Donnerstag, Februar 02, 2023

Eine hübsche Sommerfrische - zum Überwintern geeignet

Dies ist nun der letzte Eintrag zu meiner kurzen Reise durchs Delta im vergangen Herbst. Allzu gerne würde ich nochmals dorthin und länger bleiben, mehr sehen, vor allem die Natur mit den vielen Seen, an denen Zugvögel rasten, den kilometerlangen Stränden, der Landwirtschaft, der Weite, dem Grün...

Bevor ich einen Blogeintrag schreibe, versuche ich mir noch etwas Hintergrundwissen zu holen und dabei denke ich immer wieder „Was für ein gelobtes Land!“. Alles ist vorhanden, was der Mensch braucht. Der naturgegebene Reichtum ist unglaublich!

Ich konnte ein paar Tage in Ras El-Bar verbringen. Dieser Ort liegt nördlich von Damietta am östlichen Nilarm auf einer Halbinsel, dort, wo sich dieser Teil des Nils nach seiner langen Reise mit dem Mittelmeer vereinigt.

Damietta

Der Busbahnhof befand sich offenbar im urtümlichsten Teil Damiettas. Ein Ort wie irgendwo in diesem Land. Immerhin ergatterte ich ein hellblau bemaltes Taxi mit zerfledderten Sitzen, fehlendem Türgriff, aber einem überaus liebenswürdigen Fahrer. Ich bat ihn, mein Gepäck auf den Rücksitz zu legen und nicht in den völlig verschmutzen Kofferraum.

Damietta ist DER Ort für Holzmöbel. Ganz Ägypten schwärmt davon: „Alle“ Ägypter wollen Möbel aus Damietta. Ich erinnere mich, wie mir mein frisch vermählter Freund Maged stolz seine Wohnung zeigte und erklärte: Die Möbel stammen aus Damietta. Der Taxifahrer chauffierte mich an Holzlagern und Schreinereien vorbei und ich fragte, warum denn ausgerechnet Damietta so berühmt für Möbel sei und woher denn das Holz käme. Alles importiert. Holz wird nach Damietta geliefert, die Stadt ist Ankunftshafen. Tradition. Und so wird es halt hier verarbeitet bzw. weitertransportiert.

Er zwängte das Taxi durch enge Gassen, ich glaube, durch den Markt. Jedenfalls hätte ich Fisch, Fleisch und Früchte durchs offene Autofenster mit der ausgestreckten Hand einsammeln können - wären da nicht noch Fussgänger und Tiktoks dazwischen geklemmt gewesen.

Ras El-Bar

Doch dann staunte ich und schwieg. In der Abenddämmerung überquerten wir eine moderne Nilbrücke zu dessen Seiten sich eine städtische Skyline abzeichnete und ihre Lichter über den Nil warf. Wir fuhren eine halbe Stunde dem Nil entlang schnurgerade nordwärts. Die Stadt hinter uns lassend, legte sich eine unglaubliche Ruhe über die vorbeihuschende Landschaft.

Von da an blieb die Ruhe allgegenwärtig. Das Städtchen gefiel mir ungemein. Alle Strassen waren rechtwinklig angelegt und nur die Hauptstrassen sowie die Nilpromenade sind asphaltiert, die Gassen zwischen den pittoresken Villen bestehen aus Sand. Wie das wohl in den Wintermonaten aussehen mag, wenn es regnet?

Entzückt haben mich zwei Tatsachen: die gepflegten Häuser und die Ruhe. Richtige Ruhe. Nach dem Rund-um-die-Ohr-Lärmpegel in Alexandria wähnte ich mich auf einem anderen Planeten. Das einzige Geräusch, das die Ruhe kurzzeitig durchbrach, war der unvermeidliche Gebetsaufruf der nahen Moschee auf der andern Seite des Nils. Aber sonst: perfekte Ruhe. Ich schlief tief und traumlos und endlich mal erholsam.

Am nächsten Tag spazierte ich durch die Gassen und staunte über die Villen mit hübschen Balkonen und Fassaden mit Stukkaturen. Gepflegt! Kaum etwas ist verlottert! Ras El-Bar war und ist ein Sommerferienort, der in der Hochsaison das Zehnfache an Einwohnern bewältigen muss. Da ist sicher nicht mehr viel mit Ruhe. Aber jetzt, im Herbst, kommen viele ältere Menschen und Familien mit kleinen Kindern her. Viele überwintern hier, geniessen die Ruhe und freuen sich mal über Regen und die kühle Meeresbrise.

Der Taxifahrer erzählte mir, dass im 19. Jahrhundert und bis Mitte 20. Jahrhundert besonders viele Juden hier gelebt hatten, bevor sie unter Gamal Abd El Nasser aus Ägypten vertrieben wurden. Seine ehemalige Sommerresidenz steht übrigens hier, ganz vorne, auf der Landzunge „Lessan“. Jetzt gehört sie dem Gouvernement.

Schlussendlich stand ich dort, ganz vorne, da, wo der Nil und das Mittelmeer sich vereinen. Stumm. Bewegt. Ich blickte hinaus in die Weite. Ich lauschte den Wellen. Ich beobachtete die Fischkutter, die tagtäglich selbstverständlich an diesem einmaligen Ort vorbeifahren und deren Fang in ganz Ägypten verteilt wird. Gerne würde ich zuhören, wenn der Fluss von seiner über sechstausend Kilometer langen Reise erzählen könnte…

Grosses, wenn auch kurzes Glück bereitete mir ein Bad im Mittelmeer: Endlich mal wieder im Mittelmeer! Ich sog seinen Duft ein, spürte das weiche Wasser auf meiner Haut, liess mich auf den Wellen tragen und fort in Erinnerungen. Nur kurz zwar, denn durchs Rote Meer und das dortige Klima verwöhnt, fand ich es etwas frisch. Zudem ist der Strand schwarz, das wirkt ungewohnt und die Strandwächter wollten mich partout nicht hinter die Abschrankung schwimmen lassen…

Das reizt mich immer: hinter die Abschrankungen sehen, gehen, fühlen. 😏

In der Nacht dann sieht man eine tanzende Lichtkette auf dem Meer draussen. Sie stammt von den Frachtschiffen, die auf Einlass in den Hafen von Damietta warten.

Hier sind einige Bilder von Ras El-Bar:

Nil und Mittelmeer verbinden sich

die gestrandeten Boote im Nil holt keiner raus

Blick nach Süden

besonders herausgeputzt

typische Gasse, hinten der Strand

alles ist bereit

grosszügig


 

2 Kommentare:

  1. Ägypten erleben! Schön Alexandra, daß Du das mit so viel Liebe und Offenheit machst. Für mich bist Du ein Vorbild welches zeigt, was Reisen ausmacht. Super schön beschrieben, neutral betrachtet, perfekt niedergeschrieben. Immer wieder ein Vergnügen Deine Berichte zu lesen.

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    1. Vielen Dank für das Kompliment, wer immer du auch bist.

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