Samstag, Februar 19, 2011

Assuan

Assuan - Blick auf Nil und Elephantine Insel
Anfang Januar besuchte ich Assuan, das ganz im Süden Ägyptens liegt. Ich war im November schon mal dort, am Ende unserer Nilfahrt mit der Dahabeya und habe mich, wie man so kitschig sagt, in diese Stadt verliebt.

Genau genommen ist es nicht die Stadt, die mir so sehr gefällt, sondern ihre Lage: gelegen am dunkelblau schimmernden Nil, an dessen Westufer sich goldgelb leuchtende Sandhügel reihen, hinter denen sich die Libysche Wüste ausdehnt. Es sind die Nilinseln, der Katarakt mit seiner Fauna und Flora und die nubische Kultur. Ein weiterer Anziehungspunkt ist für mich das Nubische Museum, dessen Planung und Bau von der UNESCO unterstützt wurde. Allein der Bau und seine Lage sind einen Besuch wert. Wichtigster Anziehungspunkt für einen ersten Besuch ist aber der Philae Tempel, der Göttin Isis gewidmet und vor den Wassern des Nils auf eine höher gelegene Insel gerettet. Die Stadt selber hat eine sehr schöne, gepflegte Fussgängerstrasse, in der sich vornehmlich Souvenirläden aneinander reihen, aber auch andere Geschäfte sind zu finden und nicht nur Touristen sondern auch Einheimische sind hier anzutreffen. Der französische Charme von einst ist noch zu erahnen, besonders an der Corniche und unter den Arkaden der vordersten Häuserfront.

Ich habe mich für ein zwar einfaches, preiswertes Hotel entschieden, dessen Lage aber umwerfend ist: nahe des Zentrums, direkt am Nil. Nach dem Frühstück setzte ich mich warm eingepackt auf die Terrasse direkt über dem Nil, um die Landschaft auf mich wirken zu lassen. Felukken mit riesigen Segeln und Motorboote kreuzten über den Fluss. Ganz in der Nähe lagen auch die grossen Kreuzfahrtschiffe vor Anker. Ich blickte hinüber zu den Nekropolen, die ich als mein erstes Ziel auserkoren hatte.

Kultur und Natur
Gegen Mittag spazierte ich dem Nil entlang bis zu dem Ort, wo die lokalen Fähren ans andere Ufer ablegen. Das einzig unangenehme in Assuan sind die unzähligen Männer, in Kaftane gekleidet, die eine Fahrt mit einer Felukka oder einem Motorboot anbieten. Ein Spaziergang an der Corniche ist ein einziger Spiessrutenlauf und auf jedem Schritt und Tritt ertönt es: „Hallo… Felukka Madam… Ferry Madam… Hi, how are you… where you go… cheap Felukka usw. usw. Immerhin, wenn ich auf Arabisch nein danke sagte, wurde das akzeptiert (in Luxor hingegen laufen die Typen noch lange neben einem her und quatschen auf einen ein). Bei der Fährstation blieb ich erst eine Weile stehen um zu beobachten, wie das so vor sich ging und um sicher zu sein, dass ich am richtigen Ort war. Wenn ich nämlich jemanden hätte fragen müssen, hätte der mich garantiert wieder zu einer privaten Fähre gelotst und dafür hatte ich keine Nerven. Bald jedoch sah ich, wie ganz in schwarz gekleidete Frauen und in helle oder blaue Kaftane gekleidete Männer die Treppen zu den Booten hinunterstiegen, über eine Fähre hinüber kletterten und sich dann in das äusserste Boot setzten. Die Männer auf der einen Seite, die Frauen auf der anderen, fein säuberlich getrennt! Ich blickte die Frauen rund um mich an: allesamt schwarz gekleidet, die jüngeren trugen sogar einen Gesichtsschleier. Die Schlitze zeigten hübsche, mit Kohlstift geschminkte Augen. Seltsam war: keine einzige Frau lächelte mich an oder grüsste mich.

Die Überfahrt im eiskalten Wind dauerte nur ein paar Minuten. Ich liess den Einheimischen den Vortritt und stieg am Schluss die Böschung hinauf, wo ich wieder von Männern erwartet wurde, die diesmal Kamelritte anboten. 

