Mittwoch, September 21, 2022

Eine Bäckerei, die Emotionen weckt

Es geht hier zwar um das beliebte Grundnahrungsmittel, aber um noch was anderes, das mich völlig gefangen nimmt.

Ich wollte nur schnell noch ein Brot kaufen. Nicht so ein Fladenbrot (Aisch Libnany), wie ich es zur Reserve immer im Gefrierfach habe, sondern ein richtiges.

Ich hatte von dieser Bäckerei schon mal ein Ciabatta gekauft, aber im Supermarkt. Der Geschmack, die Konsistenz überraschten mich. Ich merkte mir den Namen und nahm mir vor, mal direkt hinzugehen.

In den vergangen Jahren haben unzählige Bäckereien ihr Glück versucht. Die wenigsten davon haben überlebt und noch weniger haben mich überzeugt. Deshalb habe ich vor zwei Jahren angefangen, selber Brot zu backen. Dafür fehlt mir momentan die Zeit.

Als ich schliesslich in der Bäckerei stand, blieb ich wie festgefroren stehen. Ich sah zwar die vollen Regale mit allerlei leckeren Brotsorten, Laiben und Brötchen, ich nahm den schlaksigen jungen Mann wahr, der mehrere Dinge kaufte und immer wieder eine Frage hatte und seine Einkäufe einzeln in seinen mitgebrachten Rucksack stopfte. Ich realisierte auch, dass die Regale proppenvoll* waren, obwohl die Sonne soeben unterging.

Es war nicht das Angebot, das mich festhielt. Ich suchte… Ich versuchte zu verstehen... Was war da? Ich hörte etwas, das mich verwirrte. Zwischen den Regalen stand ein winzig kleiner Lautsprecher. Daraus erklang spanische Musik. Gitarre und Gesang. Ich versuchte mich auf das Brotangebot zu konzentrieren, mich zu kontrollieren, schaffte es aber nicht.

Mir kollerten Tränen über die Wangen, ich schämte mich so sehr darüber, dass ich mich wegdrehte. Die Musik macht etwas mit mir, das ich nicht mehr verstehen kann. Ich wollte den Mann hinter dem Tresen fragen, ob dies Paco de Lucia sei, aber der schlaksige Jüngling brauchte ewig. Die Sekunden dehnten sich und taten so, als ob sie Stunden wären. Inzwischen rollten mir weiter Tränen runter, ich wollte mich in Luft auflösen oder im Boden verschwinden. Die Emotionen übermannten mich. Sollte ich wieder aus dem Laden raus? Nein, ich musste bei den spanischen Klängen bleiben!

Endlich drehte sich der Kunde um und verliess das Geschäft und der Mann hinter dem Tresen wandte sich freundlich lächelnd mir zu. Meine erste Frage war nach der Musik – nicht nach Brötchen. Gipsy Kings! Keine Ahnung habe ich, aber die Melodien kriechen in mich hinein und setzen meinen Verstand aus!

Wir redeten über Musik. Und dann über Brot. Und dann erzählte er von sich, seinen Berufsstationen: Paris, Rom, Deutschland. F&B Manager, Hotelmanager, Generalmanager. Und jetzt hat er sein kleines Geschäft hier in einem Laden, der vielleicht 9m2 misst und wo zwischen den Brötchen ein kleiner Lautsprecher Musik erklingt, die mich kopflos macht. Ich stand mit offenem Mund da und wünschte ihm alles Glück und allen Erfolg dieser Welt.

Ich kaufte ein Ciabatta. Und dann entdeckte ich hausgemachte Pesto. Die nahm ich auch. Und der Mann hinter dem Tresen, der schon lange neben mir stand und erzählte und der Inhaber ist, schenkte mir ein Vollkorn-Ciabatta. Alles schmeckt vorzüglich und alles zu anständigen Preisen. Er wird Erfolg haben, er weiss, wie man’s richtig macht!

Und jetzt sitze ich da und höre Gipsy Kings zum Mittagessen. Statt zu arbeiten, schreibe ich diesen Blogeintrag. Ich muss diese Emotionen rauslassen. 

Musik fasziniert mich schon immer. Ich bin schon im Kino gesessen, hörte Hintergrundmusik und musste unbedingt wissen, was das war. Ich reiste wegen Reggae nach Jamaika. Ich habe in San Salvador de Bahia Klänge gehört und lief ihnen nach, bis ich sie vor mir hatte: Es war eine Capoeira-Schule, deren Schüler probten. In den Anden Boliviens sog ich die Panflöten-Melodien in mich rein.

So geht es mir immer wieder und immer stärker. Ich kann es nicht mehr kontrollieren. Die Musik macht etwas mit mir.

Was ist das? Wenn jemand von Euch Lesern einen Tipp geben kann, dann bitte schreibt mir.

 

*Die Bäckerei ist 24 Stunden geöffnet!

5 Kommentare:

  1. klingt lecker! -- Viel Glück dem Inhaber!

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  2. Liebe El Qamar, ich würde gerne in der Bäckerei einkaufen, aber Name des Geschäfts und Straße wären schön zu erfahren.

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    1. Natürlich: Bready, beim British Resort in El Kawther, gegenüber von Abu Ashara :)
      vorher war die tunesische Patisserie Carthage drin

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  3. Hallo, ich glaube,das hat etwas mit dem Charakter zu tun . Wenn man von bestimmten Erscheinungen stark berührt wird und vielleicht sensibel ist, dann hat man es schwer, diese Emotionen zu verbergen . Aber das ist ja eigentlich etwas schönes .

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