Gestern hatte ich einen neuen „Studenten“ (so nenne ich
meine erwachsenen Kunden, die bei mir eine Sprache erlernen wollen). Ich kannte
ihn von früher, er war einerseits mein Nachbar und andererseits schon einmal
wegen Deutsch bei mir. Doch nun will er Französisch lernen.
Ausgerechnet Französisch? Er murmelte etwas von neuen
Möglichkeiten, von veränderter Situation. Doch rasch wurde mir klar: er will wohl
auch weg von Ägypten. Als er dann bei mir war, sagte er klipp und klar: ich
will nach Québec, Kanada.
Ägypten biete keine Zukunft mehr. Was solle er noch in
diesem Land? In den letzten Monaten habe sich alles nur noch verschlimmert. Seine
Frau lerne nun in Ismailia Französisch und er hier bei mir. Er habe Verwandte
in Québec, es sei ein gutes Land, biete gute Möglichkeiten.
Er ist nicht der Erste und sicher nicht der Letzte aus
meinem Bekanntenkreis. Ein anderer hat eine Schweizerin geheiratet, lernt
eifrig Deutsch. Sein Ziel: Deutschland oder die Schweiz.
Ein weiterer Freund ist Libanesischer Abstammung – wo Christen
auch verfolgt werden – und plant ebenfalls, nach Kanada auszuwandern. Seine Worte
werde ich wohl nicht wieder vergessen: ich geh besser, bevor sie mich noch umbringen.
Die Jungen, gut Ausgebildeten versuchen, das Land auf legale
Weise zu verlassen. Und dann gibt es noch jene, die es auf illegale Weise
versuchen. Doch: was machen all die anderen, die nicht weg können? Jene, die zu
alt sind, keine Fremdsprachen sprechen, Verpflichtungen haben oder es sich
schlicht nicht leisten können?
Ägypter lieben ihr Land. Typisch südländisch, ist die
Bindung an ihr Land und an ihre Familien enger als es wir Westeuropäer
vielleicht empfinden. Wie ausweglos müssen sie sich denn fühlen, um all das
hinter sich zu lassen.
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