er das Grundstück der Familie auf sich umschreiben lassen. Seine Mutter war dagegen. Der wohlhabende Onkel, der Wael seit seiner Kindheit einen Versager schimpft, steht im Weg.

Wael beschloss, Englisch zu lernen. Enthusiastisch fing er an, doch nach drei Wochen kamen wieder Ausreden: Er hätte die ganze Nacht nicht geschlafen, weil die Klimaanlage nicht funktionierte. Eine Lebensmittelvergiftung. Ärger mit der Mama, zu der er inzwischen den Kontakt abgebrochen hat.

Tatsache ist: Wael leidet unter Depression. Er sehnt sich nach Familie, nach einer Partnerin, nach einer Zukunft – die ausser Reichweite scheint. Mit knapp 30 Jahren und unverheiratet sieht er sich als nutzlosen Versager und Verlierer. Jene Frauen, mit denen er eine Beziehung hatte (eine Ägypterin, eine Osteuropäerin), haben ihn hintergangen. Er hat Angst vor den Menschen, geht nur nachts aus dem Haus. Hin und wieder vertraut er sich mir an.

Kimo, 38 Jahre
Der gutaussehende, aussergewöhnlich intelligente und mehrsprachig aufgewachsene Mann kommt aus einer guten Familie mit libanesischen, griechischen und italienischen Wurzeln. Vielseitig begabt, charmant, überzeugend und selbstsicher wird er zum Star im frankophonen Tourismus. In der Hoch-Zeit des Tourismus verdient er glänzend und lernt die Liebe seines Lebens kennen: eine russische Sängerin.

Sonntag, September 10, 2017

Sommerkleidung: ägyptische Baumwolle – was sonst?

Die über mehrere Monate hinweg andauernde Hitze, die oft hohe Luftfeuchtigkeit und der konstant wehende Nordwind lassen einen fast ununterbrochen schwitzen. In dem Klima finde ich es deshalb nicht immer einfach, mich bequem und doch noch halbwegs adrett anzuziehen.

Die Kleidung soll locker und luftig sein, Schweiss nicht sofort sichtbar werden und oben drein soll alles auch noch pflegeleicht sein. Mit dem, was in den meisten Läden angeboten wird, komme ich nicht klar: Polyester, eng anliegend, durchsichtig, geschmacklich zweifelhalft, seit Neuestem ist auch noch zerrissen und zerlöchert in. Unverständlich für mich. Aber über Geschmack lässt sich ja angeblich streiten.

Sonntag, September 03, 2017

Zum Verlieben

Es ist glasklar. Es ist hellblau oder smaragdgrün. Tiefblau auch. Am Horizont versinkt es mit dem Blau des Himmels im All.

Es ist immer warm. Es ist immer da. Selbst wenn es mal für ein paar Stunden bei Ebbe verschwunden ist: es kommt verlässlich zurück.

Der Zugang ist etwas knifflig. Vorsicht übt, wer sich nicht an den spitzen Korallenabbrüchen und Muscheln die Füsse verletzen möchte. Das versteinerte Riff muss umrundet werden. Die kleinen bunten Blumentöpfe aus Korallen dürfen auch nicht berührt werden. Das täte weh, am Körper und im Herz.

Montag, August 14, 2017

Umgang mit Regeln und Vorschriften

Regeln und Vorschriften (und Gesetze) gibt es hier noch und noch. Manche machen Sinn, manche weniger. Jene im Strassenverkehr, zum Beispiel, finde ich recht sinnvoll, verhindern sie doch Unfälle. Aber nicht mal diese Vorschriften werden eingehalten, die Verkehrsteilnehmer scheren sich einen Deut darum und machen, was sie wollen.

Gestern habe ich ein hübsches Müsterchen über den kreativen Umgang mit Vorschriften erlebt. Zum Windsurfen gehe ich seit 18 Monaten ein- bis zweimal pro Woche in ein und dasselbe Hotel. Da passiere ich den Wachmann bei der Hotelzufahrt. Wenn er neu ist, ruft er seinen Kollegen am Hoteleingang an. Wenn die Wachmänner mich kennen, grüsse ich und spaziere rein.

Sonntag, August 13, 2017

Nebenwirkungen vom Leben anderswo

Manch einer probiert es, denn es scheint so verlockend: ein Leben anderswo, fern der Heimat, unter der Sonne des Südens, in der Weite der Pampa, inmitten der Berge, in einer fremden Kultur, in einem anderen Sprachraum. Oder sonst wo, einfach weg von daheim.

Und viele geben wieder auf, denn es ist nicht einfach. Seien wir ehrlich: es ist saumässig schwierig, insbesondere dann, wenn man noch nicht auf ein dickes Bankkonto oder eine regelmässige Rente zurückgreifen kann. Doch allein der Versuch ist es wert: es erweitert den persönlichen Horizont und macht die eigenen Grenzen erkennbar. Das fängt aber schon beim Entscheid an, ob Mann oder Frau überhaupt innerlich bereit ist, das angestammte Revier, die Sicherheit, den gewohnten Alltag, die Freunde und lieb gewordenes zurückzulassen.

Und manche bleiben und beissen sich durch. Mit Glück, Beziehungen oder Durchhaltewillen. Was sich dabei abspielt, versuche ich hier mal zu skizzieren.

Unter der Glasglocke
Jeder Mensch trägt seine persönlichen Erfahrungen mit sich herum, sie haben ihn zu dem gemacht, was er ist: Erziehung, Kultur, Bildung und Erlebnisse waren und sind die Zutaten. Ich komme aus einem Umfeld, wo Begriffe das sind, was sie auch bedeuten (Rechtsstaat, Demokratie, Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Ethik, Anstand und noch vieles mehr); zumindest habe ich das so wahrgenommen. Mit dieser Vorstellung bin ich in das Drittweltland Ägypten gekommen, einer Diktatur, in welcher die Hälfte der Bevölkerung unter oder an der Armutsgrenze versucht zu überleben, wo Polizei an jeder Ecke steht und allein das Recht des Stärkeren gilt. Der Stärkere ist jener, der die besseren Beziehungen und mehr Geld zur Verfügung hat.

