Zehn Minuten per Motorboot und da liegt sie endlich vor mir:
die „Pflanzeninsel“ -
*Lord Horatio Kitchner (1850-1916) erhielt 1890 die Insel
als Dank für seine Dienste für Ägypten während der britischen Kolonialzeit. Er
war General-Gouverneur und regierte faktisch Ägypten. Als Pflanzenfreund hat er
Pflanzen aus exotischen Ländern importiert und die Insel in einen Botanischen
Garten verwandelt.
Erfahrungen, Erlebtes, Gedanken und Eindrücke aus meinem Alltag in Hurghada. Und anderes.
Freitag, Mai 11, 2012
Freitag, Mai 04, 2012
Assuan im Frühling 2012
Ich sass auf einem Betonbänkchen und ass ein Hawauschi (eine Art Pfannkuchen, gefüllt mit gut gewürztem Hackfleisch). Ein
Ladenbesitzer schimpfte einen Jungen, der etwas auf den Boden geworfen hatte.
Er forderte den Jungen auf, den Abfall aufzuheben. Tatsächlich: alles war
sauber. Kein Papier, keine Zigarettenkippen, keine Plastikflaschen.
Das war im Januar 2011 im Souk. Knapp drei Wochen vor dem
Ausbruch der berühmten Revolution am 25. Januar 2011.
“Assuan, ia
gamila, hassal eh?“ Assuan, du Schöne, was ist aus dir geworden?
16 Monate später sieht Assuan aus, wie jeder Ort in Ägypten.
Ihr Attribut als sauberste Stadt Ägyptens hat sie verloren. Im Souk wurden
Pflastersteine entfernt und nicht wieder ersetzt, Löcher nicht wieder
zugemacht, Abfall liegt achtlos herum. Viele Geschäfte sind zu. Der fingerdicke
Staub vom vortägigen Sturm lässt alles noch trostloser aussehen. Vorgestern
demonstrierten die Bazaar-Inhaber und –Angestellte: die Reiseführer bringen die
Touristen lieber in die grossen Souvenirgeschäfte Richtung Flughafen, weil sie
dort mehr Kommission bekommen.
Die riesigen Kreuzfahrtschiffe liegen gespenstisch dunkel am
Ufer vor Anker. Kutscher warten vergeblich auf Gäste. Eine Handvoll Feluken
fährt über den Nil. Mein Hotel in einem prachtvollen Garten ist praktisch leer
– 15 Gäste sind da. Kaum ein Tourist verirrt sich nach Assuan. Tristesse pur.
Dabei lockt die Landschaft noch immer grosszügig mit ihren
Reizen, ist ihre Lage ein Juwel. Sehenswürdigkeiten werden nicht herdenweise
belagert, sondern können in Ruhe und Stille bestaunt werden. Goldgelbe Hügel, blau
schimmernder Nil und grüne Inseln bilden eine uralte Einheit, vermitteln Ruhe
und Gelassenheit. Unablässig, zuverlässig, den Verlauf der Ereignisse
ignorierend. Schicksalsergeben, wie sein Volk?
Assuan, du Schöne, was ist aus dir geworden? Ägypten, mit
deiner tausendjährigen Geschichte, wie tief fällst du noch?
Donnerstag, Mai 03, 2012
Abtauchen – Eintauchen
Hurghada - Luxor
Ich fahre nach Assuan. In die Stadt, in die ich mich
verliebte, die als die sauberste in Ägypten galt.
Vier Stunden im Bus bis Luxor. Sandsturm im Gebirge, in der Wüste. Sicht 200 m.
Erleichterung in Luxor.
Nur für einen Moment.
Schon im Buseingang drängen sich Taxifahrer „Taxi Madam?“. Einen Schritt weiter erdrücken mich fast Hitze und Sturm.
Kämpfe mich durch Taxifahrer zum Kofferraum, erbeute mein Gepäck und schiebe mich durch „Taxi Madam?“-Männer zum Bahnhof hin.
150 Meter nur. Wie Fliegen kleben sie an mir, wie von einem Magnet angezogen stürzen sie aus Hauseingängen, hüpfen wie Sprungfedern von Stühlen und Treppen hoch, zwischen Autos und Kutschen hervor. „Taxi Madam?“
Vier Stunden im Bus bis Luxor. Sandsturm im Gebirge, in der Wüste. Sicht 200 m.
Erleichterung in Luxor.
Nur für einen Moment.
Schon im Buseingang drängen sich Taxifahrer „Taxi Madam?“. Einen Schritt weiter erdrücken mich fast Hitze und Sturm.
Kämpfe mich durch Taxifahrer zum Kofferraum, erbeute mein Gepäck und schiebe mich durch „Taxi Madam?“-Männer zum Bahnhof hin.
