Sonntag, Juni 20, 2021

Eingepackt

So, wie ich früher Kirschen von den Bäumen stibitzte und mir handvollweise  in den Mund stopfte, Beeren von stacheligen Sträuchern im Wald pickte oder im Herbst Äpfel aufsammelte, so sammle ich hier hie und da Datteln. Ich liebe  diese süssen Dinger und esse fast täglich davon.

Hier, in meiner Wohnanlage las ich sie regelmässig auf, ich musste sie nur vom Gras aufheben. Seit zwei oder drei Jahren geht das nicht mehr, denn offenbar haben die gemerkt, dass Datteln wertvoll sind. 

Jedenfalls sind sie jetzt eingepackt. Oder, wie es mir im Kopf rumgeistert: Sie haben einen Überzieher bekommen, damit nichts mehr daneben geht 😊 (Assoziationen sind beabsichtigt, deshalb auch ein Bild)


Freitag, Juni 18, 2021

Ein Wort des Mitgefühls

Im Zentrum von Hurghada befindet sich einer dieser vielen mobilen, dauerhaften Polizeiposten. Wenn ich in der Gegend zu tun habe, lasse ich mein Auto meist stehen und erledige meine Besorgungen zu Fuss. Parkplätze sind dort rar, die Verkehrsregelung ist durch Einbahnstrassen, einem Kreisel mit Ampeln, herumfuchtelnden Verkehrspolizisten, Minibussen und Taxis mit Wildwestmanieren, Bettlern und unberechenbaren Fussgängern etwas komplex.

Am Polizeiposten gehe ich immer mit mulmigen Gefühlen vorbei. Einmal sass dort ein junger, uniformierter Mann stocksteif auf einem Stuhl. Von weitem sah er aus wie eine Statue. Ich ging vorbei, erhaschte aber aus den Augenwinkeln einen Blick auf ihn und merkte, dass irgendwas nicht stimmte. Ich guckte weg, ging weiter meinen Besorgungen nach.

Auf dem Rückweg aber ergab es sich, dass ich ganz nah an ihm vorbei ging. Der schmächtige junge Mann sass noch immer stocksteif auf dem Stuhl, den Blick geradeaus gerichtet, seine Uniformjacke war aufgeknöpft, der Helm lag auf dem Boden. Die groben, schweren Stiefel standen daneben. Warum nur?  Geht denn das?

Meine Augen wanderten suchend weiter: Seine feingliedrigen Füsse waren Blutunterlaufen und voller Hämatome und Blasen. Die Hitze? Ohne Socken in den derben Stiefeln? Stundenlanges Stehen? Gedanken rasten mir durch den Kopf und malten aus, wie sehr der junge Mensch da litt. Mein Blick glitt hinüber zur Apotheke… Sollte ich… hineingehen und was für ihn holen? Oder nur Geld hinterlegen und um Verarztung für ihn bitten? Doch dann schoss es mir durch den Kopf: Finger weg! Das ist die Polizei! Bring dich nicht in Gefahr! Fall nicht auf, du bist Ausländerin!

Aber ich wollte dem Mann mein Mitgefühl, ein bisschen Menschlichkeit zeigen – denn in dem Wirrwarr dort beachtete ihn eh niemand. Ich sagte zu ihm dieses eine Wort, das in so vielen Situationen passt: „Ma’alisch“ und blickte ihn an.

Über sein Antlitz huschte für einen Moment die Sonne: Er lächelte mich voller Dankbarkeit an, wendete mir für eine Sekunde oder zwei sein Gesicht zu und zeigte mir einen Blick in sein miserables Leben. Er war nicht nur mager, sondern er hatte noch etwa ein Drittel seiner Zähne – in dem jugendlichen Alter! Geschlagen, gedemütigt, ausgenützt. Die Bezeichnungen, die solche Zustände beschreiben, jagen mir jetzt noch durch den Kopf und mir wird schwindlig bei dem Gedanken an ihn und jene Tausende und Zehntausende, denen das Leben kein besseres Los geschenkt hat.