Das Klima hat mich entzückt, das Neue und Exotische haben mich fasziniert. Ich sass unter der Glasglocke und was ich da durch das Glas beobachtete, war wunderbar: Das Meer, die Palmen, die Wüste, die Sprache, die Sonnenaufgänge und die liegende Mondsichel am Nachthimmel.

Diese Phase dauert eine ganze Weile, je nach dem, mit wem man zu tun hat. Wunderschön ist es, herrlich, paradiesisch quasi. Inzwischen weiss ich, dass das Paradies anders aussieht.

Der Schock
Der kommt unweigerlich, sofern Mann oder Frau nicht schon vorher verduftet ist. Stromunterbrüche nerven. Kein fliessendes Wasser auch. Besonders im Hochsommer, wenn die Temperaturen gegen vierzig Grad Celsius klettern. Es nervt, wenn ein Arbeiter kommt, um etwas zu reparieren, gleichzeitig aber neuen Schaden anrichtet. Es nervt, wenn man einkaufen will und dafür mehrere Geschäfte abklappern muss und trotzdem nicht findet, was man sucht. Es nervt die Huperei, die Raserei und die blöde Anmache von Verkäufern, Taxifahrern und Aufreissern.

Dienstag, August 08, 2017

Belästigung ohne Ende

Da habe ich auf einem Online-Marktplatz Inserate geschaltet. Wie auch schon in der Schweiz. Doch hier – kaum ist das Inserat online – erhalte ich eine Nachricht.

„Telefonnummer.“

Mehr nicht. Keine Bitte. Meine Telefonnummer habe ich nicht veröffentlicht, logo. Den Braten riech ich schon, spiel aber mal vorläufig mit.

„Guten Tag. Wie kann ich Ihnen helfen?“ und denke mir, vielleicht kann er nicht (ja, ich war sicher, dass es keine „sie“ war) Englisch schreiben. Und ich füge hinzu „Ich kann auch Arabisch lesen.“

Höflich bleiben – so lange ich kann. Kann ich, wenn ich gut gelaunt bin.

Samstag, August 05, 2017

Beschützt und behütet

Es gibt da ein freies Stück Strand, das weder abgeriegelt, noch bewacht ist. Das ist rar. Links und rechts daneben stehen riesige Hotelbauten.

Das Stückchen Strand dient mir früh morgens, wenn es noch nicht zu heiss ist, als Joggingpiste. Da hat es nämlich eine festgefahrene Chaussée, wo der Sand fest gepresst ist. Ideal also für mein lädiertes Knie. Ausserdem komme ich da morgens in den Genuss von Meeresbrise und Meeresluft. Tut gut.

Selbst um die Zeit schon spazieren Touristen bei Ebbe im Wasser oder plantschen vor sich hin.

Neulich haben mich Wachmänner vom Hotel daneben beobachtet. Das hat mich genervt, zuerst. Dann hat das Joggen aber gewirkt und ich habe mich beruhigt. Genervt, weil man in dem Land ständig begafft und beobachtet wird. Beruhigt, weil ich mir vorgenommen habe, die zu ignorieren.

Als ich mit meiner Hüpferei fertig war, bin ich hinunter an den Strand gegangen, auf die zwei Typen zu. Beide hatten Stöpsel im Ohr, Uniform am Körper, Glatzköpfe. Freundlich gegrüsst habe ich und dann gefragt, warum sie mich ständig beobachteten. Ich würde mich dabei nicht wohlfühlen.

Der Eine entschuldigte sich dann dafür. Sie wüssten, dass ich öfter am Morgen hierherkomme und ich dürfe jeden Tag kommen. Aber sie müssten darauf achten, was da los ist. Grad letzte Nacht hätten sich hier im Gebüsch (gibt es da tatsächlich) Kriminelle versteckt, welche von der Polizei schon länger gesucht worden waren. Letzte Nacht hätte sie die Polizei mitgenommen.

Da war ich doch etwas Baff. Aber es zeigt wieder, dass man in dem Land kaum einen Schritt tun kann, ohne beobachtet zu werden. Seit dem unglückseligen Messerangriff auf Touristinnen vor drei Wochen sind Strände und Hotels noch schärfer bewacht. Wenn es was bringt und die Polizei erwischt weitere Delinquenten, soll’s mir recht sein. Aber es bringt auch Unannehmlichkeiten mit.


Montag, Juli 31, 2017

Ich stehe am Strand und …

Ich steh am Strand und sehe hinaus an den Horizont, wo sich das Blau des Meeres mit dem Blau des Himmels vereinen würde, läge da nicht die Giftun-Insel dazwischen. Davor tanzen weisse Boote und warten auf Schnorchler mit hässlichen bunten Masken und wirren nassen Haaren.

Ich war Windsurfen, bin über die Wellen gehüpft, bin bei Manövern ins Wasser gefallen und wieder aufs Brett gekrabbelt. Ich hab das Segel wieder aufgeholt und bin weiter gesurft, hinein gefallen und rauf gekrabbelt.

Die Schildkröte ist zwanzig oder dreissig Meter vor mir in die Tiefe abgetaucht. Die kennt sich aus. Die Wellen tanzten und spritzten Wasser an meine Beine hoch. Ich hab gejuchzt und geschrien. Vor Freude. Voller Leben.

Ich steh am Strand und sehe hinaus aufs Meer, wo die Surflehrer zwei Anfänger mit winzigen Segeln unterrichten. So hab ich auch mal begonnen.