Elephantine Insel
Einer entschuldigte sich und meinte, es sei halt ihr Geschäft. Ich sagte ihm, er solle sich mal vorstellen wie es sei, wenn man alle 10 Sekunden von jemandem angequatscht würde. Darauf senkte er den Blick und entschuldigte sich für seine Kollegen – was mir dann wiederum Leid tat!

 
Ich stieg in der Mittagssonne die 130 Höhenmeter zu den Gräbern der Adligen hinauf. Die Stufen sind mit Sand zugeweht, das Treppensteigen ist anstrengend. Oben erwartete mich die Belohnung: ein wunderbarer Blick hinab auf den Nil mit seinen Booten und dem grünen Kulturland an seiner Seite, über die Stadt und die Wüste im Hintergrund.  


Die Nekropolen sind nicht besonders sehenswert, ich habe schon schönere und besser erhaltene Malereien gesehen. Über Steinbollen, zerfallene Mauern und durch Sand stieg ich nochmals einige Meter höher, auf den „Gipfel“ dieses Hügelzuges. Dort oben blies wieder der eisige Wind, ich zog den Rollkragen meiner Jacke hoch und staunte über den Ausblick westwärts: Wüste, Wüste, Wüste.
Gräber der Adligen hoch über dem Nil


Über die Südwest Seite stieg ich einige Meter hinab, denn ich wollte über die Hochebene wandern, hinüber zum St. Simeon Kloster. Meine Augen suchten den geeigneten Weg über festes Gelände, ich wollte den losen Sand wenn möglich vermeiden. Erstaunt über mich selber, war ich ja schon lange nicht mehr in unbefestigtem Gelände zu Fuss gewesen; doch was ich in den Alpen gelernt habe, ist offenbar fest abgespeichert. Kein Mensch war zu sehen. Doch halt, in der Ferne konnte ich zwei Personen ausmachen, wandernd, wie ich. Ich war mir aber sicher, dass mich Einheimische beobachten würden.

Insgesamt war ich vielleicht fünfviertel Stunden unterwegs und genoss diese Einsamkeit, die Stille und das Gehen in dieser kargen Landschaft. Wie sehr habe ich das vermisst! Bald schon zeichneten sich die Umrisse der Mauern ab, die einst ein Kloster gewesen waren.


St. Simeon Kloster
 
St. Simeon Kloster innen
Bevor ich die letzte Senke durchquerte, kam mir ein Kamelreiter entgegen, ein Bild wie in einem Film aus 1001 Nacht: ein gross gewachsener, gut aussehender Mann in einem tadellos weissen Kaftan und Turban auf seinem Kamel. Der Film zerriss ziemlich rasch, als der Mann mir anbot, mich per Kamel – nein Dromedar – zum Kloster zu bringen oder zurück zur Fähre. Ich handelte ein wenig, hatte aber gar keine Lust dazu, auch nicht, auf das Kamel zu steigen. Ich wollte wandern. Kurz vor dem Kloster setzte ich mich auf einen Stein, um den Sand aus meinen Schuhen zu leeren. Ich hatte gute Joggingschuhe und gute Socken an, aber der feine Sand hat trotzdem die Haut aufgerieben und Blasen entstehen lassen. Verwöhnte Füsse!

Im Kloster sind die Bögen der Kirche, einige Malereien und ein paar Grundrisse zu erkennen. Ein wirklich einsamer Ort, der einst grossen Zulauf gehabt hatte. Der Ticketverkäufer und der Polizist baten mich, Platz zu nehmen und wir tauschten ein paar Freundlichkeiten aus. Den Tee lehnte ich dankend ab.

Draussen erwartete mich wieder der Kamelreiter – er war während dessen die ganze Zeit unbeweglich auf einem Hügel in der Hocke gesessen. So schön anzusehen! Wir handelten erneut und er gab mir hilfreiche Informationen: da, wo ich hin wollte, gebe es keine Fähre, höchstens ein Ruderboot zur Elephantine Insel und danach müsste ich noch die Fähre nehmen. Er sagte mir auch, was ich bezahlen müsse und er bot mir nochmals an, mich entweder hinab zu bringen oder zurück. Ich wollte zu Fuss gehen. Somit spazierte ich weiter, vorbei an einem neueren koptischen Kloster, im Blickfeld das Mausoleum des Aga Khan und dann eine Sandhalde hinab zum Nil.


