Samstag, Oktober 13, 2012

Auf nach El Quesir

Die Sonne steigt soeben über dem Meer auf, die Luft ist noch kühl, die Strassen leer. Wir radeln… Hinaus aus Hurghada, hinauf zum Checkpoint, weiter an den bekannten Abzweigungen vorbei: Makadi, Soma Bay, Safaga.

 
 

Da ich noch nie in Safaga war, fahren wir durch das lang gezogene Dorf bzw. was dazu gehört. Unser Radsattel wird zum Kinosessel: Gemüsestände und Geschäfte, vor denen noch halb schlafende Männer in Kaftanen stehen, gehen, Zeitung lesen und Frauen in schwarzen Gewändern ihre Einkäufe in einem Korb auf dem Kopf balancieren, wechseln mit landestypischen, einfachen Kaffeehäusern, verlotterten Schulen und Häusern ab. Überall liegt Abfall und ich höre in Gedanken wieder, wie sauber Hurghada doch sei. Ägypter zeigen sich darüber so begeistert. Europäer beurteilen das etwas anders.


Wir radeln. Die Strasse führt in stetem Auf und Ab durch die Ausläufer des Red Sea Gebirges, das seit Safaga nicht die sonst übliche gold-gelbe Farbe aufweist, sondern sich grau-schwarz präsentiert. Das Asphaltband liegt wie ein dunkelgrauer Streifen viele Kilometer vor uns ausgerollt und verliert sich am flimmernden Horizont. Die Steigungen bieten Abwechslung und sind uns Motivation: mit Rückenwind oben angekommen, treten wir umso kräftiger in die Pedale, stürzen uns mit Eifer hinab, um mit Schwung durch die Senke zu brausen und mit weniger Kraftaufwand die nächste Steigung zu erreichen. Seit Safaga gehört die Strasse praktisch uns.
 
 
 
 
 
„Ist das nicht gefährlich?“ war eine berechtigte Frage meiner Bekannten, denen ich von unserem Vorhaben erzählte. Nein, es ist nicht gefährlich, denn ich fahre a) nicht alleine, b) in aller Frühe und c) wir haben ein Begleitfahrzeug.

Emad, der Chauffeur, begleitet uns fürsorglich, hält an übersichtlichen Stellen, versorgt uns mit kühlem Wasser, macht Fotos von uns und: geniesst unüberhörbar Klimaanlage und die gute Stereoanlage des Fahrzeugs meines Velo-Kameraden! 
 
 
Wir radeln. Die grau-schwarzen Berge haben sich zurückgezogen, es herrscht wieder gold-gelb vor. Eintönig, keine Hügel, nur noch sanfte Erhebungen. Es ist sehr heiss und obwohl ich ständig trinke, muss ich nie austreten (kein gutes Zeichen, wie ich drei Wochen später feststellte). Ich esse einen Apfel, ein Dattelkeks, ein paar Nüsse. Essen kann ich nicht besonders viel. Mein Kollege hingegen ist ständig mit Essen beschäftigt ;).

Die Luft flimmert in der Hitze. Immer wieder lass ich meinen Blick über diese für mich auch nach über drei Jahren seltsame, fesselnde Landschaft schweifen, sehe hinab zum glitzernden Meer und erblicke…. Fahrradfahrer? … Menschen auf Zweirädern?… Mountainbikes?... Ich frage mich, ob ich schon Halluzinationen habe und mir eine Fata Morgana einen Streich spielt. Ich mache Michael darauf aufmerksam. Nein, er sieht sie auch, die sind echt. Wir halten an, rufen und winken. Die Gruppe sieht uns und kommt uns entgegen. Es sind Biker aus einem nahe gelegenen Hotel, die mit ihrem Führer unterwegs sind. Unsere Begeisterung, Menschen auf Zweirädern zu begegnen, ist bedeutend grösser, als jene der Touristen. Unsereiner sieht hier ja nicht so oft Gleichgesinnte, sondern sind in Hurghada und Umgebung so ziemliche Exoten!

Kurz nach dieser Begegnung wird die Strasse einspurig und das Asphaltband verläuft direkt am Meer und feinem Sandstrand. Da und dort vergnügen sich Leute im Meer. Wir radeln weiter unserem Ziel entgegen und nähern uns einem Umschlagsort für Phosphat. Wir werden in eine riesige Phosphat-Staubwolke gehüllt. Ein Frachtschiff wird mit Phosphat beladen, Lastwagen treten mit dem wertvollen Staub ihren langen Weg nach Kairo an. Ich male mir aus, unter welchen Bedingungen die Menschen hier arbeiten und dass früher oder später alle eine Staublunge haben werden.