Ich steh gedankenverloren am Strand und sehe aus den Augenwinkeln, wie ein junger Mann eine junge Frau aus einem dick gepolsterten Rollstuhl hebt, wie ihre dünnen Arme unkontrolliert herum wirbeln, wie er vorsichtig die Stufen ins Meer hinabsteigt und sie in ein aufblasbares Schiffchen legt.

Ich stehe und sehe starr vor Entsetzen, wie ihre hellen Beine ins Wasser hängen. Freundinnen feuchten ein Tuch an, legen es der jungen Frau um den Kopf. Sie lassen das aufblasbare Schiffchen mit dem weissen Körper im schicken schwarzen Badeanzug im Wasser treiben. Ich sehe, dass die Frau die Lippen und die Finger bewegen kann. Die sind mit schwarzen Gel-Nägeln geschmückt.

Ich bin verwirrt, erschrocken und noch vieles mehr... und zutiefst dankbar, dass ich gesund bin.

Sonntag, Juli 09, 2017

Offener Brief: Sehr geehrter Herr Hoteldirektor

Wir haben mal miteinander über Qualitätsmanagement und ROI diskutiert. Erinnern Sie sich? Heute, als ich an Ihrem Hotelstrand war, ist mir das wieder eingefallen.

Noch bevor ich mich auf die Liege gelegt habe, habe ich zwei Handvoll Plastikabfall aus dem Meer gefischt. Die Wellen haben ihn hin und her geschubst. Später dann habe ich einen Spaziergang der Bucht entlang und hinüber zur Insel gemacht und was ich dort sah, nun, das war nicht nur eklig, sondern auch schockierend: zwischen den Steinblöcken türmen sich PET-Flaschen und Plastiktüten, Zigarettenschachten und anderes Zeugs. Sicher ist das mit der Meeresströmung herangeschwemmt worden. Aber auch auf dem Boden der kleinen Insel fand ich dasselbe: Plastikbecher, Pampers und PET-Flaschen, die unter den Palmen deponiert worden waren.

Dienstag, Juli 04, 2017

Im Wunderland

Je weiter südlich man dem Roten Meer entlang fährt, umso einsamer wird es. Ein paar halbfertige oder funktionierende Hotelanlagen, viel Wüste, im Hitzedunst verschwindende Berge und das in allen Blauschattierungen schillernde Rote Meer.

Atemberaubend schön.
Atemberaubend einsam.
Atemberaubend still.

Nördlich und südlich der Stadt Marsa Alam hat die Regierung eine Zone für ökologische Ferienanlagen ausgeschieden und so sind einige „Öko-Camps“ entstanden. Als ich für mich eine Unterkunft gesucht habe, habe ich nur wenige Camps gefunden, die auch in Betrieb sind. Einige sind teurer als Fünf-Sterne-Hotels (selbst bei Übernachtung im Zelt!), einige sind billig und heruntergewirtschaftet. Alle entstanden zur Hoch-Zeit des Tourismus. Seit 2011 fehlt es aber an Touristen und dringend notwendige Renovationen und Investitionen können nicht finanziert werden. Einige haben aufgegeben, andere versuchen irgendwie weiterzumachen.

Sonntag, Juli 02, 2017

Hitzelahm

Der Strom wird tagsüber abgestellt. Der Generator ist verstummt. Nur der zarte Wind ist zu hören und nur er ist es, der das Sein im Schatten erträglich macht.

Eine bleierne Hitze liegt seit Tagen über dem Land und weil es ihr hier so gefällt, bleibt sie noch ein bisschen. Angeblich sind es über 40° C. Doch alles, was mal über 38° C liegt, fühlt sich sowieso gleich an: als ob jemand den Haartrockner und den offenen Backofen auf höchster Stufe laufen liesse. Sicher sind es 45° C.

Es ist so heiss, dass der Schweiss unablässig fliesst und grad wieder trocknet – es sei dann, man befindet sich in einem windstillen Winkel. Es ist so heiss, dass ich kaum auf die Toilette muss, obwohl ich etwa vier Liter Flüssigkeit in mich hineinschütte. Es ist so heiss, dass Bewegungen höchstens in Zeitlupentempo ausgeführt werden. Lieber gar nicht bewegen.

Ausgerechnet jetzt sitze ich weit im Süden Ägyptens, die Grenze zum Sudan liegt keine 200 km weit entfernt. Es ist zu heiss, um in die Wüste zu fahren, zu heiss, um an den Strand zu gehen. Später, wenn die Sonne sich dem Horizont zuwendet, hupf ich mal ins Meer.

Während ich schreibe, hat sich ein Hündchen zu mir gesellt. Das arme Tier ist völlig am Anschlag, das Wasser, das ich in eine abgeschnittene PET-Flasche gefüllt habe, leckt es gierig auf.


Damit mein Laptop nicht auch mit der Hitze hops geht, mach ich ihn jetzt zu.



Donnerstag, Juni 29, 2017

Das Lachen vergangen?

Was ich an den Ägyptern bewundere und liebe, ist ihr Humor. Sie schaffen es, über die schlimmsten Zustände in ihrem Land einen, nein: unzählige Witze zu reissen.

Der Schiefe Turm von Alexandra
Man stelle sich vor: man liegt im 10. Stock im Bett oder guckt Fernsehen und plötzlich nähert sich die Fassade des Nachbarhauses. Sie nähert sich nicht nur, der Wohnblock drückt sich in die Wohnung rein, zerstört Wände und Möbel. Eine unglaubliche Katastrophe, möglich nur, weil das Land von Korruption wie von Krebs zerfressen ist. Der Besitzer des Hauses hatte die Bewilligung zum Bau von drei oder vier Stockwerken (je nach Quelle). Gebaut hat er 14 Etagen (soweit ich mich nicht irre). Irgendwann hat der Grund hat unter dem Gewicht nachgegeben und das Ding ist gekippt.

