Dies ist nun der letzte Eintrag zu meiner kurzen Reise durchs Delta im vergangen Herbst. Allzu gerne würde ich nochmals dorthin und länger bleiben, mehr sehen, vor allem die Natur mit den vielen Seen, an denen Zugvögel rasten, den kilometerlangen Stränden, der Landwirtschaft, der Weite, dem Grün...
Bevor ich einen
Blogeintrag schreibe, versuche ich mir noch etwas Hintergrundwissen zu holen
und dabei denke ich immer wieder „Was für ein gelobtes Land!“. Alles ist
vorhanden, was der Mensch braucht. Der naturgegebene Reichtum ist unglaublich!
Ich konnte ein paar Tage in Ras El-Bar verbringen. Dieser Ort liegt nördlich von Damietta am östlichen Nilarm auf einer Halbinsel, dort, wo sich dieser Teil des Nils nach seiner langen Reise mit dem Mittelmeer vereinigt.
Damietta
Der Busbahnhof
befand sich offenbar im urtümlichsten Teil Damiettas. Ein Ort wie irgendwo in
diesem Land. Immerhin ergatterte ich ein hellblau bemaltes Taxi mit
zerfledderten Sitzen, fehlendem Türgriff, aber einem überaus liebenswürdigen
Fahrer. Ich bat ihn, mein Gepäck auf den Rücksitz zu legen und nicht in den
völlig verschmutzen Kofferraum.
Damietta ist DER
Ort für Holzmöbel. Ganz Ägypten schwärmt davon: „Alle“ Ägypter wollen Möbel aus
Damietta. Ich erinnere mich, wie mir mein frisch vermählter Freund Maged stolz
seine Wohnung zeigte und erklärte: Die Möbel stammen aus Damietta. Der Taxifahrer
chauffierte mich an Holzlagern und Schreinereien vorbei und ich fragte, warum
denn ausgerechnet Damietta so berühmt für Möbel sei und woher denn das Holz
käme. Alles importiert. Holz wird nach Damietta geliefert, die Stadt ist Ankunftshafen.
Tradition. Und so wird es halt hier verarbeitet bzw. weitertransportiert.
Er zwängte das
Taxi durch enge Gassen, ich glaube, durch den Markt. Jedenfalls hätte ich
Fisch, Fleisch und Früchte durchs offene Autofenster mit der ausgestreckten
Hand einsammeln können - wären da nicht noch Fussgänger und Tiktoks dazwischen
geklemmt gewesen.
Ras El-Bar
Doch dann staunte
ich und schwieg. In der Abenddämmerung überquerten wir eine moderne Nilbrücke
zu dessen Seiten sich eine städtische Skyline abzeichnete und ihre Lichter über
den Nil warf. Wir fuhren eine halbe Stunde dem Nil entlang schnurgerade nordwärts.
Die Stadt hinter uns lassend, legte sich eine unglaubliche Ruhe über die
vorbeihuschende Landschaft.
Von da an blieb die
Ruhe allgegenwärtig. Das Städtchen gefiel mir ungemein. Alle Strassen waren rechtwinklig
angelegt und nur die Hauptstrassen sowie die Nilpromenade sind asphaltiert, die
Gassen zwischen den pittoresken Villen bestehen aus Sand. Wie das wohl in den
Wintermonaten aussehen mag, wenn es regnet?
Entzückt haben
mich zwei Tatsachen: die gepflegten Häuser und die Ruhe. Richtige Ruhe. Nach
dem Rund-um-die-Ohr-Lärmpegel in Alexandria wähnte ich mich auf einem anderen
Planeten. Das einzige Geräusch, das die Ruhe kurzzeitig durchbrach, war der
unvermeidliche Gebetsaufruf der nahen Moschee auf der andern Seite des Nils.
Aber sonst: perfekte Ruhe. Ich schlief tief und traumlos und endlich mal
erholsam.
Am nächsten Tag
spazierte ich durch die Gassen und staunte über die Villen mit hübschen Balkonen
und Fassaden mit Stukkaturen. Gepflegt! Kaum etwas ist verlottert! Ras El-Bar
war und ist ein Sommerferienort, der in der Hochsaison das Zehnfache an
Einwohnern bewältigen muss. Da ist sicher nicht mehr viel mit Ruhe. Aber jetzt,
im Herbst, kommen viele ältere Menschen und Familien mit kleinen Kindern her. Viele
überwintern hier, geniessen die Ruhe und freuen sich mal über Regen und die
kühle Meeresbrise.
Der Taxifahrer
erzählte mir, dass im 19. Jahrhundert und bis Mitte 20. Jahrhundert besonders
viele Juden hier gelebt hatten, bevor sie unter Gamal Abd El Nasser aus Ägypten
vertrieben wurden. Seine ehemalige Sommerresidenz steht übrigens hier, ganz
vorne, auf der Landzunge „Lessan“. Jetzt gehört sie dem Gouvernement.
Schlussendlich
stand ich dort, ganz vorne, da, wo der Nil und das Mittelmeer sich vereinen.
Stumm. Bewegt. Ich blickte hinaus in die Weite. Ich lauschte den Wellen. Ich
beobachtete die Fischkutter, die tagtäglich selbstverständlich an diesem
einmaligen Ort vorbeifahren und deren Fang in ganz Ägypten verteilt wird. Gerne
würde ich zuhören, wenn der Fluss von seiner über sechstausend Kilometer langen
Reise erzählen könnte…
Grosses, wenn
auch kurzes Glück bereitete mir ein Bad im Mittelmeer: Endlich mal wieder im
Mittelmeer! Ich sog seinen Duft ein, spürte das weiche Wasser auf meiner Haut, liess
mich auf den Wellen tragen und fort in Erinnerungen. Nur kurz zwar, denn durchs
Rote Meer und das dortige Klima verwöhnt, fand ich es etwas frisch. Zudem ist
der Strand schwarz, das wirkt ungewohnt und die Strandwächter wollten mich
partout nicht hinter die Abschrankung schwimmen lassen…
Das reizt mich
immer: hinter die Abschrankungen sehen, gehen, fühlen. 😏
In der Nacht dann
sieht man eine tanzende Lichtkette auf dem Meer draussen. Sie stammt von den
Frachtschiffen, die auf Einlass in den Hafen von Damietta warten.
Hier sind einige Bilder von Ras El-Bar:
Nil und Mittelmeer verbinden sich die gestrandeten Boote im Nil holt keiner raus Blick nach Süden besonders herausgeputzt typische Gasse, hinten der Strand alles ist bereit grosszügig
Ägypten erleben! Schön Alexandra, daß Du das mit so viel Liebe und Offenheit machst. Für mich bist Du ein Vorbild welches zeigt, was Reisen ausmacht. Super schön beschrieben, neutral betrachtet, perfekt niedergeschrieben. Immer wieder ein Vergnügen Deine Berichte zu lesen.
AntwortenLöschenVielen Dank für das Kompliment, wer immer du auch bist.
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