Montag, Februar 28, 2011

Das grosse Aufräumen hat begonnen

Heute kommen sehr gute Nachrichten aus Ägypten. Während der vergangenen Tage wurden die vorgeschlagenen Verfassungsänderungen bekannt gemacht und haben mehr oder weniger Zustimmung erhalten. Artikel Nr. 2 (jener, der das islamische Gesetz als allgemein verbindlich erklärt) ist wohlweislich ausgeklammert worden. Dieser Artikel, aber auch andere, werden noch heftig diskutiert werden. Um eine komplett neu ausgearbeitete Verfassung wird Ägypten nicht herum kommen. Doch das braucht Zeit. Ein Termin für das Referendum zu den vorgeschlagenen Verfassungsänderungen wird demnächst bekannt gegeben.

Heute nun der Hammerschlag: Mubarak und seine Familie dürfen das Land nicht verlassen. Gleichzeitig sind alle ihre inländischen Besitztümer und Guthaben eingefroren worden. Allerdings hätte das zur gleichen Zeit wie das Blockieren der Guthaben im Ausland stattfinden sollen – vor drei Wochen schon. Schwindelerregende Zahlen werden in den Medien herumgereicht, Zahlen, die man sich als Normalsterblicher gar nicht vorstellen kann. Ich frage mich, wie das Heer Armer dieses Landes mit zwölf- und mehrstelligen Zahlen umgehen? Unfassbar! Dazu muss man bedenken, dass dies erst die Spitze des Eisberges ist!!! Und vorerst betrifft es nur mal den Ex-Präsidenten und seine engste Familie; Freunde, Profiteure, Geschäftspartner, Minister, Gouverneure usw. noch nicht inbegriffen!

Der Generalstaatsanwalt ist tatsächlich an der Arbeit. Das sind Nachrichten, die das Volk jetzt braucht. Auch der Armeerat ist aktiv. Er hat sich bei der Koalition „25. Januar“ für die langsamen Fortschritte entschuldigt – sie hätten keine Erfahrung im Regieren und die bisherige Regierung habe wenig Brauchbares hinterlassen! Leider zögern sie bei zwei essentiellen Punkten weiterhin: weder geben sie einen klaren Termin zum Abgang von Premierminister Shafik bekannt, noch sind sie bereit, die brutale Niederschlagung der Demonstration am vergangenen Freitag zu untersuchen. Gerade darauf warten die Ägypter aber. Ach nein, sind wir ehrlich: sie warten auf noch viel mehr!

Doch vorerst muss Ägypten auch noch die eineinhalb Millionen Gastarbeiter aus Libyen wieder integrieren…

Der Mobilfunk-Anbieter Vodafone hat versprochen, für die Zeit der unterbrochenen Internetverbindung zu Beginn der Aufstände eine Rückvergütung zu leisten. Ich komme in den Genuss von 30% Rabatt. Ähnliches ist mir von Mobinil und Etisalat nicht bekannt.

Jeder Tag ist eine Überraschung, jeden Tag bin ich gespannt, welche Fort- oder auch Rückschritte gemacht werden. Noch immer verfolge ich die Nachrichten, wie eine Live-Erstbegehung einer heiklen Felswand – ständig kann etwas Negatives geschehen, ein herber Rückschlag erfolgen. Zum Beispiel: was hinter vorgehaltener Hand gemunkelt wurde, scheint sich nun auch abzuzeichnen: eine Spaltung der (ach so gefürchteten) Muslimbrüder.

Hurghada räumt auch auf. Viele Hotels nützen die Touristen-leere Zeit für Renovationen. Nachts – ja, nicht tagsüber! – donnern wieder Flugzeuge über unseren Stadtteil hinweg und bringen Urlauber zurück. Tröpfchenweise sieht man sie wieder in der staubbedeckten Sheraton Strasse (jetzt haben sie auch die Gegenfahrbahn aufgerissen, eigentlich eine Zumutung… wäre es nicht Ägypten), in der Hotelstrasse und in den Bussen der grossen Touroperator. Mein Tausend-Dollar-Papa hat mir wieder angerufen und eine Unterrichtsstunde genommen. Seine Geschäftsräume riechen von frischer Farbe und die Angestellten tragen Hunderte von Lederjacken und –mänteln wieder in die Ausstellungsräume zurück. Morgen werde ich zur nächsten Unterrichtstunde vom Firmenchauffeur abgeholt…


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