Freitag, September 14, 2012

Satire, Kritik oder Provokation?

Wieder einmal regt sich die islamische Welt über eine sogenannte Kritik auf, die gegen den Propheten Mohamed gerichtet ist. Das ganze Theater möchte ich gerne als lächerlich abtun, wären inzwischen nicht Tote zu beklagen und ernsthafte Ausschreitungen gegen westliche Einrichtungen und Menschen zu befürchten.

Der Video, der angeblich Auslöser für die Proteste ist, ist primitiv, blöd und lächerlich. Ich habe es mir während ein paar Minuten angesehen, dann aber aufgehört, weil ich meine Zeit nicht mit so viel Blödheit verschwenden mag. Inzwischen kann es hier in Ägypten nicht mehr auf Youtube aufgerufen werden.

Mir ist das alles sehr zuwider. Wie kann die Regierung Ägyptens (!) zu Protesten aufrufen? Die Muslimbrüder haben das getan (die sind für mich mit der Regierung identisch); den Aufruf haben sie wieder zurückgezogen… zu spät aber, der Schaden ist angerichtet. Eine Entschuldigung bzw. Bedauern über den Tod des amerikanischen Gesandten in Libyen seitens Mohamed Mursi, dem Regierungschef des bevölkerungsreichsten arabischen Landes und strategischen Partners der USA, folgte erst zwei Tage später. Dummheit oder Strategie?

Besagtes Video war weder Satire noch Kritik, sondern gezielte Provokation. Und die Islamisten sind bewusst darauf eingegangen. Komischerweise begann alles am 11. September. Es ist wie ein Spiel: Einer lauert auf seinen „Feind“, wirft ihm ein böses Wort an den Kopf, dieser reagiert unverhältnismässig, um sich zu rächen. So geht das hin und her und hin und her, bis statt Worte Blut fliesst.

Und die Menschen begreifen nicht, wie sie durch ihre „Religionsführer“ manipuliert werden. Sie können es gar nicht begreifen, denn es ist immer die grosse Masse der Armen und Ungebildeten, die an diesen Protesten auf die Strasse geht. In die Menge werden noch ein paar bezahlte Kriminelle gemischt, um Steine und Molotowcocktails zu werfen, Flaggen zu verbrennen, ausländische Einrichtungen zu beschädigen und gegenüber anders Denkenden gewalttätig zu werden. Die einen tun für ein paar Geldscheine alles, die anderen für das Versprechen, einst im Paradies zu leben. Kürzlich sagte mir jemand: „Die Aussicht, im Paradies genug zu essen und zehn Jungfrauen zu haben ist ausreichend für einen Selbstmordattentäter. Er hat auf Erden nichts zu verlieren, aber im Jenseits alles zu gewinnen.“

Solange in der arabischen Welt die Mehrheit der Menschen keine angemessene Bildung hat und in Armut lebt, wird dieser angestachelte Hass nie enden, wird es nie Frieden zwischen den Religionen geben. In dieser Bevölkerungsschicht ist die Religion zu mächtig und die Menschen folgen ihr blindlings. Und jene, die ganz oben sind und die Führungsverantwortung haben, nützen dies zu ihren Gunsten aus. Religion ist Macht – nichts anderes.

Aus diesem Blickwinkel ist Ägypten im Mittelalter angekommen (da, wo einst Europa und die katholische Kirche waren). „Die Muslimbrüder sind vor allem Geschäftsleute“ erwiderte mein Gesprächspartner gestern. Genau. Vor ein paar Tagen veröffentlichte das Washington Institute im Internet ein „Wer ist wer“ der Muslimbrüder. Ein Blick darauf bestätigt: alles sind top qualifizierte Kader, die meisten haben in den USA (welche Ironie) studiert, haben einen Lehrstuhl an einer Universität inne oder sind erfolgreiche Geschäftsleute, bestens untereinander vernetzt, oft noch zusätzlich durch Heirat. Geschäft und Macht. Und sie verstecken sich hinter der Religion. Und kaum einer merkt’s. Beinahe.

So bald wird sich das in den arabischen Ländern auch nicht ändern. Dazu braucht es mehr, als ein oder zwei Diktatoren zum Teufel zu jagen. Ein provokativer Cartoon, ein lächerlicher Film, ein kritisches Buch… sie reichen aus, die arabische Welt in Flammen zu stürzen und die politische Stabilität zwischen West und Orient in Schieflage zu bringen.

Update:
Die Proteste und Übergriffe zwischen Tunesien und Jemen folgen einem ähnlichen Muster: kurzzeitig waren die Botschaften nicht geschützt oder Polizisten zeigten angeblich den Weg zum Eingang. Irgendwas ist faul. Was geht vor in der arabischen Welt?

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