Montag, November 14, 2016

Nach der Währungsabwertung – jeder für sich

In den letzten Wochen wurden teurer: Zigaretten und Alkohol, Strom, Zucker, Treibstoffe und folglich Transportmittel. Es wurde die Mehrwertsteuer eingeführt, Zölle auf Importprodukte angehoben und das ägyptische Pfund den Marktkräften überlassen. Lebenswichtige Produkte sind vom Markt verschwunden bzw. werden teurer. Alles wird teurer.

Ein Freund sagte zu mir: „Wenn ich meine schlafenden Kinder ansehe, muss ich weinen. Wie lange noch werde ich genügend zu essen für sie haben? Wie lange noch kann ich Essen und Kleidung für sie kaufen? Ich hab Angst vor dem, was noch kommt!“

Eine alleinerziehende Frau in den Fünfzigern mit sehr bescheidenem Einkommen blickt mich mit wässrigen Augen an und meint: „Ich weiss nicht mehr wie weiter. Ich habe grosse Angst.“ Mitte Monat leiht sie sich schon Geld aus, das sie dann nach dem Lohnerhalt zurückzahlt… eine ausweglose Spirale.

Die Betreiberin von Tauchboot jammert: „Wir sind informiert worden, dass wir für die Serviceleistungen im Hafen XY in Dollar bezahlen sollen. Woher sollen wir die nehmen? Der Dollar ist sehr teuer für uns!“

Der Hotelmanager überlegt: „Auslandreisen werden für uns jetzt sehr teuer.“

So ist das. Jeder schaut und denkt nur an sich. Dass da draussen Menschen leben, die nicht mal ein Dach über dem Kopf haben, die im Abfall nach Essbarem suchen und dass die Mittelschicht in die Armut abrutscht… daran denken die Reicheren nicht.


Mittwoch, November 09, 2016

Tipp für Unterkunft in Kairo

Wer eine günstige, saubere Unterkunft in sicherer und vorallem ruhiger Umgebung sucht, dem kann ich von ganzem Herzen die Gästezimmer bei Martine in Zamalek empfehlen. Martine ist Französin, ihre Wohnung mit den vier Gästezimmern ist liebevoll im orientalischen Stil eingerichtet.

Die Wohnung liegt in einem ruhigen Quartier, das von Konsulaten umzingelt ist. Ins Stadtzentrum ist es ein Katzensprung - ausserhalb der Rushhour.

Im Herzen des islamischen Kairo (Teil 1)

Gehört und gelesen hab ich schon so viel darüber. Und wunderbare Bilder gesehen. Kairo war zur Zeit der Fatimiden Hochblüte des Handels zwischen Asien, Europa und Afrika. Die Fatimiden bauten nördlich des damaligen Stadtzentrums eine neue Stadt mit dicken Stadtmauern; Ein Teil davon sowie drei Stadttore stehen noch. Die Gasse, die vom nördlichen Stadttor Bab El Fatuh nach Süden zur Bab El Zuweila führt, heisst El Muaz El Din, später dann El Motaz El Din. Dieser alte islamische Teil wird von Ost nach West von der fürchterlich verstopften und verpesteten Al Azhar Strasse auseinandergeschnitten. Zwischen den Fahrbahnen wurde ein mannhohes Gitter verbaut, damit keine Fussgänger über die gefährliche Strasse eilen können. In der Gegend befindet sich auch der weltberühmte Khan El Khalili Bazaar und die Hussein Moschee. Beide gehören neben den Pyramiden und dem ägyptischen Museum zu den wichtigsten Stationen für den Kairo-Besucher.

Der nördliche Teil von Bab El Fatuh bis zur Al Azhar Strasse wurde während den letzten Jahren sorgfältig renoviert. Es wimmelt hier auf allerengstem Raum von hunderten von historischen Häusern, Palästen, Mausoleen, Moscheen, Schreinen, Madrassen, Gedenkstätten und Zisternen. 

Dahin wollte ich!


