Montag, November 21, 2011

Weg von Ägypten

Gestern hatte ich einen neuen „Studenten“ (so nenne ich meine erwachsenen Kunden, die bei mir eine Sprache erlernen wollen). Ich kannte ihn von früher, er war einerseits mein Nachbar und andererseits schon einmal wegen Deutsch bei mir. Doch nun will er Französisch lernen.

Ausgerechnet Französisch? Er murmelte etwas von neuen Möglichkeiten, von veränderter Situation. Doch rasch wurde mir klar: er will wohl auch weg von Ägypten. Als er dann bei mir war, sagte er klipp und klar: ich will nach Québec, Kanada.

Ägypten biete keine Zukunft mehr. Was solle er noch in diesem Land? In den letzten Monaten habe sich alles nur noch verschlimmert. Seine Frau lerne nun in Ismailia Französisch und er hier bei mir. Er habe Verwandte in Québec, es sei ein gutes Land, biete gute  Möglichkeiten.

Er ist nicht der Erste und sicher nicht der Letzte aus meinem Bekanntenkreis. Ein anderer hat eine Schweizerin geheiratet, lernt eifrig Deutsch. Sein Ziel: Deutschland oder die Schweiz.

Ein weiterer Freund ist Libanesischer Abstammung – wo Christen auch verfolgt werden – und plant ebenfalls, nach Kanada auszuwandern. Seine Worte werde ich wohl nicht wieder vergessen: ich geh besser, bevor sie mich noch umbringen.

Die Jungen, gut Ausgebildeten versuchen, das Land auf legale Weise zu verlassen. Und dann gibt es noch jene, die es auf illegale Weise versuchen. Doch: was machen all die anderen, die nicht weg können? Jene, die zu alt sind, keine Fremdsprachen sprechen, Verpflichtungen haben oder es sich schlicht nicht leisten können?

Ägypter lieben ihr Land. Typisch südländisch, ist die Bindung an ihr Land und an ihre Familien enger als es wir Westeuropäer vielleicht empfinden. Wie ausweglos müssen sie sich denn fühlen, um all das hinter sich zu lassen.


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