Freitag, Mai 31, 2013

Mein heisser Laptop und die Folgen

Begonnen hat alles im September letzten Jahres. Mein Laptop lief heiss und ich brachte ihn in ein Computergeschäft, um den Ventilator zu reinigen. Das war schon Mal nötig und danach lief der Laptop weiterhin… heiss. Damals zerkratzten die Fachleute das Gehäuse und die „Delete“-Taste war etwas eingesunken. Aber alles funktionierte.

Also, eines Abends, auf dem Rückweg von einer Unterrichtsstunde ausser Haus, so um 19 Uhr, ging ich in das Geschäft und erklärte mein Anliegen. Der junge Mann starrte mich an, als ob er kein Wort verstehen würde. Also fragte ich, ob er Englisch spreche. Ja natürlich, war seine Antwort, aber ich solle doch mein Anliegen dem Chef sagen. Wieso sagte er mir das nicht sofort? Also trug ich mein Anliegen dem Chef vor. Dieser kannte mich von früher.

Zwei Stunden solle ich warten. Kein Problem, ich sagte, dass ich nach 21 Uhr zurück käme, das Gerät aber dringend brauche. Ich arbeitete damals an einer mühsamen Übersetzung und seit ich in Ägypten lebe, kann ich ohne Internet nicht mehr sein.

Ich genoss im Fischrestaurant ein paar Häuser weiter einen herrlichen Fisch, Tahina und Fladenbrot. Erneut stieg ich die Treppen über der ortstypischen Metzgerei (beim Vorbeigehen senke ich den Blick, um das aufgehängte, rohe Fleisch nicht ansehen zu müssen) zum Computergeschäft hoch, hoffend, dass mein Laptop fertig war.

War er nicht. Ich setzte mich hin und wartete. Ich hörte den vielen Gesprächen zwischen dem Besitzer und seinen Kunden zu, beobachtete die Mitarbeiter und wartete. Das Angebot eines Bekannten, mich mit nach Hause zu nehmen, musste ich ablehnen. Nach einer Stunde kam der Boss mit meinem Gerät und probierte es aus. Es funktionierte zuerst… dann nicht mehr. Irgendetwas sei mit der Tastatur. Nun war mir mulmig. Drei Stunden, um den Ventilator zu reinigen? Da war etwas nicht mehr ganz koscher. Eine kleine Ewigkeit und viele zugehörte Gespräche später kam der gute Mann erneut. Die Tastatur sei beim Ein- und Ausbauen kaputt gegangen; ich hätte zu sehr zur Eile gedrängt! Nun hätten sie eine englische Tastatur eingebaut. Das war nicht in meinem Sinne, brauche ich doch nicht nur die deutschen Umlaute ä, ö und ü, sondern auch die französischen Accents!

Zähne zusammenbeissen und hoffen, eine andere Lösung zu finden... war in dem Moment angebracht. Die angebotenen Buchstaben zum Aufkleben nützten nichts, denn die deutsch-schweizerische Tastatur hat mehr Tasten als die englische.

Nach 23 Uhr verliess ich ziemlich unglücklich das Geschäft und fuhr nach Hause. Dort wollte ich Internet starten – und das ging nicht. Ich probierte alles aus, was man mir je dazu gesagt hat – ohne Erfolg. Verzweifelt rief ich kurz vor Mitternacht im Geschäft an. Wir versuchten per Telefon gewisse Einstellungen vorzunehmen, um wieder eine Internetverbindung herzustellen. Vergeblich. Der Herr bot mir an, nach Ladenschluss vorbei zu kommen, das sei so gegen 1 Uhr früh. Ich willigte ein, obwohl mir elend war. Zur verabredeten Zeit wartete ich im Halbschatten eines Hauses (um nicht als „leichtes Mädchen“ zu gelten) an der Strasse. Beschreibungen auf Englisch am Telefon, wie man zu mir gelangt, sind i.d.R. wenig hilfreich, deshalb warte ich oft an der Hauptstrasse auf meine Besucher.

Während Herr K. sich an meinem Küchentisch abmühte, kämpfte ich mit Verzweiflung, Ärger und Schlaf. Um halb drei Uhr früh bat ich ihn zu gehen, denn ich fiel vor Müdigkeit fast vom Stuhl. So marschierte er mit meinem Laptop unter dem Arm wieder davon.

Anderntags rief ich Mitte Nachmittag an, um mich vorsichtig nach dem Befinden meines Gerätes zu erkundigen. Wir arbeiten daran, hiess es. Kurz vor 19 Uhr hiess es, sie fänden keine Lösung, eine Neu-Installation sei nötig. Meine Übersetzung!!!! Natürlich habe ich keine Sicherung gemacht. Herr K. meinte jedoch, er rufe mich gleich zurück. Und mehr als 24 Stunden nach meinem Gang ins Geschäft erhielt ich die Nachricht, dass der Internetzugang wieder funktioniere. Ich fuhr sofort nach Sekalla und holte mein Gerät ab.

Blieb noch immer die englische Tastatur.

Per Email kontaktierte ich den Grosshändler in der Schweiz, wo ich mein Gerät gekauft hatte. Die Antwort lautete, ich solle mich an ein Geschäft wenden. Ich rief an und erfuhr, sie verkauften keine Tastaturen, ich müsse mein Gerät einschicken. Von Ägypten aus? Ich kontaktierte den Kundendienst des Geräteherstellers und damit startete ich eine Odyssee. Ich habe keine Ahnung mehr, wie viele Emails hin und her gingen… es waren sehr, sehr viele und ich ärgerte mich über den miserablen Kundenservice. Aus dem Grund werde ich nie wieder ein Gerät dieses Herstellers kaufen.

Im Dezember erhielt ich ein Email von der Swisscom. Von der Swisscom? Ja, von der Swisscom. Sie verschicken Ersatzteile für den Hersteller. Ich bestellte meine Tastatur und erhielt sie nach mehreren Wochen tatsächlich: im Februar! Was für ein Gefühl! Endlich hielt ich wieder eine deutsch-schweizer Tastatur für meinen Laptop in Händen – ich war inzwischen ja in meiner Heimat.

Ein Arbeitskollege wollte die Tastatur einbauen, scheiterte jedoch. Ein Computergeschäft erledigte das dann bestens. Doch noch ist die Geschichte nicht zu Ende. Denn ich versprach Herrn K. in Hurghada, dass ich ihm die englische Tastatur zurück bringen würde, sobald ich eine andere hätte.
Das habe ich vor einigen Tagen tatsächlich gemacht. Herr K. war sprachlos, als er die Tastatur vor sich liegen sah – nach acht Monaten! Ich klärte ihn auch über meine Zusatz-Kosten auf, worauf er erwiderte, er fühle sich schuldig. Genau, das war er auch. Wir verabschiedeten uns und während ich die Treppe hinunter ging, rief er mir nach und fragte, was ich denn arbeitete. Ich gab ihm meine Karte.

Und heute endet diese langwierige Unannehmlichkeit mit einem Email von Herrn K., das mich berührt hat. Er bedankte sich höflichst für das Zurückbringen, für das Einhalten meines Versprechens, einer Eigenschaft, die er nicht mehr oft beobachte. Er bat mich um Freundschaft und bot mir an, mir jeder Zeit zu helfen, wann immer ich Hilfe brauche – auch wenn es nicht um Computer gehe.


Auch das ist Ägypten…

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