Ohne Worte


Ich hatte keine Ahnung, ob ich überhaupt ein Boot auftreiben würde oder vielleicht doch zurück zu den Nekropolen gehen müsste. An und für sich kein Problem – doch ich hatte schon lange kein Wasser mehr! Oberhalb der hübsch gelegenen Bucht rasteten mehrere Kamele und ihre Führer. Die Männer sassen im Sand und quatschten; sie beachteten mich gar nicht. Wie schön! Ich sah mich um, lediglich ein kleines Segelboot war festgemacht. Direkt daneben begann das Grundstück, welches die Villa des Aga Khan beherbergt. Ich fragte, ob ich da hinein gehen könnte – nein, dazu bräuchte es eine spezielle Bewilligung der französischen Behörden. Der Mann fragte mich, was ich denn hier wolle und ich sagte es ihm. Er bot mich an, mich zur Elephantine Insel zu rudern. Wir einigten uns auf den Preis und ich stieg in eine kleine Schaluppe, die etwas abseits am Ufer lag.


Anlegestelle neben Aga Khan's Grundstück
Mit kräftigen Ruderschlägen brachte er mich hinüber und wollte dann nicht mal den vereinbarten Preis annehmen – wir hatten uns so gut unterhalten! Mustafa bietet eine Ferienwohnung auf der Elephantine Insel an, mitten im nubischen Dorf.
Über rutschige Steine und zwischen baufälligen Holzbooten stieg ich hinauf zu den ersten Häusern unter dichten Palmwedeln und liess mich durch enge Gassen treiben. Bunt bemalte Häuser, tief herab hängende Stromkabel, Ziegen, ein paar Kinder, zwei schwarz gewandete Frauen – ob ich Körbe kaufen wolle? Ich suchte mir wie in Zeitlupe den Weg zur Westseite der Insel, denn ich kam mir vor wie in einer anderen Welt. Die bunt bemalten Hausfassaden und Türen erinnerten mich an Brasilien… Ouro Preto… Olinda…. Anders, als dieses langweilige Grau und Sand Gelb von Hurghada.

auf der Elephantine Insel


Schals mit nubischem Muster
















Oberhalb der Fähranlegestelle befand sich so etwas wie ein Dorfplatz. In einem grossen Zelt werden wunderbare Schals in herrlichen Farben und weitere lokale Handarbeiten angeboten. Die Inhaber, Hani und Adel sind äusserst liebenswürdig und offerieren jedem Besucher Tee oder Karkadeh.

Die Fähre bringt mich zurück ans Festland, nahe des öffentlichen Parks.  

Frauen ganz in Schwarz

junge Musiker


Am Abend besuchte ich die koptische Weihnachtsfeier, die ich andernorts kurz beschrieben habe.


Nubisches Museum
Schon bei meinem letzten Besuch war ich im Nubischen Museum. Es blieb mir zu wenig Zeit, um die Ausstellung und die umfassenden Informationen aufzunehmen. Die Geschichte der Nubier, ein Volk das mit der Errichtung des letzten Assuan Staudammes zwangsweise umgesiedelt wurde, wird in Ägypten im Allgemeinen nicht thematisiert. Hier in diesem Museum wird die Geschichte dieses Volkes ausführlich und sorgfältig dargestellt. Auch der Rettung einiger Tempel wird Platz eingeräumt. Ich verbrachte einige Stunden im Museum und musste irgendwann eingestehen, dass es nicht reicht. Doch diesmal besuchte ich noch den Wassergarten rund um das Gebäude. Ich werde sicher nochmals zurückkehren.


Freie Preisgestaltung
Fisch essen wollte ich. Ich suchte nach einem Restaurant, die Auswahl ist gross. Ich entschied mich für eines in einer Seitengasse. Als ich die Karte studierte, gesellte sich der Inhaber zu mir und startete die üblichen Frage-Tiraden. Er erzählte mir, wo er überall gekocht hat und dass er es vorgezogen hatte, in seiner Heimatstadt ein eigenes Restaurant zu eröffnen. Während ich auf das Essen wartete, beobachtete ich das Treiben auf der Strasse.


