Mittwoch, November 17, 2010

Mit der Dahabeya "Albatros" auf dem Nil

Eine Nilkreuzfahrt ist der Traum vieler Reisenden. Ruhe, Sonne, die Annehmlichkeiten eines Hotelservices und der Besuch von archäologischen Stätten, Tempeln in Begleitung eines Guides, aber auch der Einblick in die archaische Landschaft und Lebensweise der Oberägypter locken jährlich Millionen von Besuchern auf den Nil.

Als wir in Luxor die Wohnblockgrossen Kreuzfahrtschiffe in Dreierreihe am Quai sehen, sind wir froh, dass wir uns nicht für so eine Reise entschieden haben. Nein, uns erwartet eine wunderschöne, stilvolle Dahabeya. Das sind die ursprünglichen Reiseschiffe aus edlem Holz, mit riesigen Leinen-Segeln und ohne Motor. Dahab heisst Gold auf Arabisch. Es wird erzählt, dass die erste Dahabeya mit Gold verkleidet war und wohlhabende Ausländer damit Fahrten auf dem Nil unternahmen. Momentan verkehren um die vierzig Dahabeyas mit unterschiedlichem Komfortstandard auf dem Nil.


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In Esna gehen wir über einen Holzsteg an Bord. Unsere staubigen Schuhe werden in einen Korb gelegt, ein Willkommenstrunk von Steward Tarek gereicht. Das Oberdeck lädt zum Verweilen ein: mehrere Sitzgruppen, bequeme Liegen, Tische und Stühle sind arrangiert.
Die Kabinen sind sehr geschmackvoll eingerichtet, alles ist vorhanden, was für einen angenehmen Aufenthalt benötigt wird. Im dunkelrot gehaltenen Salon kann man sich vor der Hitze fliehen, in Büchern schmökern oder einen Film ansehen.

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Die erste Nacht ist unruhig und laut, obwohl oder besser, weil wir in Esna angetäut sind. Es ist Aid El Adha, Opferfest, und die muslimische Bevölkerung ist bis weit in die Nacht hinein am Feiern. Nach dem Frühstück spazieren wir zu Fuss dem Nil entlang und durch eine schmale Gasse zum Tempel von Esna, der mitten in der Stadt steht. Neun Meter tiefer unter uns steht er wie in einem riesigen Sandkasten – Jahrhunderte war er im Sand vergraben und Esnas Häuser darauf gebaut geworden. Nun führen Treppen hinab zum Tempel, errichtet von den Ptolemäern und Römern zu Ehren von Knuhm.
Allzu gerne würde ich in die Seitengassen von Esna gehen, mich treiben lassen durch dieses Gewirr von Gassen, bunt getünchten Häusern und zerfallenen Mauern, wo Menschen hineinverschwinden, Kinder lärmend hervorstieben und sich Unsichtbares verbirgt. Hin und wieder sind Paläste aus der Kolonialzeit zu erkennen, schöne Fassaden, reich geschmückte Fensterrahmen, einstige Schönheiten, dem Lauf der Zeit überlassen und verfallen.
Kurz vor Mittag kehren wir zur Dahabeya zurück und während wir uns erfrischen, segelt die Dahabeya gemächlich südwärts. Das ruhige Gleiten auf dem berühmten Strom, die Hitze und die wechselnde Landschaft machen uns schläfrig, weshalb wir uns nach dem Mittagessen ausruhen.

Später legen wir mitten im Nirgendwo an und gehen erneut an Land. Ein staubiger Sandweg dem Nilufer entlang führt uns zu Feldern, wo wir einen Überblick über die Landwirtschaft am Nil erhalten. Klee, Zuckerrohr, Kartoffeln, Bananen, Erdnüsse und vieles andere mehr wird hier angebaut. Die Fellachen begrüssen uns freundlich und halten in ihrer Arbeit inne. Sie sind gekleidet wie eh und je: Kaftan und Turban, die meisten barfuss. Nicht nur die Landschaft, sondern auch die Menschen scheinen aus einer anderen Epoche zu stammen: Ägypten, wie es vor 100 Jahren war, aber auch vor 1000 oder 2000 Jahren. Frauen und Kinder sind keine zu entdecken, aber Esel und eine altertümliche Wassermühle. Tief beeindruckt ducken wir uns unter den Bananenbäumen hindurch, kauen an Zuckerrohrstücken und kehren in der Dämmerung quer über die Felder und Wassergräben zur Dahabeya zurück.

