Gehört und
gelesen hab ich schon so viel darüber. Und wunderbare Bilder gesehen. Kairo war
zur Zeit der Fatimiden Hochblüte des Handels zwischen Asien, Europa und Afrika.
Die Fatimiden bauten nördlich des damaligen Stadtzentrums eine neue Stadt mit
dicken Stadtmauern; Ein Teil davon sowie drei Stadttore stehen noch. Die Gasse,
die vom nördlichen Stadttor Bab El Fatuh nach Süden zur Bab El Zuweila führt,
heisst El Muaz El Din, später dann El Motaz El Din. Dieser alte islamische Teil
wird von Ost nach West von der fürchterlich verstopften und verpesteten Al
Azhar Strasse auseinandergeschnitten. Zwischen den Fahrbahnen wurde ein mannhohes
Gitter verbaut, damit keine Fussgänger über die gefährliche Strasse eilen können.
In der Gegend befindet sich auch der weltberühmte Khan El Khalili Bazaar und
die Hussein Moschee. Beide gehören neben den Pyramiden und dem ägyptischen
Museum zu den wichtigsten Stationen für den Kairo-Besucher.
Der
nördliche Teil von Bab El Fatuh bis zur Al Azhar Strasse wurde während den
letzten Jahren sorgfältig renoviert. Es wimmelt hier auf allerengstem Raum von
hunderten von historischen Häusern, Palästen, Mausoleen, Moscheen, Schreinen, Madrassen,
Gedenkstätten und Zisternen.
Dahin wollte ich!
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Mein Weg auf einen Blick |
Zurückversetzt
in 1001 Nacht
Ich hab
mich per Taxi in die Nähe des nördlichen Stadttors mit dem Namen Bab Al Fatuh
bringen lassen. In die Nähe nur, weil der Taxifahrer nicht so genau wusste, wie
hinfahren und Passanten fragen musste. Keine Geduld mehr, lief ich auf eigene
Faust los… und stehe schon bald vor den Stadtmauern aus dem 11. Jahrhundert.
Ausserhalb der Stadtmauer brummt so früh am Morgen der Verkehr noch gemächlich.
Die Häuser auf der anderen Strassenseite verfallen: mit kunstvollen
Holzarbeiten - den Maschrabeyas - vergitterte Fenster und Balkone, und
islamische Ornamente sind Überbleibsel aus besseren Zeiten.
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in der Nähe der Stadtmauer |
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in der Nähe der Stadtmauer |
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am Bab El Fatuh mit Minarett der Al Hakim-Moschee |
Neugierig
gucken mich die jungen Leute auf der Strasse an: eine Europäerin? Ohne
Reiseleiter? Wie rar! Ältere Männer lächeln mich freundlich an – ihr Lächeln
heisst „Willkommen!“. Manch einer fragt mich, wohin ich wolle, ob ich mich
verlaufen hätte, ob sie mir helfen können… überall Freundlichkeit.
Ich geh die
paar Stufen hinab, durch das mit einer dicken Holztür verschliessbare Stadttor.
Was wird mich erwarten? Ein Freiluftmuseum? Ein enger, verschlungener Bazaar
wie der Khan El Khalili? Lästige Bazaar-Verkäufer? Ich hab keine Ahnung, lass
mich treiben und gleite mit jedem Schritt tiefer in eine völlig andere Welt, in
eine andere Epoche.
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Bab El-Fatuh |
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Bab El-Fatuh |
... und
entdecke ein lebendiges Gemisch aus renovierten Palästen und riesigen Lagerhäusern,
Moschen und Mausoleen, Nischen und Plätzen, Toren und Durchgängen in enge
Seitengassen, in denen Menschen ihren Tätigkeiten nachgehen. Sie betreiben Imbissbuden,
Reparaturwerkstätten, verkaufen frisch geerntete Zitronen und Oliven,
Brotfladen und eingelegtes Gemüse. Frisch gewaschene Wäsche flattert an den
Balkonen, ambulante Verkäufer bieten Süssigkeiten, Kurzwaren und im Holzofen
gebackene Süsskartoffeln an. Motorroller knattern mit den Schellen des Tamarindensaft-Verkäufers
um die Wette. Alles wie überall, wie in jedem beliebigen Ort in Ägypten, in
jedem beliebigen Stadtteil Kairos.
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Gemüse und "Torschy" |
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Tamarindensaft gefällig? |
Und doch ist es anders. Die
kunstvollen Holzverzierungen. Der Häuserstil. Die Farben. Die fantastischen
islamischen Dekorationen an den Fassaden, über Türen, Toren, Fenstern und
Balkonen. Die vielen Minarette in unterschiedlichsten Formen. Die unzähligen
Moscheen. Der Duft. Die Gelassenheit. Die Stille, nur zwei, drei Schritte weg
von der Hauptgasse. Die Würde einstiger Noblesse. Es ist, als ob die Mauern
erzählten, wie prächtig, kultiviert und gebildet Kairo einst war.
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Koranverse und die libanesische Zeder |
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erlaubt den Blick auf das Treiben in den Gassen |
Sind sich
die Passanten des historischen und kulturellen Wertes dieses Stadtteils
bewusst? Sind sich die Bewohner der Bedeutung ihrer Heimat aus einer wichtigen
Epoche im Klaren? Wohl kaum. Ein Blick, ein paar Schritte in Seitengassen lässt
die Antwort erahnen: dort hausen die Menschen in halbverfallenen Mauern und
dunklen Winkeln aus der gleichen Epoche, wo der Staat nichts renoviert hat und
dies wohl auch nie geschehen wird.