Es wird heisser, Schweiss und Staub kleben im Gesicht, an Armen und Beinen. Schweigend radeln wir weiter, jeder mit seinen Gedanken, Eindrücken und Leiden beschäftigt. Kurze Wortwechsel lenken uns ab, muntern uns auf. Berge und Hügel zeigen sich wieder abwechslungsreicher und ich spüre wieder den Wunsch, irgendwann in diesem Gebirge mit dem Mountainbike unterwegs zu sein.
 
 

Wir passieren die Minengesellschaf und das heisst: noch 15 km bis El Quesir! Ich sende dem Direktor des Hotel Mövenpick ein Sms, um unsere Ankunft anzukündigen. Kurz darauf erreichen wir die Hotel-Einfahrt und lassen uns von Emad fotografieren. Müde, aber stolz und voller Freude versorgen wir unsere Räder und mischen uns nach einer Dusche unauffällig unter die Hotelgäste. Duschen, Strand, Baden, Essen, Pool, fast etwas anstrengend wird es, denn wir wollen die schöne Hotelanlage voll und ganz geniessen ;). Danke Mehdy!
 
 
Bei Einbruch der Dunkelheit setzen wir uns ins Auto und fahren mit vielen beglückenden Eindrücken und schweren Beinen unter dem Wüsten-Sternenhimmel nach Hause.

Dank Michael konnte ich diesen Radausflug unternehmen. Allein ist das als Frau momentan nicht zu empfehlen. Aber gemeinsam sind weitere Ausflüge machbar. Für mich bedeutet dies eine neue Lebensqualität.
Eckdaten: 130km, 4 Stunden Fahrzeit, viele Liter Wasser und Rückenwind (zum Glück!)
 

7 Kommentare:

  1. Hallo El-Qamar,

    ich habe Deinen Bericht über die Radtour entlang der Küstenstrasse mit Interesse gelesen. Ich werde in zwei Wochen für 7 Tage in Hurghada sein und mein Mountainbike mitbringen. Ich plane ein 2-3-tägige Radtour entlang der Küste in südliche Richtung. Südlich von Safaga will ich nach Westen in die Wüste abbiegen.
    Mich interessiert aufgrund der politischen Lage, ob ich mich am Roten Meer als Fahrradfahrer frei bewegen kann oder ob es Polizeisperren gibt, die mir unter Umständen die Weiterfahrt verbieten oder mich zwingen Konvois anzuschließen.

    Gruß aus Erlangen/Deutschland

    Bernfried

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  2. Hallo Bernfried. Wir sind vergangenen Freitag grad nochmals nach El Quesir geradelt - kein Problem. Es gibt Polizeisperren (checkpoints), aber als Ausländer musst du dort nichts befürchten. Wichtig ist, dass du einen Ausweis bei dir hast. Die stellen evtl. jede Menge Fragen nach woher, wohin, warum etc. Du musst auch damit rechnen, dass dir Kinder nachlaufen, weil du eine Attraktion bist. Überlege dir auch, wo du übernachten willst; Zelten ist nicht empfehlenswert. Falls du mehr wissen willst, schreib mir bitte ein Email.

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    1. Hallo El-Qqamar,
      danke für Deine schnelle Antwort. Ich werde nicht zelten aber draussen (abseits von Dörfern und Ansiedlungen) übernachten. Wo siehst Du Problem beim Übernachten? Gibt es Probleme mit wilden Hunden in der Wüste?
      Gruß aus Erlangen/Deutschland

      Bernfried

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  3. Wo denn, wenn nicht zelten? Hunde und Füchse hat es sowieso und mit anderem ist zu rechnen; und mit Waffenschmugglern und anderen Typen, die sich in der Dunkelheit wohl fühlen.
    Wünsch dir viel Glück :)

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  4. Hallo El-Qamar,
    danke für Deine Antwort. Ich bin jetzt ein wenig verunsichter. Ist abseits des Roten Meers (ca. 20 km) und von Ortschaften/Strassen (ca. 5 km) mit Schmugglern zu rechnen?
    Was meinst Du mit Füchsen?
    Noch eine Frage zu den Kindern. In Tunesien habe ich das gleiche mit Kindern erlebt. Ich hatte dann immer Kaugummis, Kugelschreiber oder Postkarten dabei. Sollte ich am Roten Meer für die Kinder auch so etwas dabei haben?

    Gruß aus Erlangen/Deutschland

    Bernfried

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  5. Hallo El-Qamar,
    Ich bin jetzt ein wenig verunsichert. Ich werden irgendwo in der Wüste weit weg von der "Zivisilation" (20km vom Roten Meer und ca. 2 km von Dörfern) übernachten. Sind Zwischenfälle bekannt?
    Wegen der Kinder: in Tunesien hatte ich die Freude der Kinder auch empfunden und deshalb Kaugummis und Kugelschreiber als Geschenke dabei. Ist das in Ägypten auch zu empfehlen?
    Gruß aus Erlangen/Deutschland

    Bernfried

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  6. Bernfried, bitte melde dich per Email. Danke.

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