Mein Weg auf einen Blick

Zurückversetzt in 1001 Nacht
Ich hab mich per Taxi in die Nähe des nördlichen Stadttors mit dem Namen Bab Al Fatuh bringen lassen. In die Nähe nur, weil der Taxifahrer nicht so genau wusste, wie hinfahren und Passanten fragen musste. Keine Geduld mehr, lief ich auf eigene Faust los… und stehe schon bald vor den Stadtmauern aus dem 11. Jahrhundert. Ausserhalb der Stadtmauer brummt so früh am Morgen der Verkehr noch gemächlich. Die Häuser auf der anderen Strassenseite verfallen: mit kunstvollen Holzarbeiten - den Maschrabeyas - vergitterte Fenster und Balkone, und islamische Ornamente sind Überbleibsel aus besseren Zeiten.

in der Nähe der Stadtmauer

in der Nähe der Stadtmauer
am Bab El Fatuh mit Minarett der Al Hakim-Moschee
Neugierig gucken mich die jungen Leute auf der Strasse an: eine Europäerin? Ohne Reiseleiter? Wie rar! Ältere Männer lächeln mich freundlich an – ihr Lächeln heisst „Willkommen!“. Manch einer fragt mich, wohin ich wolle, ob ich mich verlaufen hätte, ob sie mir helfen können… überall Freundlichkeit.

Freitag, November 04, 2016

Demo gegen den Gouverneur

Heute, nach dem Freitagsgebet, gab es eine kleine Demonstration gegen den Gouverneur. Nicht wegen der Abwertung des ägyptischen Pfundes. Nicht wegen der Einführung der Mehrwertsteuer. Und auch nicht wegen den Preiserhöhnungen.

Nein. Die Menschen verlangen, dass er verschwindet. Sie sind wütend, weil er nichts unternommen hat, die Bewohner von Ras Ghareeb vor den Folgen des Unwetters vergangene Woche zu schützen.
Bisher gab es nur wütende Kommentare auf Facebook und in Gesprächen. Doch nun hat sich eine Gruppe von Männern damit auf die Strasse gewagt. Mutig, glaub ich. Auf eine unbewilligte Demonstration steht Gefängnis oder Anklage vor dem Militärgericht. Die schwarze Polizei war sofort da, hat das Treiben beobachtet.

Immer wieder höre ich von Freunden und Bekannten „der schlimmste Gouverneur, den wir je hatten“. Er war damals Gouverneur in Port Said, als die Fussballfans im Stadion ermordet wurden. Die Strassen in Hurghada sind alle kaputt, voller Gräben und Löcher. Kies und Sand von den Überschwemmungen vor einer Woche liegen noch immer auf den Hauptstrassen. Abfall liegt überall, wird an den Ausfallstrassen am helllichten Tag deponiert; trotz Meldung an die zuständigen Behörden passiert nichts. Und das in einem der wichtigsten Touristenorte Ägyptens!

Der Gouverneur wird nicht gewählt. Er braucht auch keine Qualifikationen zu haben. Der von Hurghada kann nicht mal Englisch. Nur Beziehungen. Er erhält den Posten vom Präsidenten „geschenkt“ – und nützt ihn (den Posten) aus, um sich zu bereichern.

Mein Student dachte heute laut, bevor er ging „ob sie (die Bewohner hier) den Gouverneur wohl behalten“ - da wussten wir noch nichts von der Demo. Er wird wohl direkte Beziehungen zum Präsidenten haben, drum ist er noch da, meinte ich. Seine Antwort: „Er selber nicht, aber der Bruder seiner Frau sitzt in (dem und dem) Gremium…“.

Behaupte noch einer, der jetzige Präsident kämpfe gegen Korruption. Blablabla...


Donnerstag, November 03, 2016

Um Mitternacht: Treibstoffpreiserhöhung

Und der nächste Schlag folgt ab Mitternacht: Treibstoffe kosten morgen zwischen 34 und 50% mehr.

