Samstag, April 07, 2018

Rezeptionist: Blick hinter die Kulisse


Sein Lachen entblösst eine Reihe tadelloser Zähne, die noch nicht vom Teekonsum verfärbt sind. Er sieht gut aus, der junge Mann. Intelligent ist er auch. Abdo wirkt wie die junge Nachwuchsvariante des erfolgreichen Managers, der auch zu mir kommt und schon recht gut Deutsch spricht.

Abdo hat Ägyptologie studiert und arbeitet als Rezeptionist. Zuerst war er in einem dieser Durchschnittshotel in der Sheratonstrasse angestellt. Dort war er schon Supervisor. Eines Morgens erzählte er mir begeistert und voller stolz, dass er nun in einem Tophotel in einem Resort 25 km von Hurghada arbeitet.

Die Begeisterung hielt nicht lange an. Im Unterricht verknüpfen wir Grammatik und Wortschatz mit seiner Welt. Es ist eine Welt, die der Tourist meist nicht sehen kann. Soll er auch nicht, schliesslich hat er für den Traum einer heilen Welt im piekfeinen Hotel an der weiten Bucht viel bezahlt. Dafür hat er hart gearbeitet und ist von weither gekommen.

Oft kommt der Rezeptionist völlig übermüdet von der Nachtschicht zu mir oder geht nach
einer kurzen Nacht zur Arbeit. Die Schichten dauern 12 bis 16 Stunden täglich. Er darf eine Pause von 30 Minuten machen, doch dafür hat er oft keine Zeit: zu viel Arbeit, zu viel Stress. Und dabei immer freundlich sein, aufmerksam und konzentriert. Nicht die Fassung verlieren, auch wenn sie der Gast längst verloren oder gar nie mitgebracht hat. Der Transfer vom Hotel zur Unterkunft in der Stadt dauert jedesmal eine Stunde. Nein, die Unterkunft befindet sich nicht in der Nähe des Hotels. Viel Zeit zum Schlafen bleibt nicht. Darauf verzichtet er manchmal zugunsten von Fussball. Fussball oder schlafen.

Während wir Tagesabläufe üben, erzählt er mir, was er am liebsten zum Frühstück isst: Croissant. Dazu trinkt er Kaffee. Aber nicht im Hotel. Dort gibt es für die Angestellten nur das typische ägyptische Frühstück mit Foul (gekochte Bohnen), Käse und Brot. Kein Croissant, keine Früchte und auch sonst keine Abwechslung. Als ich das höre, verschlucke ich mich beinahe. Foul im Fünfsternehotel? Ja, so ist das.

Der Leitsatz „Unsere Mitarbeiter sind unser Kapital“ gilt hier, auf dieser Seite der Welt, nicht. Hier gilt „Wenn es dir nicht passt, kannst du ja gehen“ – Tausend andere warten begierig darauf, den einen Job zu ergattern.

Abdo wird seinen Weg gehen: er ist zäh, anpassungsfähig, zielorientiert und kann sich trotz Müdigkeit gut konzentrieren. Das braucht es hier, um weiterzukommen.


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