Samstag, Juni 17, 2017

Erlebnis Einkaufen im Supermarkt

Reglos sitzen sie da, junge Männer auf Kisten oder am Boden vor Regalen. So zumindest scheint es auf den ersten Blick. Doch sie bewegen sich - im Schlaftablettentempo.

Mehrmals gehe ich suchend am selben Regal vorbei und beobachte, wie ein fülliger junger Mann dieselbe Zahnpastaschachtel milimeterweise verschiebt, seine Hände sinken lässt, dann die Bewegung von vorne wiederholt. Immer wieder, genau in dem Moment, als ich hinter ihm vorbeigehe.

Arg ist das. Ok, es ist Ramadan. Und vermutlich sind das junge Studenten, die in den vier Monaten dauernden Ferien ein paar Pfund verdienen möchten. Entsprechend der Entschädigung bewegen sie sich auch: minim. Zusätzlich mühsam für den Kunden ist das, weil die den Weg zwischen den Waren versperren.

Momentan quillt der Laden über von Palletten mit Sonderangeboten: 5 Kilo Reis, 10 L Kochöl, 3 Kilo Kochfett, Grosspackungen Putzmitteln und anderem Zeugs, das in einem ägyptischen Grosshaushalt im Nu verschwindet. Dadurch hat es noch weniger Platz als sonst, um sich durch die Warenberge zu schlängeln.

In diesem Supermarkt ist das besonders wichtig, denn der willige Käufer findet höchstens zur Hälfte der angebotenen Waren die zugehörigen Preise. Entweder ist gar kein Preisschild vorhanden, es ist kaum lesbar oder es ist falsch. Dafür gibt es in der Nähe der Kassen Bildschirme, an denen die Preise der Waren abgelesen werden können. Zu meinem Betrüben sind die oft falsch programmiert. Im schon erwähnten 50%-Schnitt. Vorgestern war es schlimmer: von drei gescannten Waren erhielt ich völlig falsche Bezeichnungen. Da gibt es nur eins: Ware zurück ins Regal bringen und auf ein andermal warten, hoffen oder woanders suchen. Geduld bringt Rosen, habe ich gelernt, und in Ägypten ist Geduld eine Tugend. So kommen doch ein paar Kilometerlein in dem riesen Geschäft zusammen.

Nein, das ist nicht übertrieben, denn auch die Suche nach den Produkten ist aufwändig. Manchmal sind sie plötzlich woanders, manchmal findet man sie zufällig, manchmal sind sie einfach unauffindbar. So kommen hübsche Distanzen zusammen.

Und aus dem Erlebnis wird Frust. Ich hasse Einkaufen sowieso und lasse deshalb immer eine grosse Liste zusammenkommen, damit sich das Abenteuer auch lohnt. Das Abenteuer ist allerdings endlos, denn ich verlasse die Warenhalle immer mit einem Einkaufszettel, auf dem mindestens ein Viertel der benötigten Dinge nicht abgestrichen ist. Quasi Endlosabenteuerfrust. Zum Glück habe ich mich daran gewöhnt.

Auch an die Poster, die über den Warenbergen auf Palletten stecken. Die sind oft nur in Arabisch beschriftet, wobei sonst alles zweisprachig angeschrieben ist. Oder die Poster stehen beim falschen Warenhaufen. Oder es gibt Warenhaufen ohne Poster, also ohne Preise, Mengen und Bezeichnungen. Das ist mühsam und trägt zu den Kilometerlein und dem Endlosabenteuerfrust bei.

Doch es gibt auch Heiteres, wie das Poster hier, das ich über einem Gebirge von „Kahk“ (man spreche das H bitte aus) – speziellen Keksen mit viel Puderstaub zu den Feiertagen am Ende des Ramadans: über der Zuckerverführung steht gross in Englisch und Arabisch: Getränke!
Und so marschiere ich lachend zur Kasse und vergesse den Endlosabenteuerfrust.


da passt was nicht 😊

Sonntag, Juni 11, 2017

Ramadan Momente

„Nein, ich faste nicht, ich sehe auch keinen Sinn dahinter“, war meine Antwort auf die Frage, ob ich es schon mal ausprobiert hätte oder ausprobieren wollte. Der Fragesteller, ein untersetzter Mann mittleren Alters, fastet. Aber er ist einer von jenen, die den „einfachen“ Weg gehen. Er arbeitet am Tag nicht, sondern schläft. Das ist nicht die Idee vom Fasten im Ramadan, aber viele tun es ihm gleich. Zu hart ist es, knapp vierzehn Stunden am Tag nichts zu essen und nichts zu trinken. Bei Temperaturen von 35°C bis 40°C.

Ich kenne medizinisches Fasten. Da wird gar nichts gegessen. Eine Woche lang, zwei Wochen lang. Nur flüssige Nahrung wird aufgenommen, zuerst Suppen, dann noch Säfte. Hier im Ramadan wird aber nachts zugelangt, worauf man am Tag verzichtet hat. Ist das Fasten? Und gesund soll es sein, bei diesen Temperaturen nichts zu trinken? Ich bezweifle das. Aber schlussendlich ist es nicht mein Entscheid, sondern ich gucke nur zu.

Donnerstag, Juni 08, 2017

Auf ein Glas Wein

Ägypten ist ein islamisches Land – so steht es in der Verfassung. Im Gegensatz zu anderen islamischen Ländern ist der Genuss von Alkohol jedoch erlaubt.

Die Pharaonen brauten Bier und die Ägypter haben diese Tradition beibehalten. Es gibt auch Weinreben aus deren Trauben Weiss-, Rosé-, und Rotweine hergestellt werden. Die Qualität unterscheidet sich leider noch etwas von wirklich guten Weinen, da ist noch Potential vorhanden.

Getrunken wird fleissig – nicht nur an Touristenorten wie Hurghada. In Hotels, Bars und Restaurants gibt es Wein und Bier und andere einheimische und importierte Spirituosen, sofern sie dafür eine Erlaubnis haben. Doch Alkohol einkaufen funktioniert hier anders als in Europa und ist zudem wegen der hohen Alkoholsteuer schrecklich teuer – bezüglich Qualität und Kaufkraft. Importierte Spirituosen sind für Normalsterbliche quasi unerschwinglich.

