Montag, September 10, 2018

Wenn Amor auf Analphabetismus trifft


Grad wieder wurde ich von einer jungen Frau angeschrieben, ob ich ihrem ägyptischen Mann Deutsch beibringen könne.

Die Dame meinte, er sei sehr sprachtalentiert.

Nachdem ich meine üblichen Informationen zu Methode, Preisen, Zeiten und Bedingungen mitgeteilt habe, vereinbaren wir, dass der Mann sich melden soll.

Das tut er nach ein paar Tagen telefonisch. Sein Englisch verstehe ich kaum und so wechseln wir ins Arabische. Scheinbar ist mein Arabisch besser als sein Englisch, obwohl meine Kenntnisse mangels regelmässigen Gebrauchs dürftig sind. Aber wir verstehen uns.

Der Haken ist: Der Mann kann weder lesen noch schreiben, auch nicht in seiner Muttersprache. Analphabet also. Er arbeitet im Bazar. Ja, die sind alle sprachtalentiert, die können in 10 verschiedenen Sprachen gefühlte 10 Sätze sagen. Und charmant lächeln und blendend aussehen. Damit hat es sich aber.

Der offizielle Anteil an Analphabten in Ägyten liebt bei Männern je nach Quelle zwischen 17% bis 25%, bei Frauen um die 40%. Anders herum gesagt: jeder FÜNFTE Mann und jede DRITTE Frau kann weder lesen noch schreiben. Dazu kommen noch diejenigen, die nur die Zahlen und ihren Namen schreiben und lesen können.


Die Anfrage der Dame hiess deshalb: ob ich ihm denn auch Lesen und Schreiben beibringen könne? Theoretisch ja, aber...

Ich habe es schon einmal mit zwei knapp 30-jährigen Männern versucht: Sie haben nach einem Monat aufgegeben – zu schwierig, zu mühsam, zu wenig motiviert. Das war auf Englisch, denn sie konnten etwas Englisch sprechen. Besser wäre, sie würden ihre eigene Sprache zuerst lesen und schreiben lernen.

Mich beschäftigt die Frage: Was will eine junge Deutsche mit einem Ägypter, der keinerlei Schulbildung hat? Wie soll der in Deutschland klarkommen? Wie stellen sich diese jungen Frauen die Zukunft vor? Soll ihr Partner Strassen wischen oder Küchen und Toiletten putzen? Selbst jene Menschen, die aus einem Drittweltland stammen, doch leidlich gut Deutsch sprechen, stehen vor grossen Schwierigkeiten im Alltag der sogenannten „Ersten Welt“. Natürlich kann einer, wenn er clever ist, Bildung nachholen. Aber das braucht Zeit.

Ich kann das nicht nachvollziehen und mir ist wind und weh, wenn ich an die Mädels denke. Je mehr ich über Land und Leute weiss, umso mehr graut mir. Doch einmischen geht nicht. Liebe Mädels, lacht euch doch wenigstens einen an, der studiert hat! Es gibt dann noch genügend andere Verschiedenheiten zu überbrücken.

Aber im letzten Fall könnte sich die ganze Geschichte auch wieder in Luft auflösen. Der junge Mann hätte sich nach den Feiertagen wegen einem Termin melden sollen. Hat er nicht - was ich auch nicht erwartet habe...



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Danke für Ihren Kommentar. Ich freue mich über jede aktive Teilnahme an meinem Blog. Meinungsfreiheit gilt auch hier. Ich behalte mir jedoch vor, freche und beleidigende Kommentare zu löschen.