Sogar die Flugzeuge fliegen in die falsche Richtung. Sie
starten südwärts, statt nordwärts wie üblich. Alle paar Minuten beobachte ich,
wie eines knapp über die Häuser in die dunkle Nacht hinauf zielt. Südwärts
starten sie nur bei absoluter Windstille.
Ich sitze seit Einbruch der Dunkelheit auf dem Balkon.
Geduldig, schicksalsergeben und hoffend. Nur einmal entweicht mir ein „ohh!“ –
dann nämlich, als der Gebäudekomplex schräg gegenüber erleuchtet wird. Kurz
darauf versinkt es wieder im Dunkeln. Ganz Hurghada sitzt im Dunkeln.
Irgendwann erkenne ich den Lichtschein, den eine Stadt in
die Dunkelheit hinaus sendet. Ein kurzes Gespräch mit meiner Freundin
bestätigt, dass der Strom dort wieder verfügbar ist. Später strahlen auch die
Strassenlaternen in meinem Blickfeld wieder ihr seltsames oranges Licht aus.
Immerhin, denke ich.
Es ist 20 Uhr und noch liegt die Temperatur bei 33 Grad
Celsius. Kein Lüftchen weht. Und ausgerechnet heute fällt der Strom aus. Seit
zwei Tagen steigen die Temperaturen auf über 40 Grad im Schatten, was für die
Jahreszeit viel zu heiss ist.
Während ich die Sterne am Nachthimmel beobachte, frage ich
mich, was denn nun angenehmer ist: die langanhaltende Kälte und Nässe in Europa
mit all den Konsequenzen wie Wintermantel im Juni, Hochwasser und Heizkosten
oder diese Hitze hier, mit Stromunterbruch, verdorbene Lebensmittel und kaputte
Elektrogeräte. Ich finde keine Antwort darauf.
Mein TV ist sicher kaputt. Er war das einzige Gerät, das in
jenem Moment lief und sich mit einem lauten Knall abschaltete oder besser, verpuffte.
Zuerst reagierte ich gar nicht, denn auf Stromunterbrüche bin ich geistig
vorbereitet. Dann aber realisierte ich den ungewöhnlichen Knall. Trotzdem ging
ich schlafen, was sonst soll ich in der Bruthitze tun? Ich hoffte natürlich,
dass bis zum Aufwachen der Strom wieder verfügbar sei.
Aus dem Internet erfuhr ich, dass in Hurghada Wohnungen
brannten und die Feuerwehr ausgerückt ist. Ich bin natürlich noch nicht für
Stromunterbrüche eingerichtet. Eine einzige kleine Kerze habe ich noch. Im
Dunkeln tappe ich durch die Wohnung, hole sie aus einer Schublade heraus und
zünde sie vorsichtig an. Sorgfältig stelle ich sie auf den Balkon. Hübsch sieht
es aus, das kleine Licht.
Unter meinem Balkon, rund um den Swimmingpool wurden
auch Kerzen aufgestellt. Gelächter und Gläserklirren dringen zu mir herauf.
Keine Musik für heute Abend.
Aber die Getränke sind warm. Mein Kühlschrank kühlt nicht
mehr. Den Laptop benütze ich nicht, um die noch gespeicherte Energie für den
Notfall aufzuheben.
Warum nur bringen die Ägypter es nicht her, ihren
Energiebedarf mit dem zu decken, das ihnen im Überfluss zur Verfügung steht,
nämlich Sonne und Wind? Sie könnten Energie nach Europa verkaufen, die
Lebensqualität steigern, Arbeitsplätze schaffen. Stattdessen leidet das Land
Sommer für Sommer durch Stromunterbrüche. Was für eine Verschwendung!
Kurz vor Mitternacht gehe ich schlafen. Beinahe jede Stunde
erwache ich und drücke den Schalter für die Nachttischlampe: sie bleibt dunkel.
Erst bei Tagesanbruch ist die ersehnte Energiequelle wieder vorhanden.
Ursache des Stromunterbruchs war eine Überdosis, auf 430
(nach anderen Angaben 480) Volt statt den normalen 220 Volt während 15
Sekunden. Eine weitere Meisterleistung der ägyptischen Regierung. Die Folge:
versengte Kabel, unbrauchbare Steckdosen, kaputte Elektrogeräte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Danke für Ihren Kommentar. Ich freue mich über jede aktive Teilnahme an meinem Blog. Meinungsfreiheit gilt auch hier. Ich behalte mir jedoch vor, freche und beleidigende Kommentare zu löschen.