Jedes Mal wenn wir nach einem Ausflug zurück aufs Boot kommen, erwarten uns helfende Hände, die uns über den Steg führen, und Tarek, der uns einen erfrischenden Fruchtsaft anbietet.
Es ist wie im Kino: die fruchtbare Uferlandschaft des Nils zieht an uns vorbei, Palmen heben sich von den gelbrötlichen Bergen im Hintergrund ab, hin und wieder streifen wir ein Dorf, eine Siedlung am Ufer, sehen an einem Berghang eine Ansammlung von Häusern, blicken auf Nilinseln, wo zahlreiche Vögel nisten. Andere Kreuzfahrtschiffe ziehen an uns vorbei, weitere Dahabeyas kommen uns entgegen oder begleiten uns.

Für die Nacht wird unsere Dahabeya  wieder im Nirgendwo am Nilufer befestigt. Später zelebrieren wir das Abendessen auf dem Deck und lassen den Tag mit leisen Gesprächen und stillen Blicken in die Nacht ausklingen.

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Anderntags müssen wir uns nach dem Frühstück beeilen. Früh gehen wir bei einem Dorf an Land. Buben bieten einen Ritt auf dem Esel an, Mädchen lächeln uns erwartungsvoll an: für ein paar Münzen lassen sie sich fotografieren. Männer und Frauen begrüssen uns, die männliche Jugend mustert uns kommentierend und Zigaretten rauchend – wie überall auf der Welt, einzig mit dem Unterschied von Sprache, Kleidung und Hautfarbe. Auf dem Dorfplatz spielen Kinder Fussball, andere wiederum begleiten uns auf unserem staubigen Weg. Das Dorf wird von einem hohen, mehrere Tausend Jahre alten Schutzwall gesäumt. Dahinter breitet sich eine grasbewachsene Ebene aus, wo einst Gräber oder Tempel waren. Wir steigen zu den Nekropolen von El Kab hinauf. Nicht nur die Inschriften und Malereien dort sind erstaunlich, sondern auch die Aussicht über die Ebene: deutlich ist erkennbar, wie schmal der grüne Gürtel entlang des Nils ist. Daneben weitet sich die heisse, trockene Sahara aus.

Wir gehen zurück ins Dorf. Erstaunt sehen wir einfache, aber saubere, liebevoll dekorierte Häuser, mit einladenden Bänken unter einem Schatten spendenden Baum. Was mir jedoch weniger gefällt, ist die Entwicklung, die der Tourismus hier nimmt. Es tut mir weh zu sehen, wie die Kinder um Geld oder Süssigkeiten betteln, die Frauen ein enttäuschtes Gesicht ziehen, weil wir keinen dieser kitschig bemalten, geflochtenen Körbe kaufen mögen. Ich frage mich, was diese einfachen Menschen für einen Eindruck von uns Touristen haben mögen und meine Antwort darauf gefällt mir nicht. Immer und überall nimmt der Tourismus eine ähnliche, verderbliche Entwicklung und niemand versucht, dies mit begleitenden Massnahmen zu verhindern oder abzufedern. Überhaupt erinnere ich mich beim Anblick dieser Landschaft, der Dörfer und der Menschen an andere Länder in der Karibik und in Südamerika. Die Bilder gleichen sich… erschreckend… für mich zumindest.

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Unsere Dahabeya bringt uns weiter stromaufwärts nach Edfu. Meistens werden wir von unserem Begleitschiff – einem Lastkahn – gezogen, da es windstill ist. Nach dem üppigen Mittagessen - diesmal als Buffet - besteigen wir eine Calèche, die uns quer durch die Stadt zum Edfu Tempel bringt. Der Gaul ist knochig und wir bemitleiden ihn, die Kutsche holpert gefährlich. Doch ich wähne mich im Lande Allahs – er wird uns wohl beschützen.
Der riesige Tempel aus der griechisch-römischen Zeit war dem Gott Horus geweiht worden und stelle erfreut fest, dass ich sein Gegenstück im vergangenen Winter in Denderah – damals auf eigene Faust – besucht hatte: jener war seiner Gattin, der Göttin Hathor geweiht worden. Unser Reiseleiter erklärt, dass der Horus Tempel der zweitgrösste Ägyptens ist – nach Karnak in Luxor. Die Dimensionen sind eindrücklich, die Bilder, Säulen, Räume und Nebenräume ebenso.

