Samstag, Oktober 07, 2023

Ich hab’s getan – eine Wohnung gekauft (Fortsetzung IX)

Ihr kennt sicher alle den Film „Der Pate“, oder? Genialer Al Pacino, rauchende Mafiosi, Nahaufnahmen von Charakteren, Waffen, viel Emotionen und ziemlich blutig. Ich war heute in einer Szene dabei, in einer unblutigen, aber nicht weniger aufreibenden.

Unser Termin ist um 21 Uhr und dauert genau eine Stunde. Der Mann hinter dem Schreibtisch ist kräftig gebaut, trägt ein hellblau gestreiftes Jackett, im Revers steckt ein sorgfältig gefaltetes rotes Einstecktuch. Dicke Manschettenknöpfe prangen an den weissen Manschetten, die pompös aus den Jackettärmeln ragen.

Er raucht. Seine Haare hat er mit ganz, ganz viel Pomade nach hinten festgeklebt. Er weiss sich zu präsentieren.

Mein Typ ist er nicht.

Unsere erste Frage, noch bevor wir ihm unser Anliegen erklären, das haben wir so vereinbart, lautet: „Können Sie uns gegen eine prominente Persönlichkeit verteidigen? Drei Anwälte haben bisher schon das Weite gesucht. Sie hatten Angst, wurden eingeschüchtert oder bestochen.“

Die Figur hinter dem Schreibtisch rückt sich in ihrem überdimensionierten Sessel selbstbewusst zurecht und antwortet mit fester Stimme: „Kein Problem, ich kann das. Ich bin nicht so jung, wie ich aussehe, und ich bin in der Hierarchie des Gerichtes ganz oben.“ Sein rechter Arm streckt sich dabei zur Decke. Und fügt hinzu, dass er gegen eine sehr bekannte Person, die ich aus Diskretionsgründen nicht nennen möchte, persönlich einen Prozess führe.

Niemand stehe über dem Gesetz, auch nicht in diesem Land.

Gut. Wir präsentieren unser Anliegen. Worum es da genau geht, darauf komme ich in den nächsten Tagen zurück, denn ich bin erschöpft, übermüdet und jetzt erleichtert und überdreht. Eine schreckliche Woche liegt hinter mir, hinter uns, mit Polizei und so, mit wenig und schlechtem Schlaf, Diskussionen, viel Warten, Bangen, Überlegen und Suchen. Manchmal verliess uns der Mut, dann haben wir uns gegenseitig wieder aufgemuntert und gesagt: „Wir geben nicht auf!“

Mein Nachbar fragt unser Gegenüber, ob er denn auch über eine Waffe verfüge. „Natürlich“, meint er, öffnet die Schublade und zieht eine grosskalibrige Pistole heraus. Was sie koste? Ob er auch Munition habe? Mein Nachbar würde sie ihm am liebsten abkaufen, gegen sein Motorrad eintauschen.

Um Selbstjustiz zu üben. Geht nicht. Wir sind halt doch nicht ganz im Film „Der Pate“ mit Al Pacino. Aber weit entfernt sind wir ehrlich gesagt, auch nicht.

Wir lassen uns erklären, welche Schritte wir einleiten müssen, um zu unserem Recht zu kommen. Es werde zwei Klagen geben: Eine Strafanzeige und eine Zivilklage. Das Eine ist ganz klar ein krimineller Akt, deshalb haben wir ja die Polizei gerufen. Wenn es da zu einem Schuldurteil komme, wenn der Beklagte nur eine Stunde ins Gefängnis müsse, dann stehe uns auch Schadenersatz zu.

Mit welchen Kosten wir rechnen müssten, möchte ich wissen. Einfach ungefähr, so zur Information, und auch, um unsere anderen Nachbarn zu orientieren.

Da holt der Anwalt aus: „Nur aufgrund einer Anzeige handelt der Staatsanwalt nicht. Er wird die Strafanzeige prüfen. Aber einen Entscheid wird er nicht einfach so fällen. Dazu braucht es Unterstützung. Viel Unterstützung. Schaut nur mal die Sekretärinnen am Gericht an, die fahren alle dicke Wagen!“ Und er nennt uns eine Summe, die wir, um endlich zu unserem Recht zu kommen, noch so gerne locker machen.

Mein Typ ist er wirklich nicht. Aber das ist unser Mann, unser Anwalt. Er wurde mir von einem Bekannten empfohlen, einem ägyptischen Geschäftsmann, der ein bisschen besser weiss, wie der Laden hier läuft.

Wir einigen uns darauf, ihn zu bevollmächtigen, unsere Nachbarn zu orientieren, damit sie ihn ebenfalls bevollmächtigen können, wenn sie denn einverstanden sind. Morgen und übermorgen oder am Montag. Hauptsache, wir beginnen damit.

Ich erlaube mir nachzuhaken: Um zum Recht zu kommen, braucht es spezielle Mittel? Die Antwort war ein eindeutiges „Ja.“

Als wir wieder vor dem Gebäude auf der Strasse stehen, schreie ich vor Erleichterung in die Nacht hinaus. Es ist mir egal, was die Leute rund um mich denken, ich schreie und später im Auto bei der Heimfahrt und sogar daheim. Jetzt ist Mitternacht und ich könnte vor Erleichterung noch weiter schreien. Heute Nacht werde ich sicher endlich mal wieder tief und erholsam schlafen.

Und hoffentlich nicht von Pistolen und so träumen…


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