Oh-oh... jetzt wird's aber heikel. Die Regierung macht Ernst mit dem Abbau der sinnlosen Subventionen, die das Budget über Jahrzehnte überstrapaziert haben.

Die Preisspirale dreht rasant nach oben. Das wird nicht jeder verkraften. Wie werden die Menschen hier reagieren?

Achterbahn auf dem Währungsschwarzmarkt (2)

Also nun ist es heraus: die Zentralbank lässt das ägyptische Pfund floaten. Offiziell ist die Währung von gestern auf heute um 48% abgewertet worden. Heute Morgen wurde es auf 13-14 Pfund für einen Dollar festgelegt, mit einer Bandbreite von 10% plus/minus. 

Um 13 Uhr fand eine Auktion statt, wonach das ägyptische Pfund ganz Angebot und Nachfrage der Märkte überlassen wird. Leider funktioniert der Link zur Pressemeldung der Zentralbank nicht.

Am Schwarzmarkt geht momentan nichts mehr. Die Leute tauschen ihre Währungen nach vielen Monaten wieder bei den Banken. Ob die nur kaufen oder auch Fremdwährungen verkaufen, hab ich noch nicht mitgekriegt.

All jene, die in ägyptischen Pfund bezahlt werden, sehen nun ihren Lohn halbiert. Die Inflation hat den Wertverlust zwar schon teilweise vorweggenommen. Aber so rasch hört das nicht auf.

Spannend, was nun als nächstes kommt. Begleitmassnahmen: Zinsern wurden erhöht, China wird engerer Handelspartner, Subventionen werden abgeschafft, der IMF-Kredit wartet.

Und die Armen??? Und die Mittelschicht, die sich nicht mehr halten kann???


Mittwoch, November 02, 2016

Achterbahn auf dem Währungsschwarzmarkt

Jetzt geht es runter. Dollars und Euros, die bis gestern noch zweieinhalbmal so teuer gekauft wurden als von der Zentralbank vorgeschrieben, haben heute plus/minus einen Drittel an Wert verloren. Oder anders ausgedrückt: das ägyptische Pfund ist wieder wertvoller geworden. Über Nacht, quasi! Vor einem Monat tauschte ich Euro zu 14.55, gestern lag er zwischen 18 und 19 ägyptischen Pfund – heute liegt er bei 13 oder noch tiefer.

In den letzten Monaten mussten Geschäftsleute wie Private auf den Schwarzmarkt ausweichen, weil die Banken keine Fremdwährungen mehr verkaufen durften. Bald darauf wurden auch Tausende von Wechselstuben geschlossen. Der Markt ist flexibel – man wusste sich zu helfen, gehandelt wird via Facebook und Telefon, man gibt Kontakte weiter, hilft sich gegenseitig.

Nun sitzen die Geldhändler auf teuren Fremdwährungen. Heute zumindest geht nichts mehr, niemand kauft, alle warten ab.

Was ist passiert? Offenbar hat die Regierung beschlossen, weitere Importe zu beschränken und den Warenhandel in US Dollars zu stoppen (gemäss Onlinezeitung). Ein Freund erzählte mir, Importe dürften nicht mehr in Fremdwährungen bezahlt werden.

Das wäre ein cleverer Schachzug, um die schwindenden Devisenreserven zu schützen, das Horten nutzlos zu machen und die fortschreitende Inflation aufzuhalten. Doch, welcher ausländische Exporteur will in ägyptischen Pfund bezahlt werden? Sie müssten diese ja wieder in Ägypten investieren… Es fehlen jetzt schon Güter, die dringend im Land benötigt werden: Ersatzteile, Halbfertig- und Fertigprodukte, Lebensmittel. Die fehlgeleitete Wirtschaftspolitik mehrerer Jahrzehnte (Import/Export statt lokale Produktion) rächt sich jetzt bitter.

Ich sollte auch Geld wechseln, möchte meine Miete bezahlen. Luft holen, Geduld haben, abwarten, was da noch alles kommt…