Dienstag, Mai 07, 2013

Nicht mehr da und noch nicht weg

Die Grenzen verwischen sich. Meine Verpflichtungen in meiner Heimat sind beendet. Versuche ich mich an die ersten zwei Monate im kalten Winter zu erinnern, empfinde ich nur schwarz. Lange Arbeitstage plagten mich, die Arbeitslast bedrückte mich und vor dem Bürofenster klebte Nebel, tanzten Schneeflocken oder es war dunkelschwarz. Die letzten zwei Monate waren bunter und voller Hoffnung auf den Frühling und auf ein baldiges Ende meines Einsatzes; beide hatten es nicht eilig.


Nun stehe ich erleichtert am Ende oder am Anfang, je nach Blickrichtung. Ich bin noch nicht wieder in Hurghada, aber auch nicht mehr festgehalten in dem starren Korsett des Alltages. Ich habe die Sprachgrenze überquert, die für mich keine Grenze, sondern eine Öffnung darstellt. Mit der Sprache kam auch schon die andere Kultur hinzu. Mit jedem Autobahnkilometer, den ich hinter den Alpen weiter südwärts fuhr, fand ich näher zurück - zu mir.

In Hurghada lebe ich in einer internationalen Gemeinschaft. Das fordert und fördert mich. Ich liebe diese Art von kulturellem und sprachlichem Gemisch, auch wenn es alles andere als einfach ist. Meine Welt dort ist weiter, grösser und vielfältiger als jene in meiner Heimat.

Und trotzdem fällt der Abschied schwer. Tränen in den Augen einer Freundin, Wortfetzen aus einem Gespräch mit meinen Eltern, der Duft der Maiglöckchen – sie sind bald nur noch Erinnerungen oder… Vorfreude auf das nächste Mal?

Drüben jene, die sich schon lange auf ein Wiedersehen freuen und sich während den langen Monaten mit Facebook und Email in meinem Leben hielten.

Abschied bedeutet Wiedersehen. Für ein paar Tage bewege ich mich in einem anderen Kultur- und Sprachraum, der mir Heimat war und noch immer ist. Die Grenzen zwischen hier und dort verwischen sich und werden völlig unwichtig. Wichtig ist das, was in mir bleibt. Der Duft der Macchia, der Blick von Le Manie aufs Meer hinaus, der Geruch des Waldbodens nach dem Frühlingsregen, die erste Frühlings-Radfahrt mit einer Freundin, eine Träne, eine Umarmung, ein „Schlaf gut“, ein Lachen… War es in Deutsch, Englisch oder Italienisch? War es in Hurghada, in Poschiavo oder in Triesen?

Unwichtig. Hauptsache, es ist und ich bin.

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