Frisches Fladenbrot
  
Wichtige Einkäufe
Blumenkohl für Grossfamilien

Alltag in Assuan

Der Fisch war ok, aber die Rechnung war eine grosse Überraschung: die Preise in Englisch sind fast doppelt so hoch wie die Preise in Arabisch! Uii! Ausnahmsweise hatte ich schon zu Beginn Arabisch gesprochen und so bestand ich darauf, den in Arabisch ausgeschriebenen Preis zu bezahlen. Der Inhaber fand zahlreiche Erklärungen dafür, weshalb die Touristen mehr zu entrichten hätten, bis hin dazu, dass jene die grösseren Portionen erhielten!!!! Ich musste innerlich lachen, erwiderte aber mit ernster Miene, wie sehr ich enttäuscht von ihm sei. Darauf entschuldigte er sich nochmals, aber der Schaden war da. Pech gehabt, mein Lieber!



Überraschungen
Da ich in Hurghada lebe, dürstet mein Verstand nach Nahrung – in Hurghada gibt es nicht wirklich etwas, das kulturell oder intellektuell ansprechend ist. Zu meiner grossen Überraschung entdeckte ich eine hervorragend ausgestatte Buchhandlung in der Fussgängerzone und einmal drin, vergass ich die Zeit. Bücher in allen wichtigen Sprachen, klassische Literatur von bekannten ägyptischen Autoren, Dokumentationen und Bildbände, alles zu finden. Ebenso eine grosse Auswahl an Fotos und Karten von lokalen Künstlern. Überglücklich und geistig befriedigt verliess ich das Geschäft und fand mich nach wenigen Schritten in einem weiteren Geschäft wieder: edle Schmuckstücke, orientalische Kleidungsstücke aus schwerer Seide, mit Stickereien und Bordüren verziert, kostbare Handarbeiten, die ihren Preis haben. Das Geschäft ist normalerweise im Old Cataract Hotel untergebracht, das zurzeit aber renoviert wird. Allein diese Kostbarkeiten anzusehen, war ein Genuss.



Verschoben, nicht aufgehoben
Ich habe es nicht geschafft, zum Botanischen Garten zu fahren, der auf einer anderen Insel liegt. Ich habe es nicht geschafft, die Tempel auf der Insel Elephantine zu besuchen und noch vieles weitere. Und dann ist noch der Nasser See, Abu Simbel und weitere Stätten, die vor den Fluten des Sees gerettet und an neuen Orten wieder aufgebaut wurden. Sobald ich kann, fahre ich wieder nach Assuan.



Blick auf Assuan und Nil


1 Kommentar:

  1. ein wirklich gelungener Reisebericht!

    Ich liebe Assuan ebenfalls und auch vor allem anderen wegen der tollen Lage. Schade, daß der Autor/die Autorin für vieles nicht genügend Zeit hatte. Es ist ein Erlebnis für sich, mal mit der öffentlichen Fähre gefahren zu sein, aber in Assuan ist auch eine Felukkenfahrt ein Muss, finde ich. Handeln natürlich unumgänglich.
    Essen: an der Corniche, direkt am Nil, gibt es ein kleines nubisches Restaurant; mein Leibgericht dort ist der Orientalische Reis (mit unterschiedlichen Nüssen). Im Restaurant verhandle ich eher selten wegen der Preise, es sei denn, mir kommt irgendetwas "spanisch" vor.
    Leider kann ich auch kein Arabisch, von den paar Floskeln mal abgesehen, die man braucht, um mit Händlern und Dienstleistern notfalls mal Klartext zu reden.

    Finde auch schade, daß man die Kulisse nicht einfach nur genießen kann, ohne permanent belästigt zu werden. Daß man irgendwohin zu Fuß gehen möchte, wird einfach nicht verstanden.

    Trotz allem: Assuan ist mein Lieblingsziel in Ägypten.
    Das Nubische Museum wirklich sehr sehenswert, dafür lohnt es sich, ausreichend Zeit mitzubringen.
    Toll auch einen Tee im Nubischen Cafe mit fantastischen Blick in Richtung untergehende Sonne.
    Auch ein kleiner privater Park, etwa am Ende der Corniche, nach dem Old Cataract-Hotel ortsauswärts Richtung Süden bietet eine tolle Sicht, schöne gärtnerische Gestaltung OHNE Anmache für 5 Ägyptische Pfund.

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