Samstag, Februar 12, 2011

Tag danach

Gestern Abend fuhr ich ins Zentrum Hurghadas. Der Taxifahrer hörte den Radionachrichten zu und ich fragte ihn, ob er mit dem Ausgang der Ereignisse glücklich sei. Er verneinte. Ja, warum denn nicht, wollte ich wissen? Mit Mubarak hätten sie zwar nicht viel Geld gehabt, meint er, aber das Land sei sicher gewesen, seine Frau hätte daheim ein Leben ohne Angst geführt, das sei nun gefährdet, und überhaupt hätte es viel Gutes unter Mubarak gegeben.

Das habe ich oft gehört, auch von besser gebildeten Ägyptern. Sie glaubten allen Ernstes, dass ohne Polizeistaat blosse Anarchie, Gewalt und Kriminalität herrschen würde.

Ich fragte den Taxifahrer nach seinem Alter: 32. Somit hat er gar nie etwas anderes als dieses Regime erlebt – woher soll er da wissen, wie das Leben als Bürger sonst noch sein könnte?

Zu meiner Enttäuschung war Hurghada wie die vorangehenden Tage: leer. Keine Autokorsos, keine feiernden Menschen, weder Ägypter noch Europäer. Auch der Polizeiposten lag verwaist da – was ein sehr ungewohntes Bild ist. Viele Ägypter haben mangels Arbeit Hurghada verlassen und die wenigen, die geblieben sind, haben wohl anderes im Kopf als Revolution und Demokratie. Hurghada ist nicht gleich Ägypten – einmal mehr.

Heute ist der Elektriker nochmals gekommen, wieder ohne Leiter (es ist mir unverständlich, wie er Glühbirnen an einer zweieinhalb Meter hohen Decke ohne Leiter auswechseln will – Stühle reichen da nicht mehr aus). Er hätte am Donnerstag kommen sollen und erklärte mir entschuldigend, dass auch in Hurghada Demonstrationen gewesen wären ("Mubarak mäschi" - als ob ich das nicht mitbekommen hätte) und die Strasse verstopft gewesen sei. Da er wieder nicht alles dabei hatte, wird er am Dienstag erneut kommen. Ob solches auch ändern wird, wenn Ägypten ein demokratischer Staat ist???

Im Fernsehen habe ich die Feiern noch weiter verfolgt und innerlich mitgejubelt. Die bisherigen Statements der Armee stimmen mich zuversichtlich, dass es geordnet weiter gehen wird. Ganz sicher sind noch riesige Hürden zu überwinden und ich hoffe, dass die Ägypter daran wachsen und nicht den Mut und ihre Geduld verlieren, wenn es wirklich darum geht, Demokratie auszuüben.

Sinngemäss möchte ich von einem handgemalten Schild in Kairo zitieren:
Tahir-Platz vorübergehend wegen Verfassungsänderung geschlossen – Wiedereröffnung demnächst anlässlich der Einführung der Demokratie.

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