Für die kommende Nacht legen wir an einer Insel an und geniessen nach einem weiteren ausgezeichneten Abendessen eine ruhige Nacht, vom Gesang einer Nachtigall begleitet.

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Etwas später als an den Vortagen treffen wir uns am Frühstücksbuffet – der heutige Tag soll etwas gemächlicher sein. Erst gegen 11 Uhr gehen wir an Land, nur wenige Schritte eine steile Böschung hoch, besichtigen wir einen weiteren Tempel am Gebel El Silsila. Ein schöner Sandweg führt uns hoch über dem Nil zu einem alten Granitsteinbruch. Aus den Felsen wurden nicht nur Quadersteine für Tempel in ganz Oberägypten gehauen, sondern auch kleine Nischen für die Götter. Dieser Spaziergang ist landschaftlich besonders reizvoll, denn das Ufer ist nicht flach und Palmen bestanden wie bis anhin, sondern Meterhohes Schilf weht im Wind und gold-ockerfarbene Felsen säumen das Ufer. Der Nil scheint hier blau – der Kontrast zu den Felsen ist zauberhaft.

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Der Nachmittag gehört uns. Ursprünglich war ein Bad im Nil vorgesehen gewesen. Unser Kapitän hat einen schönen Platz mit Sandstrand angefahren. Das Wasser ist hier glasklar und die Hitze lädt zu einem Sprung ins kühle Nass ein. Doch die grossen Nilkreuzschiffe vermiesen uns das Vorhaben: sie ziehen an diesem Tag so zahlreich und schnell vorbei, dass das Wasser zu stark aufgewühlt wird und nicht mehr wirklich einladend wirkt. Schade.
Wir fahren weiter südwärts, hinein in die Nacht und lassen den Tag bei einem landesüblichen Abendessen und oberägyptischer Musik ausklingen. Unsere Crew ist wirklich vielseitig: sie halten die Dahabeya auf Kurs, putzen täglich alles blitz blank, richten unsere Kabinen heimelig her, zaubern schmackhaftes Essen auf den Tisch und singen und tanzen zu unserer Unterhaltung!

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Früh stehen wir wieder an Deck – morgens ist es frisch um diese Jahreszeit, auch wenn es tagsüber noch weit über 30 Grad Celsius heiss wird. Nach dem Frühstück bringt uns eine Art Jeep nach Kom Ombo, wo wir den Griechisch-Römischen Tempel besichtigen. Dieser symmetisch angelegte Tempel ist ungewöhnlicher weise zwei Göttern gewidmet: Sobek und Horus. Die Stätte ist grosszügig und wunderschön gelegen. Fasziniert wandern wir durch Säulenhallen und Tore, betrachten die Bilder, Reliefs, Säulenkapitele, Malereien und Zeichen und lauschen den Erklärungen unseres Reiseführers.


Am Ausgang erwartet uns der Jeep wieder:  es ist ein Fahrzeug, das die Einheimischen wie einen Bus einsetzen und Fahrgäste noch Platz auf der rückwärtigen Stossstange finden.

Wir sitzen selbstverständlich gesittet auf den seitlichen Bänken und fahren zum Kamelmarkt. Trotz früher Stunde sind ausser ein paar Schafen nicht mehr viele Tiere zu sehen. Wohl deshalb, weil der dritte Tag des Opferfestes ist und die Menschen anderes zu tun haben, als Vieh zu handeln. Wir gönnen uns einen Spaziergang durch die Gassen und sehen uns am Gemüse- und Früchteangebot satt.

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Wind kommt auf und: wir segeln! Endlich segeln wir mit unserer Dahabeya! Unser ständiger Begleiter, der Lastkahn hat sich davon geschlichen und uns dem Wind überlassen. Es ist herrlich, unter den riesigen Segeln zu stehen, dem Wasser zu lauschen und den Blick auf die immer noch faszinierende exotische Landschaft gleiten zu lassen.