Sonntag, Mai 28, 2017

Zensur schlägt zu

Einmal mehr hat die Zensur in diesem Land ihre Macht gezeigt. Auf rund zwanzig Internet-Nachrichtenseiten kann nicht mehr zugegriffen werden. Betroffen sind die auch im Westen weitherum bekannte Al Jazeera, aber auch Daily News Egypt, Huffington Post Arabisch oder Mada Masr u.a.. Der Oberste Rat für Medienüberwachung ist der Meinung, dass alle Medien, die Terrorismus propagieren, gesperrt werden müssen.

Katars AlJazeera wird schon seit 2013 den Muslimbrüdern und somit den Terroristen zugeschrieben. Daily News Egypt scheint ein „technisches Problem“ zu haben – wurde die Seite vielleicht „versehentlich“ blockiert?

Samstag, Mai 27, 2017

Ramadan-Beginn in Stille

Seit Sonnenaufgang fasten Muslime heute: seit zehn vor fünf Uhr! Es ist ein ungewöhnlich heisser Tag, die Temperaturen liegen über 35° C. Kaum ein Lüftchen regt sich – ebenso ungewöhnlich. Das macht den ersten Fastentag zusätzlich hart.

Doch es ist nicht die bleierne Hitze, die heute über dem Land liegt, die mir besonder ausffällt. Nein, es ist was anderes…

Es ist still! Noch im Halbschlaf hatte ich das Gefühl, dass da etwas anders ist, als sonst. Kein Bohren, Klopfen und Hämmern. Keine Lastwagen und keine Autos. Kein Geschrei und Gejohle der Arbeiter der umliegenden Baustellen. Kein Telefongespräch von Passanten. Keine erzwungene Musikberieselung.

Das bleibt so während des ganzen Vormittags. Und Mittags. Und Nachmittags. Am Pool herrscht fast Geisterstille. Eine Bekannte hat auf Facebook geschrieben, sie sei alleine am Strand, es sei ganz still und friedlich. Ich bin mit meinem Eindruck also nicht alleine. Seit ich in diesem übervölkerten Land lebe, war es nur einmal so still wie heute: in den Monaten nach der Revolution 2011. Damals war Hurghada beinahe ausgestorben.

Mir ist es recht. Und klug ist, wer sich auf die Nacht einstellt: ich nehme mal an, dass dann alles nachgeholt wird, was tagsüber ausgeblieben ist. Nicht nur die Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme.



Donnerstag, Mai 25, 2017

Melonen-Wächter

Da und dort türmen sich am Strassendrand riesige grüne Wassermelonen. Sorgfältig aufgestapelt auf parkierten Pickups oder auf dem mit einer Decke belegten Sand. Manch ein Verkäufer hat eine der schweren Früchte aufgeschnitten: das Rot des Fruchtfleisches leuchtet in der Morgensonne und lockt Kunden an. Für sie ist es bequem, ihr Fahrzeug schnell am Strassenrand anzuhalten und diesen herrlichen Durstlöscher zu erstehen.

Tagsüber stellen die Verkäufer Sonnenschirme auf oder spannen ein Tuch über Ware und sich. Nachts sitzen und liegen sie in Decken gehüllt neben der Melonen-Pyramide.

Als ich früh morgens wegen bürokratischem Papierkram in den anderen Stadtteil fahren muss, gleiten die grünen Kugelberge an mir vorbei. Manch ein früher Kunde lässt sich schon eine Melone aufschlitzen und in eine Plastiktasche geben.

Jäh fällt mein Blick auf einen verwaisten Melonen-Stand. Tatsächlich niemand da? Das kann nicht sein! Fast bin ich vorbei, als ich eine Wolldecke am Boden erhasche, deren unregelmässige Form verrät, dass da einer schläft. Ich erhasche das Gesicht, erahne den kleinen Körper, der da friedlich im Sand, am Strassenrand, im Schatten der Melonen schläft.


Donnerstag, Mai 11, 2017

Verspätete Reisende

In die Wüste hat es mich heute gezogen, weg von Häusern und Menschen und Autos und allem Drum und Dran, das mir meine Energie raubt.

Ich marschierte über Hügel, überquerte Sandebenen, blieb hie und da mal stehen, um einen seltsamen Stein näher zu betrachten: smaragdgrün, Schneckenhausmuster… Ich guckte in den Himmel, der milchigtrüb schien. Es stürmte.

Aus der Ferne sah ich in fast regelmässigen Abständen etwas aufgereiht, fast wie Tontauben zum Abknallen. Das macht natürlich keinen Sinn dort, wo ich war, aber im ersten Moment sahen die Dinger so aus. Schwarzweiss. Je näher ich kam, umso seltsamer muteten die Gebilde an: wie grosse Eier. Auf roten Stängeln… bis mir einfiel: das müssen Vögel sein!

Freitag, Mai 05, 2017

Auto-Service

Zwanzigtausend Kilometer zeigt der Zähler an und so ist ein Service fällig. Ein grosses Unterfangen in dieser Region.

Die Preise in Kairo sind anders. Zwei Garagen rufe ich vorher an, zwei unterschiedliche Auskünfte bekomme ich. In Hurghada erhalte ich nochmas eine andere Auskunft, teurer auf jeden Fall. Aber die Aussicht, mich in Kairo durch den Verkehr zu wühlen und die Garage nicht zur vereinbarten Zeit zu erreichen, bereitet mir Kummer und so lass ich die Idee fallen, obwohl ich grad nach Kairo muss.