150 Meter nur. Wie Fliegen kleben sie an mir, wie von einem Magnet angezogen stürzen sie aus Hauseingängen, hüpfen wie Sprungfedern von Stühlen und Treppen hoch, zwischen Autos und Kutschen hervor. „Taxi Madam?“
In der Bahnhofshalle ist es kühl. „Where do you go?“-Rufe
ignorierend gehe ich zielstrebig zur Gepäckaufbewahrung. Der Bahnsteig quillt
über von Wartenden, dränge mich auch hier hindurch. Zwei Pfund fünfzig zahle
ich, damit mein Koffer in einem siebzigjährigen Holzkästchen ruhen darf. Auf
dem Weg zurück zum Ausgang höre ich noch mehrmals, wann der Zug nach Assuan
fährt, bzw. fahren soll, verbunden mit der Hoffnung auf ein Bakschisch für
diese ach so hilfreiche, ungebetene Auskunft. Auf dem Bahnhofplatz und beim
Überqueren der Strasse bin ich erneut der Magnet für Zimmervermieter, Taxi- und
Limousinenfahrer, Ausflugsanbieter und Kutscher. Wer nicht will, wird bestraft:
„f* you!“ darf ich hören.
Donnerstag, April 26, 2012
Schlag auf Schlag: noch eine Ohrfeige
Um zu verhindern, dass Vertreter des alten Regimes zum
nächsten Präsidenten Ägyptens erwählt werden könnten, hat das (islamistisch
dominierte) Parlament ein Gesetz zum Ausschluss des aktiven Wahlrechts für jene
Personen eingereicht. Dies wurde vom Obersten Militärrat rechtzeitig genehmigt
und publiziert.
Ahmed Shafiq – Mubarak’s letzter Vize nach dessen Abtritt,
langjähriger Minister und Ex-Luftwaffenchef - war aus dem Rennen.
Aufgeben galt für ihn nicht und er hat gestern Einspruch gegen
diesen Erlass erhoben. Und siehe da: Der Oberste Gerichtshof hat den Einspruch heute
gutgeheissen und somit darf Shafiq kandidieren! Begründet wurde der Entscheid
des Obersten Gerichtshof nicht – es wird gemunkelt, es wollte weitere Einsprachen
und damit eine Verzögerung der Wahlen verhindern.
Was für ein Witz!
Nachdem Omar Suleiman aus dem Rennen flog, hat das Militär
wieder „seinen“ Mann. Jahrzehntelange Militärerfahrung, regimetreu und kein
Islamist. Die Islamisten werden sich grün und blau ärgern. Sie schaffen es
nicht mal, sich auf die Unterstützung eines einzigen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten
zu einigen. Ihr eigener „Ersatz“-Kandidat Mohamed Mursi hat wenig Chancen. Und
jener, der Sympathien der Islamisten, der Liberalen und der Regimetreuen auf
sich vereinigen könnte – Abu El Fatuh, ex Muslimbruder – wird diese nun an
Shafiq verlieren. Ähnlich wird es Amr Moussa ergehen.
Im Übrigen scheint aufgrund des heutigen Entscheids des
Obersten Gerichtshofs die Verfassungsmässigkeit der Wahlen in Frage gestellt…
Ich bin gespannt, was (nicht ob!) sich die Islamisten
jetzt noch einfallen lassen werden?
Samstag, April 21, 2012
Khamasin – Sandsturm
Vor einigen Tagen fegte ein fürchterlicher Sandsturm über
Ägypten. Am Montag im Delta und über Cairo hinweg, am Mittwochabend erreichte
er Hurghada. Ich musste spät abends aus dem Haus und wurde vom Sturm fast davon
getragen. Meinen Kopf schützte ich mit einigen Büchern.
Der Khamasin („fünfzig“) fegt normalerweise im März oder
April um die Zeit der Koptischen Ostern (was letztes Wochenende war) über Nordafrika
und die Levante. Der Name „fünfzig“ kommt daher, dass dieser heisse Wind
innerhalb von 50 Tagen ab Frühlingsanfang während drei bis vier Tagen tobt. Das
hat heuer perfekt gepasst. Nach dem Khamasin regnet es an der Mittelmeerküste und
im Delta und damit wird wieder alles „reingewaschen“. Hier im Süden natürlich
nicht – der Staub bleibt da, wo er sich abgelegt hat. Ist der Sturm vorüber, kommt
der Sommer.
Die Sichtweite betrug am Mittwoch und Donnerstag höchstens
200 m und draussen war es äusserst ungemütlich, ja sogar gefährlich. Der feine,
rötliche Staub lässt auch das Atmen schwer werden und Asthmatiker leiden
besonders. In Gebäude und Wohnungen dringt der Staub durch feinste Risse und
bedeckt alles mit einer feinen Schicht. Man möchte abstauben und putzen – doch das
ist völlig sinnlos: zehn Minuten später ist wieder alles verstaubt. Der Boden
muss also rutschig bleiben, die Wäsche ungewaschen, Möbel und
Einrichtungsgegenstände verzuckert J. Einfach warten…
Der Wind bläst heute immer noch in Sturmstärke, aber seit
gestern Morgen ist der Himmel wieder hellblau, das tiefblaue Meer und die goldgelben
Inseln draussen und die dunklen Berge in der Wüste zeichnen sich wieder deutlich
vor dem Horizont ab.
