Montag, April 03, 2017

Momente in Kairo

Warten I

Ich sitze am Hauptsitz einer grossen, beinahe hundertjährigen Bank. Seit zwei Stunden. Die riesigen Teppiche sind abgetreten und verschmutzt. Die Grünpflanzen stecken in vertrockneter Erde. Die Rollläden in den beiden Sitzungszimmern hängen schief, die Lamellen sind zerbrochen, liegen teilweise am Boden.

An mir gehen weibliche Angestellte vorbei. Jede trägt ein Päckchen Papiertücher in der Hand, manche noch eine Flasche flüssige Seife.

Sie gehen aufs Klo. Dort gibt es weder Seife noch Toilettenpapier noch Handtücher. Nur Wasser.
Ich weiss es, weil ich auch dort war. Aus den zwei wurden nämlich fünf Stunden, auf verschiedenen Stockwerken, in verschiedenen Abteilungen.

Und überall tragen die weiblichen Angestellten ein Päckchen Papiertücher vor sich her… Warum um alles in der Welt packen sie die nicht in die Handtasche, damit nicht jeder sieht, was sie vorhaben???

Warten II

Links und rechts von mir schieben sich Fahrzeuge vorbei. Ich steuere mein Auto auch vorwärts, versuche mit der Schieberei mitzuhalten. Schon seit über einer Stunde. Seit ich von der Ringstrasse runter bin.

Vor mir kriecht ein Fahrzeug mit schwarzen Scheiben und dem ägyptischen Wappen. Ein hohes Tier – das im Auto, nicht das auf dem Wappen. Die mag ich nicht – nicht die Wappen, sondern die verdunkelten Scheiben. Da sehe ich nicht, was davor passiert. Fussgänger quetschen sich zwischen den schiebenden Fahrzeugen durch, versuchen die Strasse heil zu überqueren. Eine ältere Frau in schwarzer Galabeya und schwarzem Niqab bedeutet resolut mit einer Handbewegung „Halt, lasst mich durch!“ Ich bewundere sie. Es funktioniert nämlich.

Zwischen den am Strassenrand parkierten Autos und der stehend-fahrend-schiebenden Dreier- oder Viererkolonne, die manchmal zu einer Zweierkolonne zusammengequetscht wird, schiebt ein junger Mann seelenruhig einen Behinderten im Rollstuhl. Mein Gott.

Eine ältere Frau mit leblosem oder bewegungslosem Kind – oder ist es eine Puppe? – bettelt jeden Fahrzeuglenker um Almosen. Mir wird elend ob all dem Elend.

Kellner tragen wagemutig Tablette mit Tee oder Kaffee von einer Strassenseite auf die andere, kunstvoll die Getränke balancierend, den Fahrzeugen ausweichend, Konfrontationen mit Fussgängern vermeidend. Ein Kunststück unter Lebensgefahr.

Warten III

Wieder ein Taxifahrer von Careem (einem Fahrdienst mit App, wie Uber). Er ist neu. Er kennt sich nicht aus. Mein Pech. Immer wieder guckt er im GPS auf die Adresse, die ich ihm angegeben habe. Viermal fragt er auf der Strasse: Polizisten, Fussgänger. Wir fahren mehrmals rund ums Quartier, an herrlichen neoklassizistischen Gebäuden vorbei. Das hätte ich auch gekonnt, dazu brauche ich kein Taxi. Nur hätte ich die Gebäude dann nicht bewundern können. Aber ich kenne sie ja schon, vom letzten Versuch mit diesem Taxidienst…


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