Also Hurghada. Während ich vom Warteraum mit Fensterscheibe (wie auf dem Flughafen!) dem Treiben in der Halle zugucke, unterhalte ich mich mit den anderen Kunden. Einer schimpft mit Zornesröte im Gesicht, er warte schon seit einer Woche auf eine neue Batterie. Unglaublich. Kairo liegt auf dem Mond. Dort liegen auch die Ersatzteile. So etwas wie ein Ersatzteillager scheint hier unbekannt zu sein.

Ein anderer Kunde erzählt mir, dass er den Service hier nur wegen der Garantie machen lässt und alles nochmals bei einem Mechaniker seines Vertrauens überprüfen lässt. Mich schaudert. Er empfiehlt mir auch, Ersatzteile in Kairo zu kaufen und wenn möglich, dort den Service machen zu lassen. Preis und Qualität seien nicht mit jenen in Hurghada zu vergleichen. Mich schaudert noch mehr. Das ist ein Ägypter, der mir diesen Rat gibt. Umso schlimmer.

Mittwoch, Mai 03, 2017

Von meiner Liebe zu Sprachen

Ich liebe Sprachen. Ich habe schon als Fünftklässlerin einen Abendkurs in Englisch belegt. Ich erinnere mich, dass ich mich – schüchtern wie ich war - unter den erwachsenen Kursteilnehmern zwar verloren fühlte, aber innerlich unheimlich stolz auf mich und sehr entschlossen war!

Mit fünfzehn verkündete ich, ich würde mal Arabisch lernen. Ich wusste damals nur, dass Arabisch die Sprache der Märchen aus 1001 Nacht und Karl Mays Kara Ben Nemsi war. Das habe ich dann wieder vergessen. Zum Glück. Für einige Jahre musste ich mich auf die Schule konzentrieren. Danach ging es aber wieder los mit den Sprachen. Meine Liebe dazu hat bunte Blüten getrieben und mich sogar dazu verführt, Ladin auszuprobieren.

Fremdsprachen verkörpern für mich Exotik und Faszination. Sie öffnen Türen zu einer sonst verborgenen Welt. Sprachen widerspiegeln Denkweise und Kultur eines Volkes. Dieses Wissen, das sich mir dabei auftut, verschlinge ich regelrecht, verarbeite es und vergleiche es mit meiner/unserer Denkweise und Kultur. Es hilft mir, die andere Welt doch annähernd zu verstehen oder eben, die Grenzen des Nicht-Verstehens zu entdecken.

Freitag, April 28, 2017

Rückkehr nach Hurghada

Ferien vorbei. Rückkehr nach Hurghada. Türe aufschliessen und daheim sein, sich von den Reisestrapazen erholen – ein Wunsch, der wohl nur jenen erfüllt wird, die jemanden haben, der sich während der Abwesenheit um die vier Wände samt Inhalt kümmert.

Wohnung

Dass es geregent und gestürmt hat, habe ich erfahren. Die Spuren würden in meiner Wohnung sichtbar sein. Dass es einen Sandsturm gab, habe ich auch erfahren. Ich weiss, wie die Wohnung danach aussieht – bei geschlossen Fenstern.

Trotzdem gab es eine Überraschung.

Dienstag, April 11, 2017

Blick ins Meer

Es war Ostwind oder vielleicht sogar Südwind. Jedenfalls jene Windverhältnisse, die in Ägypten seltener vorkommen und in Hurghada die Flugzeuge anders herum starten lassen. Und die Luftfeuchtigkeit ans Land bringt. Und noch anderes mehr.

Ich war surfen. Es hatte Quallen, wie im Frühling leider üblich. Die Schildkröte sah ich auch, die tauchte ein paar Meter vor mir ab. „Ich bin Gast hier, es ist IHR Wohnrevier,“ denke ich oft, wenn ich im oder auf dem Meer bin. Doch mit dem Ost- oder Südwind steigt nicht nur die Luftfeuchtigkeit und die Quallen lassen sich wie in Trance ans Ufer tragen. Schlimmer ist: aller Abfall, alles, was versehentlich oder vorsätzlich ins Meer fliegt, rollt, fällt und geworfen wird, kommt an Land zurück.

Grässlich. Im wunderbaren Tiefblau des Roten Meers, auf, in und zwischen den wogenden Wellen schwammen Holzplanken und Plastiksäcke, Plastikflaschen, Plastikgeschirr, Plastikbecher, zerrissene Seile, einzelne Flipflops, Fetzen von Textilien, Zigarettenstumpen, Fässer und immer wieder alle Art von Plastikteilen. Die zartlila Quallen wirkten dazwischen wie mystische Fremdkörper.

Montag, April 03, 2017

Momente in Kairo

Warten I

Ich sitze am Hauptsitz einer grossen, beinahe hundertjährigen Bank. Seit zwei Stunden. Die riesigen Teppiche sind abgetreten und verschmutzt. Die Grünpflanzen stecken in vertrockneter Erde. Die Rollläden in den beiden Sitzungszimmern hängen schief, die Lamellen sind zerbrochen, liegen teilweise am Boden.

An mir gehen weibliche Angestellte vorbei. Jede trägt ein Päckchen Papiertücher in der Hand, manche noch eine Flasche flüssige Seife.

Sie gehen aufs Klo. Dort gibt es weder Seife noch Toilettenpapier noch Handtücher. Nur Wasser.
Ich weiss es, weil ich auch dort war. Aus den zwei wurden nämlich fünf Stunden, auf verschiedenen Stockwerken, in verschiedenen Abteilungen.

Und überall tragen die weiblichen Angestellten ein Päckchen Papiertücher vor sich her… Warum um alles in der Welt packen sie die nicht in die Handtasche, damit nicht jeder sieht, was sie vorhaben???

Warten II

Links und rechts von mir schieben sich Fahrzeuge vorbei. Ich steuere mein Auto auch vorwärts, versuche mit der Schieberei mitzuhalten. Schon seit über einer Stunde. Seit ich von der Ringstrasse runter bin.

