Eigentlich wäre es ganz einfach. Ich habe ein Auto gekauft
und möchte es auf meinen Namen einlösen, also das Fahrzeug anmelden und ein
Nummernschild samt Fahrzeugausweis erhalten. Normalerweise dauert das in meiner
Heimat eine Stunde.
In Ägypten ist das ein bisschen anders.
Phase 1:
Informationen über die Anforderungen und den Ablauf habe ich
mir schon früh geben lassen… bis mir eine Freundin sagte: „du kannst mit einem
Touristenvisum kein Auto auf deinen Namen anmelden“. Ich müsste hier entweder
Besitz haben oder mit einem Ägypter verheiratet sein (oder halt mein Auto
„offiziell“ auf den Namen eines „Freundes“ registrieren lassen). Irritiert habe ich von neuem angefangen,
Informationen einzuholen – und niemand hat alles gewusst, jeder hat etwas
anderes gesagt. Zuerst war mir mulmig… dann sagte ich mir, irgendwie wird es
schon gehen.
Dann war das Auto da. Ich habe bezahlt. Das Auto blieb im
Schaufenster, bis die Papiere über den Verkauf vom zentralen Verkehrsamt in
Kairo genehmigt und mit Unterschriften und Stempeln versehen zurückkamen. Das dauerte
zwei oder drei Tage. Danach hätte ich das Auto beim Verkehrsamt in Hurghada anmelden
können. Einfach also. Fast, zumindest.
Doch wegen meines Touristenvisums war die Prozedur etwas
aufwändiger. Mein Anwalt R. klärte in Kairo ab, wie alles abzulaufen habe. Da
ich ihn mehrmals fragte, ob er auch sicher sei, holte er noch dieselben
Informationen in Hurghada ein – überraschenderweise lauteten diese völlig
anders. Eine Wahl blieb mir keine, ich reihte mich ins Prozedere ein und
versank im tiefsten Dschungel der ägyptischen Bürokratie:
Verkehrsamt
R. und ich treffen uns an einem heissen Dezember-Sonntag um
10 Uhr früh beim Verkehrsamt in Hurghada. Gezielt steuert R. ein Büro an, wo
zwei Herren in Zivil vor einem Laptop und Pult sitzen. Ich eile hinterher und
lege meine Kopien auf den Tisch (je drei vom Pass, vom Visum und vom
Mietvertrag), während R. erklärt, was unser Anliegen ist. Eine vierte Kopie
wird verlangt – die habe ich nicht, davon hat mir R. nichts gesagt und er
wusste davon auch nichts. Weshalb ich nicht lächle? Ich erkläre dem Beamten,
dass ich versuche, das Gespräch in Arabisch zu verstehen – und schicke ein
Lächeln hintennach. Beides freut ihn. Raus aus dem Büro, hinaus auf den
Parkplatz, wo ein Dutzend winzige Baracken Dienstleistungen und Waren anbieten,
ein „Coffeeshop“ und ein Kopiergerät stehen. Der zahnlose, alte Mann erklärt,
dass grad Stromausfall ist. Ratlos sehen wir uns an: der nächste Kopiershop ist
20 Minuten entfernt. Warten? Geht nicht. Aus den prognostizierten 10 Minuten
können in Ägypten locker zwei Stunden werden. Retour ins Büro und bitten, ob
wir die Kopien später nachliefern können? Drinnen ist nämlich auch Stromausfall
– weshalb hat uns denn der Beamte hinaus geschickt? Ich schaue mich im Büro um:
es ist bis auf zwei einfache, uralte Pulte leer; doch die Wände sind mit
wunderschönen Malereien in Weinrot auf hellgelbem Grund dekoriert. Lächeln,
schiesst es mir durch den Kopf und ich drücke meine Bewunderung aus – prompt
wird mir ein Stuhl angeboten. Aha, und eine Klimaanlage haben sie auch.
R. winkt mir, ich solle kommen. Wir quetschen uns durch die
Schalterhalle, wo an die Hundert Galabya-Männer ungefähr anstehen (eben nur
ungefähr), sicher aber warten, reden und rauchen. Die Luft ist stickig und es
ist heiss. Ich bahne meinen Weg durch die Männer, nütze nichts und suche eine
ruhige Ecke, um stehend zu warten. Die Elektrizität kehrt zurück, neben dem
Buffet steht ein Kopiergerät und wir lassen eine Kopie machen; der Beamte läuft
damit davon. Ich warte wieder. Zwischendurch sitze ich, bis es mir wieder zu
heiss wird und ich stehe. Ich warte. Da ich eine Toilette entdeckt habe, nütze
ich sie (die kommentiere ich lieber nicht). Ich warte. Wir gehen wieder ins
erste Büro, wo plötzlich zwei Polizisten mit Funkgeräten sitzen. Ich warte. R.
quetscht sich durch die Wartenden an den Schalter für „Ausländer“. Ich warte. Wir
überqueren einen Hof, um in ein anderes Gebäude zu gelangen, wo eine Dame an
einem grossen Tisch in ein riesiges Buch hinein schreibt. Der Raum ist kühl und
hoch und es stapeln sich viele Dutzend Buchbände und beschriftete
Archivschachteln auf einfachen Regalen. Da werden irgendwann auch meine Kopien
liegen. Sinnlos. Doch vorerst dienen sie zur Selbsterhaltung eines Systems, das
sich, losgelöst vom ursprünglichen Zweck seines Daseins, von innen her zerfrisst. Zwei Wochen, meint
sie und streckt uns einen kleinen Fetzen Papier mit Zahlen darauf zu. Noch zwei
Wochen? Ich falle schier in Ohnmacht, denn ich warte schon seit zwei Monaten!
Eigentlich vier, denn solange schon suche ich nach einem Fahrzeug. Übrigens hat
sich Tage später herausgestellt, dass die Zahlen auf dem Papier falsch waren;
das trug zu mehreren Tagen Verzögerung bei.
Staatssicherheit
Kurz nach Mittag verlassen wir das Verkehrsamt und fahren
zur Staatssicherheit Stadtteil Dahar. Ein Beamter begleitet uns. Er sitzt mit
uns im Auto, hat aber nicht mal gegrüsst. So sind viele: unfreundlich, arrogant;
je höher im Rang, umso herablassender.