Montag, August 04, 2014

Mit den Augen der Europäerin

Während fünf Monaten habe ich versucht, mich mit den unsozialen Öffnungszeiten von Supermärkten, Bäckereien, Hallenbädern und Fitnesszentren zurechtzufinden und dabei von Ägypten geschwärmt. In dieser Zeit habe ich mich wieder an Sauberkeit, Pünktlichkeit, Recht und Ordnung gewöhnt und mich über perfekte Strassenbeläge, aufgefüllte Regale und unbeschädigte Warenverpackungen in den Geschäften gefreut.

Jetzt bin ich wieder zurück in Hurghada und stehe vor grossen Herausforderungen, denn mein Kopf denkt 100%ig europäisch und mein Verständnis für Unzulänglichkeiten hat sich tief im Nirgendwo vergraben. Dass hier alles nur mit Inscha’Allah geht, habe ich doch glatt verlernt. Mein Fehler.

Die neu bezogene Wohnung ist so neu, dass noch Baustaub an den Kacheln klebt, Holzspäne in den Schubladen liegen und abgeblätterte Farbe, Fugen- und Silikonreste den Fussboden zur Baustelle degradieren. Geschirr und Töpfe sind in Schachteln verpackt, das Blechbesteck im Plastiksack. Auf dem Balkon steht noch der Karton des Kühlschranks. Letzterer wiederum ist in ein so enges Fach gezwängt worden, dass ich die Türe nur mit Kraft öffnen kann und dies nicht weit genug, damit ich die Tablare herausnehmen kann.

Das wunderschöne taubenblaue Sofa hat Flecken vom Transport. Die Qualität und Stabilität der Möbel ist so schlecht, dass früher oder später etwas kaputt geht – auch bei sorgsamem Gebrauch. In den Küchenmöbeln ragen Schrauben zwei Zentimeter weit heraus. Sie sollen heute Abend noch abgesägt werden. Heute, wo ich endlich alle Schränke und Schubladen gereinigt und den Boden mehrmals aufgewischt habe. Ich fange also morgen von vorne an.

Eine Moskitotüre fehlt, der Abzug am Klo verhängt ständig, über dem Fernsehbildschirm klebt noch eine Folie. Batterien für die Fernbedienung habe ich selbst gekauft. Irgendwann kommt dann irgendjemand, um mir die Fernsehkanäle und den Satellitenempfang einzustellen. Ich brauche einfach noch Geduld – dabei fehlt mir die schon seit Tagen.

Die Wohnung ist neu, deshalb ist schon vieles kaputt oder funktioniert nicht. So hat mir ein Angestellter erklärt. Es hat Schäden von den Möbeln an den Wänden, an den Türen, zerbrochene Kacheln im Bad und Verputz- und Farbflecken. Seit ich eingezogen bin, kommt jeden Abend jemand, um etwas zu reparieren Inscha‘Allah – was danach doch nicht funktioniert. Jeden Tag wird mir auch die Waschmaschine versprochen. Die Duschwand fehlt auch noch und der gemauerte Duschboden ist so wacklig, dass kleine Pfützen stehen bleiben.

Nein, es ist keine Billigabsteige und ich habe die Wohnung schon vor zwei Monaten reserviert. Es ist einfach nur Ägypten und ich bin nicht mehr daran gewöhnt. Mindestens einen von den zwei Faktoren werde ich schnellstens ändern müssen!

Während meiner Abwesenheit habe ich auch meine eisernen Einkaufsregeln vergessen: 1) jedes Paket schütteln, um zu prüfen, ob es ungeöffnet ist, 2) Ablaufdatum prüfen, 3) Farbe der Ware prüfen und 4) Konsistenz prüfen (Ware betatschen sozusagen). Prompt bin ich mit einem Blauschimmelkäse nach Hause gekommen, der weder blau noch schimmlig hätte sein sollen. Ich habe ihn zurückgegeben, das war kein Problem – aber bei 41°C im Schatten überlegt man sich jeden Aufwand doppelt; ohne Auto und mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist Einkaufen ein grosser Aufwand. Aber auch das ist einfach nur Ägypten und ich bin nicht mehr daran gewöhnt.


Heute, vier Tage nach meiner Ankunft, ärgere ich mich schon nicht mehr (dafür habe ich schon keine Energie mehr) und in ein paar Tagen lache ich darüber – oder nehme es zumindest wieder völlig gelassen, Inscha’Allah.

1 Kommentar:

  1. Ich bewundere dich ein wenig. Ich liebe Ägypten und ich bin gerne da. Aber ich bin auch immer wieder froh, wenn ich nach Deutschland komme. Auf ewig in Ägypten leben, ich denke das könnte ich nicht.

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