Vor mir kriecht ein Fahrzeug mit schwarzen Scheiben und dem ägyptischen Wappen. Ein hohes Tier – das im Auto, nicht das auf dem Wappen. Die mag ich nicht – nicht die Wappen, sondern die verdunkelten Scheiben. Da sehe ich nicht, was davor passiert. Fussgänger quetschen sich zwischen den schiebenden Fahrzeugen durch, versuchen die Strasse heil zu überqueren. Eine ältere Frau in schwarzer Galabeya und schwarzem Niqab bedeutet resolut mit einer Handbewegung „Halt, lasst mich durch!“ Ich bewundere sie. Es funktioniert nämlich.

Zwischen den am Strassenrand parkierten Autos und der stehend-fahrend-schiebenden Dreier- oder Viererkolonne, die manchmal zu einer Zweierkolonne zusammengequetscht wird, schiebt ein junger Mann seelenruhig einen Behinderten im Rollstuhl. Mein Gott.

Eine ältere Frau mit leblosem oder bewegungslosem Kind – oder ist es eine Puppe? – bettelt jeden Fahrzeuglenker um Almosen. Mir wird elend ob all dem Elend.

Kellner tragen wagemutig Tablette mit Tee oder Kaffee von einer Strassenseite auf die andere, kunstvoll die Getränke balancierend, den Fahrzeugen ausweichend, Konfrontationen mit Fussgängern vermeidend. Ein Kunststück unter Lebensgefahr.

Warten III

Wieder ein Taxifahrer von Careem (einem Fahrdienst mit App, wie Uber). Er ist neu. Er kennt sich nicht aus. Mein Pech. Immer wieder guckt er im GPS auf die Adresse, die ich ihm angegeben habe. Viermal fragt er auf der Strasse: Polizisten, Fussgänger. Wir fahren mehrmals rund ums Quartier, an herrlichen neoklassizistischen Gebäuden vorbei. Das hätte ich auch gekonnt, dazu brauche ich kein Taxi. Nur hätte ich die Gebäude dann nicht bewundern können. Aber ich kenne sie ja schon, vom letzten Versuch mit diesem Taxidienst…


Sonntag, April 02, 2017

Geduld bringt Rosen

Ich liebe Sprichwörter! Irgendetwas Wahres haben sie alle. Das tröstet - im Nachhinein.

Seit beinahe einem Jahr habe ich versucht, für meinen Staubsauger ein kleines Ersatzteil zu erhalten: einen neuen Filter. Das Teil steht noch immer unter Garantie.

Ich hatte den Kundendienst in Kairo kontaktiert. Mehrmals. Denn die haben mich an verschiedene Orte geschickt, wo es alles Mögliche gab, nur sicher keinen Filter (Im Klartext: der Kundendienst weiss nicht, wer ihre Produkte in Hurghada vertritt). An einem Ort fand ich so etwas wie einen Elektroschrott-Sammler-Reparateur in einer Garage in einer Hintergasse hinter einer Tankstelle… Später fand ich zu einem älteren Herrn in einem pikobello aufgeräumten Lädelchen aus den Fünfziger Jahren – er verwies mich zu einem Syrer.

Da keimte Hoffnung in mir auf. Syrer haben den Ruf zuverlässig, fleissig und ehrlich zu sein. Da aber auch er mit der Herstellerfirma in Kairo hantieren musste, schloss sich der Kreis vorerst. Er vertröstete mich auf Ende Ramadan (letztes Jahr). Dann meinte er, es gehe noch ein oder zwei Wochen. Er werde mich anrufen.

Ich war es, der immer wieder anrief. Und vorbeiging. Irgendwann meinte er verzweifelt und schuldvoll, es gebe keine Filter, es werden keine produziert.

Huch! Was nun? Hoffnung aufgeben. Klebstreifen drüber und weiterstaubsaugen. Einfach nicht dran denken.

Irgendwann bot mir der Syrer an, ich soll den Staubsauger doch nochmals vorbeibringen, vielleicht könne er etwas tun. Das tat ich und wollte ihn nach ein paar Tagen wieder abholen.

Der sympathische Mann lächelte mich an und meine: in zwei Tagen kommen die Filter! Er werde mich anrufen.

Huch? Ich konnte es kaum glauben und glaubte es auch nicht. Nach ein paar weiteren Tagen rief ich an und er meinte, nein, es habe Verzögerungen gegeben, ein paar Täglein Geduld noch…

Letzten Donnerstag wollte ich mein Teil ohne den neuen Filter holen – doch der Syrer war nicht da. Na ja. Auf ein paar Tage oder Wochen kommt es jetzt auch nicht mehr drauf an.

Heute rief ich an und – welche grosse Überraschung! – er war da und die Filter auch. Ich fuhr sofort nach Dahar und holte meinen Staubsauger und einen neuen Filter und eine neue Klappe drüber… Er hatte eine ganze riesige Schachtel davon!

Elf Monate… Ein Musterstück von Kundenservice in Ägypten, von einer grossen, bekannten Firma.

Geduld bringt Rosen.

Und manchmal ein Ersatzteil aus Kairo.

Donnerstag, März 30, 2017

Rassismus und Fremdenhass

Ich möchte schon lange einen Artikel über dieses Thema schreiben. Nun fällt mir dieser Film der Deutschen Welle in die Hände:

 Link zum Film 

Zum Ansehen geeignet.



Genug. Im Moment.

Eine Französin hat mir mal gesagt, dass ihr Konsulat empfehle, wir Ausländer sollen alle 3 bis 4 Monate aus dem Land raus, um uns zu erholen. Finde ich gut.

Ich befolge das. Nur leider in längeren Abständen. Und jedes Mal, so ein bis zwei Wochen bevor ich wegfliege, drehe ich fast durch. Ich hab einfach genug:

Von den Idioten hinter den Lenkrädern, die alle Verkehrsteilnehmer behindern und gefährden.