Mittwoch, Juni 02, 2021

In eigener Sache: Blogeinträge per E-Mail

Ab Ende Juli werden keine automatischen E-Mails mehr an Abonennten verschickt. Den Entscheid hat Google gefällt. Ich könnte angeblich die E-Mails herauskopieren, bin da aber ungeschickt: Ich kann es nicht.

Falls jemand von euch weiterhin per E-Mail über einen neuen Blogeintrag informiert werden möchte (auch wenn die noch so unregelmässig erscheinen), dann schreibt mir doch bitte direkt ein E-Mail an:

Elqamar.hurghada[]gmail.com

Inzwischen mache ich mich schlau, welche anderen Möglichkeiten bestehen.

Danke.

Impfzwang

 

Hier im Governorat Rotes Meer sollen alle, die im Tourismus tätig sind, geimpft werden. Das ist eine Empfehlung, ein Wunsch, vielleicht auch ein Versprechen, aber kein Zwang.

Die Wirklichkeit sieht anders aus.

Drei meiner Bekannten liessen sich impfen, weil der Arbeitgeber das verlangt. Ohne Impfung keine Arbeit. Ohne Arbeit bzw. Einkommen geht es auch unter dem immer blauen Himmel mit strahlendem Sonnenschein nicht. Davon lassen sich weder Miete noch Lebensmittel bezahlen.

Alle drei litten nach der Impfung an starkem Kopfweh, Fieber, Schweissausbrüchen, schwerer Müdigkeit, Schwindel, Übelkeit, einer musste erbrechen, einer hat einen Ausschlag im Mund und auf der Zunge. Ihnen wurde der Impfstoff von AstraZeneca verabreicht.

Donnerstag, Dezember 31, 2020

Denkwürdiges 2020 geht zu Ende

Anfang 2020 habe ich ein kleines Notizbüchlein genommen und beschriftet mit:

 

Schöne Momente
2020
Zum Erinnern am Jahresende

 

War es Eingebung? Nein, ich glaube, es war ein Wunsch tief in mir drin. Tendieren wir doch eher dazu, die unschönen Momente in Erinnerung zu behalten. Damals wusste ich natürlich auch noch nicht, was uns zweitausendzwanzig alles bringen würde.

Wenn ich jetzt durch das Notizbüchlein blättere, bin ich unendlich froh, dass ich wenigstens ein oder zwei Dutzend Momente notiert habe – es hätte noch mehr gegeben! Einige möchte ich mit euch teilen:

***Da war dieser kalte Januarmorgen, ich sitze auf dem Sofa, so um halb acht, aber die Sonnenstrahlen fluten überschwänglich wie eine Umarmung durch die geöffnete Balkontüre. Herz- und Seelenerwärmend!

***Die Störche, die sich Anfang März über unseren Dächern für ihren langen Flug nach Norden sammelten. Ein himmlischer Anblick!

***Meine frühmorgendlichen Yoga-Stunden im Garten, unter Palmen und blauem Himmel, mit gelegentlichem Vogelgezwitscher. Macht süchtig!

***Eine meiner vielen Radfahrten in den Sonnenuntergang, wenn die grösste Tageshitze verklingt, die Sonne über der Wüste als eine feuerrote Kugel hinter den Red Sea Mountains entschwindet und die Palmen schemenhaft aussehen lässt. Immer wieder atemberaubend schön!

***Mit Freunden im Fischrestaurant Muscheln essen. Überglücklich!

***Wie kleine Kinder ins Wasser der kühlen Lagune hüpfen, kichernd rauskrabbeln und wieder hineinhüpfen. Freundschaft!

***Mitte Dezember bei 28°C im Meer schwimmen. Überhaupt: Jedes Mal, wenn ich im Meer bin, denke ich laut: Heute ist es wieder besonders schön!

 

Ich wünsche euch viele schöne Momente im 2021!

