Donnerstag, April 09, 2015

Ganz normaler Tag

Immer wieder werde ich von Freunden und Bekannten gefragt, was ich denn so mache. Heute war mal wieder so ein richtig typischer Hurghada-Tag und ich erzähle:

Zum Frühstück lese ich die Nachrichten online – andere habe ich ja nicht. Doch heute musste ich zuerst das Guthaben für die Internetverbindung aufladen; dafür habe ich gestern Abend extra noch Kärtchen gekauft. Nach dem Aufladen bekam ich aber noch immer keine Internetverbindung und ich versuchte, den Kundenservice über eine gebührenpflichtige Kurznummer anzurufen und … fand mich nach mehreren Versuchen jeweils in einer arabischen Werbe-Endlos-Schlaufe.

Gleichzeitig nahm der Sandsturm an Intensität zu und die Bohrmaschine im Haus setzte noch einen oben drauf. Der Lärm war Ohren betäubend, die Atmosphäre zum davon Laufen.

Der Tag war wirklich toll gestartet. Ich setzte mich ins Auto, um ins Stadtzentrum zum Mobilfunkanbieter zu fahren. Welch ein Glück, bei dem Sturm nicht am Strassenrand auf einen Bus warten zu müssen! [sic!] Im Mobilfunk-Geschäft wurde mir nach ein paar Klicks auf dem Bildschirm erklärt (wusste sie das nicht sofort?), dass der Provider allgemein nicht funktioniere – nicht nur bei mir. Die Dame würde mich anrufen, wenn Internetverbindungen wieder aufgebaut werden könnten. Schön.

Da ich sowieso grad in der Stimmung für Unannehmlichkeiten, Wartereien und Bürokratie war, fuhr ich zu meiner Bank. Die wollte Unterlagen von mir, um das Dossier über mich auf den neuesten Stand zu bringen. Die Sichtweite auf der Strasse war teilweise wegen den Sandverwehungen stark eingeschränkt und herumwirbelnde Plastiksäcke und Kartone kämpften im Wind. In der Bank dann bekam ich meine Dummheit zu spüren: erstens war es da drin eisig kalt – gefühlte 18 Grad; im Sommer nehme ich meist einen Schal mit, um mich zu schützen, was ich völlig vergessen habe, weil ja noch gar nicht Sommer ist – und es war der letzte Arbeitstag vor einem langen Wochenende (Wochenende, koptische Ostern und das Frühlingsfest). Zerknirscht setzte ich mich zu den Wartenden und tat dasselbe wie sie: warten. Zwischendurch studierte ich die anderen Wartenden und stellte Hypothesen bezüglich Physiognomie und Anteil von Fettleibigkeit der ägyptischen Bevölkerung auf. Sofort verurteilte ich meine Gedanken wieder und versuchte mich anderweitig zu beschäftigen. Da kam ein Araber – damit meine ich einen vom Golf oder einen Saudi – mit Gefolgschaft herein. Der musste nicht warten, sondern durfte schnurstracks an den Schalter und zog kurz darauf mit mehreren Plastiksäcken (voller Geld?) mitsamt seinem Gefolge wieder von dannen.
Also ich wartete weiter in meiner Ecke, die mich aber nicht von der eisigen Klimaanlage verschonte. 

Nach genau 55 Minuten war ich endlich dran. Die Dame vom Kundenservice bat mich aber… was wohl?...  erneut zu warten und verschwand wieder. Nach weiteren fünf Minuten kam ein anderer Banker und bat mich, bei ihm Platz zu nehmen. Der widmete sich meinem Mietvertrag und meiner Quittung für Wasser und Strom; ersterer ist mit vielen Stempelchen und Unterschriften übersät und inzwischen ein imposantes Dokument geworden. Beides sind Beweise, dass ich hier lebe. Das dauerte insgesamt eine weitere Stunde. Danach war ich erlöst und entlassen. Unglaublich!

Was tun? Wasser und Milch kaufen und heimfahren, dann kann ich danach noch etwas arbeiten. Da kam aber ein Anruf meines Bekannten, den ich heute zu einer Besprechung treffen wollte. Er war früher frei als geplant. Also schnell heim, die Milch in den Kühlschrank legen und wieder zurück in die Stadt. In einem Gartencafé am Meer haben wir uns üppig mit Sand berieseln lassen und diskutiert. Auf meiner Haut lag ein Sandfilm… auf unserem Tischchen einiges mehr. Meine Handtasche wischte ich alle paar Minuten ab…. Okay, ja, ich weiss, es ist sinnlos. Der Sandsturm dauert noch bis übermorgen Mittag…

Endlich fuhr ich heim, um meine kleine Schülerin zu unterrichten. Schliesslich kam auch der Anruf aus dem Mobilfunk-Geschäft – einige Stunden verzögert zwar, aber immerhin. Danach in den Arabisch-Unterricht, der ausnahmsweise wieder zwei Stunden dauerte, weil wir über die Politik im Mittleren Osten im Allgemeinen und die Einmischung Ägyptens in Jemen im Speziellen diskutierten. Heimgefahren bin ich dann mit frischer Erdbeermarmelade und einer Einladung für das Frühlingsfest am kommenden Montag.

Um halb Zehn hatte ich den ganzen Sand des Tages abgespült und mir ein kleines Abendbrot gerichtet.

Das war ein sehr typischer Tag: alles kam völlig anders als ich geplant hatte. Ich hoffe, morgen läuft das wieder besser! Also bitte, fragt mich nicht mehr, was ich hier denn so mache - manchmal weiss ich es selber nicht mehr so genau ;).

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