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vor dem Kaffeehaus |
Im
mittleren Teil der El Muaz El Din Strasse wird es etwas touristischer: Schmuck,
Gewürze und Souvenirs statt Obst und Gemüse werden angeboten. Es ist früher
Nachmittag und ich geh fast unter im Strom von jungen ägyptischen Besuchern.
Sie probieren Beduinen-Kostüme und lichten sich per Selfie-Stick ab; sie sitzen
auf den Steinquadern alter Gemäuer und gucken in ihre Smartphones. Der kleine
Vorplatz einer Moschee dient als Fussballplatz.
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wunderschön dekorierte Fassade der Zisterne |
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Detailaufnahme des Sabil Kuttab aus osmanischer Zeit |
In diesem Gewühl entdecke ich
einen Rennradfahrer. Huch? Ich bin so überrascht, dass ich ihn anquatsche. Der junge
Mann ist von irgendwo ausserhalb Kairos 70km hergefahren und will noch am selben Tag zurück. Ich
gratuliere ihm zu dieser Leistung, beneide ihn aber überhaupt nicht: Eine dicke
Smogglocke hängt über Kairo und die Menschenmassen und Autokolonnen wären
nichts für mich.
Beit El
Seheimy
Das einzige
Gebäude, das ich von innen besichtige, ist das Haus des Scheichs El Seheimy. Es
liegt im ersten Viertel dieser wundersamen Strasse, in der „gelben Gasse“ und
ich bin eigentlich zufällig hingeraten, weil ich mich in Seitengassen treiben
liess. Das Haus wurde in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts gebaut und dann
mit einem Nachbargebäude verbunden. Es hat sage und schreibe zweitausend
Quadratmeter! Der Palast wurde nach einer umfassenden Renovation im Jahre 2000
wiedereröffnet und dient als Kulturzentrum. Während meines Besuchs sitzen in
jedem Winkel, im Garten und in den zahlreichen Räumen Kunststudenten und
zeichnen.
Der Palast
gilt als rares Beispiel islamischer Architektur und zeigt, wie die Oberschicht
damals lebte. Alle Räume sind quadratisch oder rechteckig angelegt und jeweils um mit Palmen und Büschen bepflanzten Innenhöfen gruppiert. Anstatt Fenster
gibt es kunstvolle, luftdurchlässige Holzverkleidungen, die Maschrabeyas, durch
welche auch das Treiben auf der Strasse und in den Innenhöfen verfolgt werden konnte,
ohne dass der Beobachter selbst gesehen wurde. Im Erdgeschoss befanden sich die
Besucherräume der Männer. Im oberen Geschoss befanden sich die Frauenräume, zu
denen neben Frauen und Mädchen nur Buben und Väter Zugang hatten. Die Mashrabeyas
erlaubten den Frauen, den Besprechungen der Männer im Geheimen mitzulauschen.
Diese Art
von Palästen wurden so angelegt, damit sie im Sommer kühl blieben: Innenhöfe,
sehr hohe Räume mit Kuppeln, durch deren Öffnungen frische Luft zirkulieren
konnte, und kleine Marmor-Brunnen in der Raummitte. Die Kuppeln und Decken
waren mit ausgesuchten Holzarbeiten verziert.
Im grössten Innenhof
steht ebenfalls ein Kuppelgewölbe, das an den Nachthimmel erinnert: verschieden
farbige Glasmosaike in unterschiedlichen Formen wechseln mit kleinen
Luftöffnungen ab, unterhalb sind verschieden farbige Mosaikfenster eingebaut:
ein Prachtwerk.
Dort steht auch ein Brunnen und eine Mühle. Ich verbringe Stunden in diesem
historischen Palast, beobachte, staune, fotografiere. Leider sind nicht alle
Räume zugänglich. Im Internet habe ich Bilder von Bädern und Massageräumen
gefunden. Schade finde ich auch, dass da und dort Unrat liegt, besonders im
Innenhof.
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Übersicht der "gelben Gasse" |
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einer der Innenhöfe |
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Aussenansicht der Mashrabeya vom
Besucherraum im Erdgeschoss und Obergeschoss |
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der grosse Innenhof mit dem Dome |
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die Kuppel im Dome |
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Arbeit einer Kunststudentin |
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Marmor-Nischen |
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Teilansicht des Schränkchens neben den Marmor-Nischen |
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der Boden! |
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Blick in einen Innenhof |
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und hier nun die Sicht nach Aussen der Mashrabeya vom Besucherraum im Erdgeschoss |
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Einbauschrank |
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irgendwo habe ich gelesen, dass diese Decke persischen Ursprungs ist |
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wer will es sich da nicht gemütlich machen? |
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Holzdecke mit Holzkuppel |
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noch eine Holzkuppel |
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Detailaufnahme einer Türe eines Wandschranks |
Ich glaube, dieses Quartier ist etwas vom Allerschönsten, was ich in Kairo je gesehen habe.
Das sind nicht mal alle Bilder... Der 2. Teil folgt demnächst.
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