Am Mittwochabend hatte ich Glück: ein Taxifahrer sah mich aus
einer Seitenstrasse kommend gegen den Wind kämpfen und wartete auf der
Hauptstrasse auf mich. Er kannte mich: er hatte mich eineinhalb Stunden vorher
in der Seitenstrasse abgesetzt.
Donnerstag, April 12, 2012
Seuchen im Land der Pharaonen
Ägypten leidet unter allen möglichen Seuchen. Eine davon ist
die Vogelgrippe, die auch dieses Jahr wieder Todesopfer gefordert hat. Vor
ungefähr zwei Monaten ist die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen und hat
inzwischen über 13‘000 Stück Vieh (nach offiziellen Angaben) dahingerafft.
Besonders schlimm trifft dies die ärmeren Bauern, die damit ihr Hab und Gut und
ihre Einnahmequelle verlieren. Eine Entschädigung wurde versprochen – doch ob
sie je die Betroffenen erreicht???
Wer gesehen hat, wie die (armen) Menschen hier leben, mag
sich ausmalen können, welche Hygienezustände bei Gefieder und Vieh herrscht.
Beschreibbar ist das nicht mehr. Mir graut schon, wenn ich an den Fleischhauern
vorbeilaufen muss, bei denen das blutige Fleisch mitsamt dem Schwanz des Viehs
herunterhängt… Als die Vogelgrippe vorletztes Jahr ihren Höchststand erreicht
hatte, war es verboten, Lebendgeflügel zu verkaufen. Vor einem Jahr tauchten eben
diese Verkaufsstände wieder da und dort auf und jetzt gehört das Bild wieder
zum Alltag.
Sonntag, April 08, 2012
Noch eine Ohrfeige
Doch, ich bin noch da. Die Lebensmittelvergiftung im Februar
hat mir ziemlich zugesetzt und meine Energie in Nichts aufgelöst. Die
Ereignisse in Ägypten überschlagen sich zudem innert kürzester Zeit, dass ich
fast nicht mehr mitkomme, klare Gedanken zu fassen.
Die neueste Ohrfeige an die Ägypter und ihre Revolution
(dieser Ausdruck passt gar nicht mehr) ist, dass Mubaraks ehemaliger
Vizepräsident und Geheimdienstchef Omar Suleiman ins Präsidentenrennen
eingestiegen ist. Der Mann ist verantwortlich für grausamste Folter und deren
tödliche Folgen, wird aber weder angeklagt, noch disqualifiziert. Warum? Weil
er vom Armeerat getragen wird. Wer weiss, vielleicht sogar von den USA…
Neben dem Ex-Spitzelchef werden beinahe im Stundentakt
Kandidaten aufgestellt und wegen mysteriösen Umständen vom zuständigen Gericht
disqualifiziert. Der Kandidat der Salafisten (den Ultrakonservativen – ein besonders
„religiöser“) ist rausgeflogen, weil seine Mutter angeblich einen
amerikanischen Pass besass (Präsident kann nur werden, der weder Eltern noch
einen Partner mit ausländischer Staatsbürgerschaft hat). Dass der Typ gelogen
hat, wollen seine Anhänger partout nicht wahrhaben, sondern wittern dahinter
ein Komplott der USA. El Baradei, der im Westen Bekannteste, hat selber
aufgegeben. Ayman Nour (ein Liberaler) wurde vor wenigen Tagen aus dem
Gefängnis entlassen und vom Armeerat begnadigt, heute aber ebenfalls
disqualifiziert mit der Begründung, er müsse seine Anklage noch anfechten. Die
Muslimbrüder haben bereits vorgebeugt: nachdem sie während eines Jahres stets
versichert hatten, sie würden keinen Präsidentschaftskandidaten aufstellen, kürten
sie vor wenigen Tagen ihren (ebenfalls vom Armeerat aus dem Gefängnis entlassenen
und begnadeten) Finanzchef. Blankes Entsetzen war die Reaktion quer durch alle
Parteien und Volksschichten und Wut über die Erkenntnis, dass auch die
Muslimbrüder lügen. Gestern doppelten sie nach: für den Fall, dass ihr Kandidat
Khairat El-Shater ebenfalls disqualifiziert werden sollte, stellten sie grad
noch einen zweiten Kandidaten auf. Dabei haben sie vor Monaten einen ihrer
Führungsleute aus ihrer Organisation ausgeschlossen, eben weil er als
Präsident kandidiert. Amr Moussa, dem ehemaligen Chef der Arabischen Liga wird
unterstellt, seine Familie hätte familiäre Bande nach Israel… (sic!)
Alles klar? Nein?
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