Von den Taxis und Minibussen, die immer vor einer Abzweigung anhalten.

Von den hupenden und rufenden Taxifahrern.

Von den Stossdämpfer-beanspruchenden-Bodenwellen alle 500 m und den Löchern in den Strassen.

Von den Menschen, die immer mitten im WegEingangAusgangDurchgang stehen und lauthals telefonieren oder einfach ins Nirgendwo gucken.

Von den Leuten, die bei grösstem Verkehr todesmutig über die Strasse hetzen.

Von den Fussgängern, die auf der Fahrbahn gehen, statt auf dem Gehsteig – auch wenn der ausnahmsweise nicht zerlöchert, verschüttet, zerbrochen, mit parkierten Autos, umgekippten Lampenmasten, Mauerziegeln oder Sandhaufen verstellt ist.

Von den Kerlen, die einem ungewollt und ungefragt das Auto „putzen“ (sprich: verschmieren und verkratzen) und dafür ein paar Batzen erwarten.

Von den Typen beiderlei Geschlechts, für die Pünktlichkeit nicht existiert, dafür aber Termine verschieben und dann doch nicht auftauchen.

Von den ausreisewilligen Jünglingen mit schwangerer FreundinFrauPartnerin, die innert zwei Monaten Deutsch lernen und nichts dafür bezahlen möchten.

Von den Unzulänglichkeiten und verlorenen Wartestunden bei Behörden, Banken, Anwälten und anderen „Institutionen“.

Von den hirnlosen, blind befolgten Regeln, die keiner hinterfragt. Scheinbar nur ich und darüber verzweifle.

Von den vergeblichen Einkaufsgängen, um frische Milch, Kaffee, Joghurt oder weiss der Kuckuck was zu kaufen. Gibt’s grad nicht – morgen, so Gott will. Gott will nicht immer, habe ich gelernt.

Genug. Im Moment.

Und dann: unter blauem Himmel eine Stunde im lieblichen Frühlings-Wind über die Wellen surfen... Und alles ist vergessen… 💓


Ich flieg aber trotzdem. 

Dienstag, März 21, 2017

Schatztruhe voll Naturprodukten

Obwohl ich doch schon ein paar Jahre hier lebe, entdecke ich immer wieder etwas Neues. Das kommt einerseits daher, da ich lieber in der Natur draussen bin und mich bewege, als in Discos oder Bars herum hocke, und andererseits, da ich überhaupt nicht gerne einkaufe.

Mir hilft also nur der Zufall oder, wie hier geschehen, das Warten. Ich musste nämlich warten, bis die Angestellten eines Computer-Geschäftes vom Beten zurückkamen. Gute Gelegenheit für mich, ziellos durch die unansehnlichen Seitengassen zwischen Sherry- und Paschastrasse im Zentrum Hurghadas zu schlendern. Unansehnlich, weil die Strassen voller Abfall, ungepflegt und ungeteert sind. Die Männer (nie die Frauen!) hocken vor ihren Geschäften und Buden, vor den Cafés und Wohnhäusern, gaffen jeden Vorbeigehenden, jeden Vorbeifahrenden an und stieren in ihre Mobiltelefone, schwatzen, streiten oder warten auf den Umsatz des Lebens. Keinem käme es mal in den Sinn, den Unrat aufzuheben, zu sammeln und wegzutragen. In den Kopf wird mir das wohl nie und nimmer gehen. Andere Mentalität, andere Festplatte im Hirn.

Erwartungslos weitergehend fallen mir grosse Säcke mit Naturprodukten vor einem Laden auf. Mein Interesse wird wach und ich nähere mich dem kleinen, unscheinbaren Geschäft: Von unten bis oben ist es mit Naturprodukten vollgestopft. Zögernd trete ich ein, stehe drin und staune über prallvolle Regale mit Naturölen für sämtliche Zipperlein, die sich Mann und Frau vorstellen können, Naturseifen und -crèmes, Nüssen und Räucherstäbchen, Salzkristallen von den Salinen in Alexandria, Henna und Kaffeebohnen, Kardamom und Zimt, kalt gepresstem Olivenöl aus Ägypten, Libyen und Syrien, Bienenhonig, Rosenblätter und Rosmarin. Und noch vieles mehr, das ich bei meinen folgenden Besuchen entdecke, erstehe und verwende. Olivenöl und Honig kaufe ich hier – oder in der 50 m weiter gelegenen Kirche. Ja, richtig: in der Kirche.

Der Naturladen gehört Peter, einem jungen Kopten. Er lässt mich ungestört gucken, beantwortet geduldig meine Fragen, während er einen der Plastik-Behälter mit Kernen aussortiert und reinigt. Er entschuldigt sich für die Unordnung – zu wenig Platz, zu viel Ware… Macht nichts, mir gefällt das. Lieber eine solche Wundertüte von einem Laden, als die durchgestylten Boutiquen und die überall gleich aussehenden Supermärkte. Peter bietet seine Waren auch in Hotels an, doch die Touristen kaufen wenig. Und hierher, mitten in den Hinterhof der Sheraton Strasse, verirrt sich kein Tourist. Die getrauen sich nicht hierher.

Schade, denn ein Besuch lohnt sich: Tees, Salben und Öle aus einheimischen Produkten helfen der Gesundheit und den lokalen Herstellern. Und günstiger als die Pharmacocktails sind sie allemal. Olivenöl und Honig schmecken erstklassig. Die Rosenblätter verbreiten einen betörenden Duft und eignen sich als Tee zur Beruhigung…

Wer suchen mag: über dem Eingang thront ein grünes Schild mit der Aufschrift „Back to nature – nature treasures - organic“, zwischen Kirche und Sherry Strasse…


Öle

Traubenkern-, Weizenkeim-, Sesamöl und...

Gewürze und Tees

Essige, Öle, Honige und ...

Seifen