Freitag, Januar 09, 2015

Nach Charlie Hebdo

Die schreckliche Tat gegen Karikaturisten in Paris beschäftigt die Medienwelt und all jene, die für Freiheit in jedem Sinne stehen.

Aus Solidarität habe auch ich spontan  auf Facebook „Je suis Charlie“ (ich bin Charlie) gepostet. Doch wenn ich ehrlich bin, bin ich weit davon entfernt.

Jeder Journalist, Schriftsteller, Zeichner und Filmemacher muss sich ständig mit der Frage auseinandersetzen „Wie weit darf ich gehen?“. Zwischen dem, was gerne geäussert werden möchte oder sollte, und dem, wie die Veröffentlichung von extremistischen Randgruppen interpretiert wird, liegt inzwischen nur noch eine schier undurchsichtige Linie. Extremisten nehmen Publikationen als Vorwand, fühlen sich betupft und greifen zu Bomben und Maschinengewehren, um ihre Ansicht über ihre Religion zu verteidigen.

Zum gleichen Lager gehören all die Diktatoren und Armeen, die jegliche Kritik an ihrer Person, ihrem Führungsstil, am Regime, an ihren Verletzungen der Menschenrechte und ihren Unterlassungen unterdrücken. Diese Stimmen werden sofort zum Schweigen gebracht. Wobei ich nun bei Ägypten bin.

Seit El Sisi dem Regime vorsteht, wird freie Meinungsäusserung gezielt und offen bekämpft. Zeitungsartikel werden vor Druck geprüft und bei Missfallen von der Zensur gestoppt. Journalisten, die nicht Sprachrohr des Regimes sein wollen, werden verfolgt und ins Gefängnis gesteckt oder sonst wie „unschädlich“ gemacht.

Wohin führt es, wenn niemand mehr seine Meinung ausdrücken darf? Wenn die Medien gleichgeschaltet sind, wenn Kritik zum Schweigen gebracht wird, wenn Schreiberlinge und Filmemacher nur noch beschönigen und verherrlichen?

Was sind das für Religionen, Herrscher und Diktatoren, die Angst vor Worten und Bildern haben? Haben sie das Recht, das selbständige Denken und die freie Meinungsäusserung einzuschränken und Menschen zu Schafen verkommen zu lassen?

Die Antwort kann jeder für sich selbst finden; man sehe sich nur in der Welt um, die Folgen sind bekannt.

Seit El Sisi an der Macht ist, habe auch ich mit meinem kleinen, unbedeutenden Blog Zurückhaltung geübt, weil ich aus meinem engsten Umfeld gewarnt worden bin. Es fällt mir schwer, mich zurück zu halten. Ich habe versucht, mich momentan nicht über die hiesige Politik zu äussern. Ich bin nicht Charlie, ich habe nicht die Courage dazu. Meine Unversehrtheit ist mir wichtig. Ist das Egoismus? Ist es Vernunft? Wenn ich etwas schreibe, wird es keinen Einfluss auf das Weltgeschehen haben - aber es kann einen Einfluss auf mein Leben haben.

Genau das ist es, was religiöse Fanatiker, Herrscher und Diktatoren wollen. Wer hat den Mut, die Unvernunft, die Unverfrorenheit oder einfach den Gerechtigkeitssinn, DAGEGEN anzustehen? Charlie Hebdos Karikaturisten hatten sie.


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