Dienstag, Dezember 22, 2020

Eure Kommentare - meine Entschuldigung

Liebe Leserinnen und Leser meines Blogs

Ein Leser hat mich per E-Mail darauf aufmerksam gemacht, dass seine Kommentare nie veröffentlicht worden waren.

Das hat mich stutzig gemacht und heute bin ich der Sache nachgegangen: Tatsächlich, ein gutes Dutzend Kommentare lagen da versteckt und harrten darauf, von mir freigegeben zu werden. Da waren Kommentare seit Anfang 2018 dabei!

Und ich habe mich immer gewundert, weshalb keine Kommentare mehr kommen! Das hat mich in meiner "Schreibfreude" natürlich nicht positiv beeinflusst. Ich fragte mich: "Wofür denn?", wenn es niemanden interessiert. 😕

Bis anhin erhielt ich immer eine Meldung und wusste somit, dass ich den Kommentar freigeben sollte. Die Freigabe kann ich nicht aufheben, weil sonst zu viele Spams reinkommen.

Ich bitte euch alle um Entschuldigung: Alle Kommentare sind nun veröffentlicht. Und wenn Ihr eine konkrete Frage habt, so schreibt mir doch direkt ein E-Mail. Ich beantworte gerne Fragen, wenn ich das kann.

Jemand schrieb sogar, dass mein Blog in einem Reiseführer empfohlen wird. Wer kann mir dazu mehr Informationen geben?

Und noch etwas: Wenn euch ein Thema besonders interessiert, dann gehe ich gerne darauf ein, sofern es mir möglich ist. Über Politik kann ich mich zur Zeit verständlicherweise nicht äusseren. Aber es gibt sicher auch anderes, was von aussen anders aussieht, als von innen.

Ich wünsche euch allen Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins 2021! Bleibt gesund, lasst euch aber nicht noch mehr von der Panikmache anstecken. Angst macht krank.

Danke für eure Treue.

Herzlichst,

El Qamar









Sonntag, Oktober 18, 2020

Der lange (Covid-)Sommer 2020

Es war leise hier. Still. Bedrückend.

Damit meine ich nicht die Aussenwelt, sondern die Innenwelt. Natürlich bellten die Hunde mitten in der Nacht und rissen mich aus meinem Schlaf. Natürlich hupten die Taxis nervend alle zweihundert Meter und trübten die Freuden eines Spaziergangs. Natürlich hatten wir über Sommer den  Inlandtourismus, wie immer, wenn der Auslandtourismus wie Seifenblasen an politischen Gegebenheiten zerplatzt. Er ist der willkommene, ungeliebte Lückenbüsser, der noch einen kleinen Beitrag an die Fixkosten beisteuert und viele Scherereien bereitet.

Nach innen gestülpt

Ich meine aber die Innenwelt. Die von diesen Fachleuten ausgerufene Epidemie hat die Welt, oder zumindest die Welt, wie ich sie wahrnehme, nach innen gestülpt. Die Pflichten, denen wir tagaus, tagein nachgingen, waren weggefallen: Keine Arbeit, kein Einkommen, keine Vergnügungsmöglichkeiten, nicht mal an den Strand durften wir. Alles zu. Alles angehalten. Verboten.

Anfangs, als die Reize von Aussen fehlten, nahm ich mir enthusiastisch vor, all die vielen Dinge zu erledigen, für die mir sonst die Zeit fehlt. Nach einigen wenigen Erfolgserlebnissen erschlaffte mein Elan dafür zusehends. Ich verbrachte Stunden mit Nichtstun. Oder nicht wirklich mit Nichtstun, sondern mit Beobachten, mit Nachdenken. Mit Fühlen und Spüren. Mit Suchen und Versuchen zu verstehen. Gedanken schwirrten mir durch den Kopf und ich versuchte sie festzuhalten, von allen Seiten zu drehen und zu beobachten… sie entwischten mir, kamen aber irgendwann wieder zurück.