Lange darf unsere Freude leider nicht währen: am Horizont zeichnet sich immer deutlicher die weite Spannbrücke von Assuan ab. Dahabeyas dürfen da nicht weiter und bald machen wir am Ufer fest. Wir klettern zu unserem Lastkahn hinüber und lassen uns am anderen Ufer absetzen. Per Minibus fahren wir nach Assuan.
Wieder auf einem Boot, diesmal einer motorisierten Feluke, fahren wir in den Ersten Katarakt des Nils hinein. Ein weiteres begeisterndes Naturschauspiel bietet sich uns: schwarze Granitfelsen liegen weich glänzend im dunkelblau schimmernden Wasser und bilden Inseln. Meterhohes Schilf bietet geschützten Pflanzen und Vögeln eine Heimat. Palmen und Akazien spenden grosszügig Schatten. Wir tuckern zwischen den Inseln hindurch und staunen schweigend über diese unerwartete Schönheit. Hinter dem westlichen Ufer erheben sich goldgelbe Sandberge. Einen solch wunderschönen Platz hat sich Aga Khan III ausgesucht und eine Villa und sein Mausoleum errichten lassen. Als wir anhalten, lasse ich es mir nicht nehmen und besteige barfuss einen dieser Sandhügel. Bei jedem Schritt rutsche ich in dem goldigen, puderfeinen Sand etwas zurück – doch der Ausblick über den Katarakt ist atemberaubend.


Später spazieren wir durch eines der zahlreichen nubischen Dörfer, die hier nach der Stauung des Nils neu errichtet worden waren. Die Dörfer sind völlig anders angelegt als in Mittel- oder Unterägypten - Wasser und Felder sind Gemeingut - und die Häuser wunderschön bunt bemalt.

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Wir verbringen unseren letzten Abend auf dem Boot, einmal mehr bei einem ausgezeichnet  zubereiteten Abendessen. Wehmut liegt in der Luft, denn niemand von uns hat wirklich Lust, diese Insel von Ruhe und Beschaulichkeit morgen früh zu verlassen.

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Trotzdem werden unsere Koffer an Land gebracht und wir verabschieden uns von der aufmerksamen Mannschaft der Dahabeya. Der letzte Tag in Assuan (als Zusatzprogramm gebucht) lässt uns nochmals staunen. Wir besichtigen den berühmten Tempel Philae – er wurde vor den Fluten des Nils Steinquader für Steinquader, Säule für Säule, auf eine hundert Meter entfernte Insel gerettet und wieder aufgebaut. Die Lage ist ein Traum und ich glaube, dass Göttin Isis damit mehr als glücklich sein wird. Einziger Wehrmutstropfen: der Tempel muss riesige Besucherströme über sich ergehen lassen.


Der nächste Halt findet auf der Staumauer des riesigen Nasser Sees statt. Die schiere Grösse des Sees spricht für sich: sechs tausend Quadratmeter Oberfläche, eine Länge von fünfhundert Kilometern… Über fünfzigtausend Nubier wurden umgesiedelt und zahlreiche historische Tempel und Stätten sowie Zeugen der nubischen Kultur sind für immer in den Tiefen dieses gewaltigen Sees verloren. Mit ausländischer Hilfe und unter der Leitung der UNESCO wurden einige Tempel und Stätten gerettet und an anderer Stelle wieder errichtet – der berühmteste ist wohl der Tempel in Abu Simbel. Respekt vor diesem Kraftakt – doch was richtet Menschenhand alles an?
Unser Reiseleiter begleitet uns zu einem Steinbruch, wo ein unvollendeter Obelisk im Granit klebt. Wäre er fertig geworden, wäre er mit seinen zweiundvierzig Metern der längste aller Obelisken geworden – doch er wies einen Riss auf und wurde deshalb zurück gelassen.
Zum Abschluss unserer Reise besuchen wir das Nubische Museum in Assuan. Das Museum wurde von der UNESCO ausgezeichnet. Wenn ich nochmals nach Assuan fahre, was ich sehr hoffe, werde ich mir einige Stunden nur für dieses Museum reservieren: informativ und wunderschön dargestellt wird die Geschichte und Kultur dieses Volkes erläutert, das ihre angestammte Heimat verlassen musste. Die Ausstellung weckt in mir den Wunsch, mehr darüber zu erfahren.
Nach einem Mittagessen in einem typisch ägyptischen Restaurant in einer Seitenstrasse Assuans verlassen wir Assuan wieder Richtung Norden.

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Informationen über eine Reise mit der Dahabeya „Albatros“ und Angebote sind zu finden auf: www.dahabeya-albatros.com.

2 Kommentare:

  1. Sehr schön dieser Artikel, wenn wir mal tatsächlich eine Nilkreuzfahrt antreten werden wir uns auch für die lautlose Variante entscheiden. Ist sicherlich viel übersichtlicher und intimer.

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