Montag, August 23, 2021

Begegnung in Luxors Bazaar

Als ich im Juli einige Tage in Luxor zu tun hatte, bin ich an einem Spätvormittag durch die Bazarstrasse geschlendert. Ich mag diesen Bazar eigentlich. Eine Holzkonstruktion über der engen Gasse spendet Schatten. Die Waren werden auch von Einheimischen gekauft. Je weiter man geht, umso eher findet man nicht nur Souvenirs, Schmuck und Schals, sondern auch Stoffe. Dahinter schliesst sich dann der Obst-und Gemüsemarkt an.

Was ich nicht mag, ist das lästige Verhalten der Verkäufer dort. Drum eben Spätvormittag.

Prompt waren noch viele Geschäfte zu und das störte mich gar nicht. Ich schlenderte an den rundlichen Frauen vorbei, die gemütlich plaudernd die ganze Breite der Gasse vereinnahmten. Einige Souvenirverkäufer versuchten ihr Glück bei mir, mit dem ewig gleichen Ramsch, der nicht mal in Ägypten hergestellt wird. Das Schmuckgeschäft, wo meine Mama vor Jahren was gekauft hat, hatte auch noch zu.

Die Atmosphäre gefiel mir, nach den Tagen im Hotel tat es mir wohl. Mein Blick schweifte ziellos über die Aufschriften auf den Geschäftstafeln und blieb bei einem hängen: In schön geschwungenen, blauen Buchstaben auf goldenem Grund las ich eine französische Beschreibung. Neugierig näherte ich mich dem Eingang um zu sehen, was da angeboten wurde.

Wie aus dem Nichts stand plötzlich ein älterer, schmächtiger Mann mit schütteren, weissen Haaren neben mir. Er war mindestens ein halber Kopf kleiner als ich. Mit einem „Bonjour!“ begrüsste er mich. Seine feinen Lippen zeichneten ein Lächeln. Seine Augen blickten mich prüfend an. Ich war erstaunt. Französisch?

Er lud mich in das kleine, unbeleuchtete Geschäft ein. Tee? Nein danke. Zigarette? Nein danke. An den Wänden stapelten sich in Regalen wunderschöne, handgewobene Schals. Da und dort hingen Schals herunter, andere lagen zusammengeknäuelt übereinander. In der Ecke stand ein Diwan, auf den mehrere Schals achtlos hingeworfen worden waren. Dazwischen lagen Plastiksäcke. Einige riesige Unordnung. Wie schade.

Wir plaudern ein wenig. Der Mann ist Ägypter, aber das sieht man überhaupt nicht, seine Haut ist schneeweiss. Er hat viele Jahre in Holland gelebt und ist vor ein paar Jahren zurückgekommen. Auf der Westbank drüben werden seine Schals gewoben. Aber jetzt steht alles still. Er verkauft hier praktisch nichts, aber einiges geht in den Export nach Europa.

Der zierliche Mann wirkt hoffnungslos, verloren. Ob er es nicht bereue, zurückgekommen zu sein? Er blickt mich ernst durch seine Brille an und antwortet: „Das Leben ist nicht einfach. Dort muss man viel arbeiten, aber das Leben ist gut. Hier muss man auch viel arbeiten...“ 

Voreilig will ich den Satz für ihn beenden: „…, aber das Leben hier ist nicht gut.“ Er weicht mir aus, sein Blick will mir zustimmen, aber seine Worte widersprechen mir. Später fügt er noch hinzu, dass wir in Hurghada doch immerhin mehr Freiheiten hätten. Ich denke mir den Rest dazu: stockkonservativ, traditionsbeladen, von Religion, Sippen und fehlender Bildung eingeengt. Grauenhaft. Er hat in Holland gelebt - welch Gegensatz!

Ich kann ihn nicht vergessen. Seine Postur, seine schütteren, weissen Haare, sein Blick, die Unordnung in seinem kleinen Geschäft… sie sind für mich Sinnbild für den Zustand des Landes.

 

 

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