Dienstag, Juni 25, 2013

30. Juni 2013: es braut sich etwas zusammen

تمرد „Rebel“ nennt sich die Kampagne, die seit mehreren Monaten Unterschriften für vorgezogene Präsidentenwahlen sammelt. Die Kampagne wird quer durch die ägyptische Bevölkerung, über alle möglichen Parteien und Gruppierungen hinweg und jetzt sogar durch die Polizei unterstützt. Das Ziel,  15 Millionen Unterschriften zu sammeln, ist vor einigen Wochen erreicht worden. Man sammelt weiter, im Moment sind es 20 Millionen geprüfte, nicht gefälschte Unterschriften, und von Lebenden, nicht von Toten (wie bei den Wahlen).

Seit einigen Tagen wird punktuell und gezielt im Namen dieser Kampagne demonstriert und der 30. Juni soll der vorläufige Höhepunkt werden. Die Initianten sind dabei, politische Massnahmen für allfällige Szenarien auszuarbeiten.

Die Stimmung ist extrem gespannt, viele Menschen haben Angst. Angst vor Gewalt, vor blutigen Zusammenstössen und noch mehr Toten. Angst auch davor, dass das Land weiter entzweit, tiefer in den Abgrund stürzt und noch weiter im Chaos versinkt. Die Muslimbrüder haben angeblich Dutzende von Wohnungen an strategischen Orten in Kairo gemietet, um Scharfschützen aufzustellen. Hatten wir schon. Die Milizen der MB schwören auf ein Blutbad und Massaker, wenn „ihr“ Präsident zurücktreten müsse. Hatten wir auch schon. Die Touristen kommen seit Monaten nur noch ans Rote Meer, im Niltal ist der Tourismus praktisch nicht mehr existent. Also auch da nichts Neues.


Hingegen bietet Morsi und seine fabelhafte Regierung praktisch jeden Tag neue, unglaubliche und haarsträubende Überraschungen, die, so konfus sie im ersten Augenblick scheinen mögen, alle eines gemeinsam haben: sie vermasseln und zerstören das Land und seinen Ruf.

Wie kommt es, dass
  •  sich Ägypten im wahrsten Sinne des Wortes, das (Nil-)Wasser von Äthiopien abgraben lässt? Und statt auf diplomatischem Weg zu verhandeln schlägt die Regierung vor, den Staudamm sabotieren oder mit Militärflugzeugen zerstören zu lassen?
  • Ägypten die diplomatischen Beziehungen zu Syrien abbricht? Beide Länder waren einst als „Vereinigte Arabische Republik“ (1958-1961) vereint und enge Freunde.
  • Mursi in verschiedenste Länder reist, um Geld für Ägypten zu erbetteln? Wohlgemerkt, in Länder wie Russland, welches das Assad-Regime in Syrien unterstützt?
  • ein Mitglied der Gama’a Al Islamya zum Gouverneur von Luxor ernennt wird, jener Vereinigung, die 1997 für den Anschlag gegen Touristen verantwortlich war?
  • Ägypten Strom nach Israel und Jordanien exportiert, die eigene Bevölkerung jedoch unter Stromknappheit leidet und täglich mehrstündige Stromunterbrüche erdulden muss?
  •  sich Ägypter nun gegenseitig umbringen und sich Lynchjustiz rasend schnell verbreitet?
  • sich die Kriminalität exponentiell vervielfacht hat?
  • Und so vieles mehr!

Es gibt Antworten. Man lese z.B. im Internet http://mbinenglish.wordpress.com/. Da werden englische Übersetzungen der Facebook- und Twitter-Veröffentlichungen der Muslimbrüder veröffentlicht. Im Arabischen Original – dessen Wortlaut nie auf die öffentliche englische Seite der MB kommt – wird zu religiös motivierten Auseinandersetzungen und Tötungen aufgerufen. Es wird gegen die Initianten der Rebel-Kampagne, Aktivisten, Kopten und anders Denkende gehetzt und aufgefordert, gegen sie vorzugehen. Falschnachrichten werden verbreitet.

An den blutigen Zusammenstössen mit Demonstranten sind immer die MB-Milizen beteiligt. Sogenannte „Grossdemonstrationen“ der Morsi-Unterstützer sind arme Leute vom Land, die für ein paar Hundert Pfund und Lebensmittel per Bus zu den Plätzen gekarrt werden. Korruption, Macht, Geld, Gier. Da hat doch eine Untersuchungs-Kommission der EU festgestellt, dass EU-Gelder zur Bekämpfung der Korruption in Ägypten „versickert“, die Geldflüsse nicht nachvollziehbar sind. Die sind ja noch naiver als ich!

Alles, was seit 25. Januar 2011 geschehen ist, lässt sich mit einem einzigen Satz beschreiben:

Mit Hilfe der Hamas aus den Gefängnissen entflohene Kriminelle 
haben die Macht übernommen.

Sie regieren das Land, bzw. haben es in den zwei Jahren geschafft, mehr zu zerstören, als Mubarak in 30 Jahren. Ihr einziges und alleiniges Ziel ist: alle wichtigen Positionen der staatstragenden Säulen mit MB zu besetzen, Not und Chaos zu säen und die Menschen zu entzweien. Um dieses Ziel zu erreichen, sind sie nicht davor zurück geschreckt, die Verfassung nach ihrem Gutdünken zu verdrehen, Wahlen zu fälschen, Gesetze zu erlassen, Medien zu zensieren, Andersdenkende der Blasphemie anzuklagen und zu verurteilen, zu lügen, zu foltern und zu morden.

Sie werden an ihrer Gier ersticken. Je schneller, umso besser.

Die Ägypter haben die Schnauze voll. Vorhin rief mich ein Freund an, der soeben von einem zweiwöchigen Urlaub aus Alexandria zurückkam. Alexandria war Salafisten-Hochburg und sehr MB-freundlich. Das sei vorbei. Auch jene, die MB-freundlich waren, haben genug von Morsi und seinen Brüdern, von den Lügen, von der Kriminalität und von der sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage. Jeder Taxi-Fahrer mit dem ich rede, schimpft über die MB. Niemand mag sie mehr.

Nur die USA mögen sie noch. Als ich las, wie Anne Patterson Morsi und seine Regierung verteidigte, dachte ich zuerst an eine Fälschung der Nachricht. Aber nein, die MB werden nach wie vor von den USA unterstützt, deshalb haben sie plötzlich sämtliche Beziehungen zu Syrien abgebrochen. Ich bin einfach gespannt, ob die USA diesmal auch wieder so rasch ihre Meinung ändern werden, wie damals, als sie Mubarak fallen liessen.

Ich glaube an die Ägypter und habe Vertrauen in die kommenden Tage und Wochen, auch wenn ich noch keine fähige, charismatische Führungsperson entdeckt habe. Es wird wieder Leid, Blut und Verluste geben, aber die Ägypter werden nicht einfach aufgeben. Die MB werden sich ebenfalls wehren und verteidigen bis zum Letzten, aber ihre Tage sind gezählt – sie wissen es nur noch nicht, haben Angst davor. Sie haben zwei Vorteile: Waffen und die Unterstützung der USA.


 
Dailynews Egypt / Tamarod Facebook page

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Danke für Ihren Kommentar. Ich freue mich über jede aktive Teilnahme an meinem Blog. Meinungsfreiheit gilt auch hier. Ich behalte mir jedoch vor, freche und beleidigende Kommentare zu löschen.