Manchmal glaube ich, ich werde wahnsinnig! Kleine Dinge, die
zum Alltag gehören, werden in Ägypten zu riesigen, oft unlösbaren Problemen.
Deshalb lasse ich manche Dinge einfach sein, wie sie sind: ein Schalter ist
kaputt, der Verputz blättert ab, nur zwei der vier Herdplatten funktionieren
und so weiter. Am besten ist es: nicht berühren, Niemanden zur Reparatur kommen
lassen, solange etwas noch halbwegs funktioniert.
Manchmal muss ich aber eine Lösung suchen und wie das hier
so abläuft, erzähle ich heute.
Moskitotüre
Alle Balkontüren sind mit schiebbaren Moskitotüren ausgestattet.
Das Moskitonetz an der Küchentüre hatte schon Löcher, als ich einzog. Macht
nichts, ich habe einen ausrangierten Stoffsocken darüber genäht – der hatte
genau die Form des Lochs! Das sah zwar nicht schön aus, aber es hielt die
Stechmücken davon ab, hereinzuschlüpfen. Im Laufe des Sommers konnte ich die
Türe nicht mehr aufschieben, d.h., die Rädchen blockierten. Öl nützte nichts;
ich brauchte einen Handwerker, der die auswechseln kann. Ich wandte mich an
den Verwalter der Anlage und er versprach, jemanden zu schicken, das werde aber
einige Zeit dauern. Ich stellte mich darauf ein und trug Wäsche, Frühstück,
Laptop und alles andere durchs Wohnzimmer hinaus auf den Balkon.
Nach zwei Wochen erhielt ich Bescheid, dass heute der „Techniker“
da sei und zu mir kommen werde. Der kam, sah und versprach, in vier Tagen
einen Handwerker zu schicken. Die vier Tage verstrichen und noch weitere 10
Tage obendrein. Ich wandte mich wieder an unseren Verwalter, der wiederum mit
dem „Techniker“ sprach. Es komme jemand um 11 Uhr. Bis um 15 Uhr tauchte niemand
auf und ich musste aus dem Haus. Vereinbarungsgemäss übergab ich die
Moskitotüre dem Sicherheitsmann am Gate, damit die Leute die Türe in meiner
Abwesenheit reparieren könnten. Als ich am Abend zurückkam, war das Moskitonetz
ausgewechselt (wie schön!), ich stellte die Türe wieder auf die Schiene – doch sie
liess sich noch immer nicht schieben. Die Handwerker hatten nur halbe Arbeit
geleistet.
Einmal mehr ging ich zum Verwalter ins Büro und er rief den „Techniker“
erneut an. Der Versprach wieder, dass anderntags jemand um 11 Uhr kommen werde.
Sie kamen tatsächlich und leisteten gute Arbeit. Meine Freude jedoch hielt
sich in Grenzen – ich hatte vier oder fünf Wochen gewartet, musste unzählige
Male den Verwalter bemühen und dieser wiederum rief den Geschäftsinhaber
unzählige Male an.
Bank
Ich habe ein Schweizer Franken Konto bei einer
internationalen Bank in Ägypten. Wegen den Wechselkursschwankungen aufgrund der
politischen Unruhen wechsle ich Geld nur bei Bedarf. Ich schrieb dem
Kundenservice der Bank vor langer Zeit und bat, genügend Schweizer Franken in bar
bereit zu halten, damit ich Geld abheben könne, wann immer ich wolle. Mit
demselben Wunsch gelangte ich an meine Filiale; dort hiess es allerdings, ich
müsse in eine andere Filiale gehen (die ist weiter weg und dort wartet der
Kunde i.d.R. 45 Minuten, bis er endlich bedient wird).
Als ich eines Tages Franken abholen wollte, hiess es, sie hätten ein Problem. Ich kannte das
Problem dank einer meiner Studenten, der dort am Schalter arbeitet und den ich
am Vorabend um Hilfe gebeten hatte. Das Problem: die Bank hatte nur zwei Noten zu Tausend Franken in bar! Ich wollte aber keine Tausend, sondern nur
zweihundert Franken. Ich wurde gebeten, in zwei Tagen wieder zu kommen, dann
wäre das Geld parat!
Innerlich explodierte ich fast. Ruhig, aber
bestimmt verlangte ich, dass man mir heute mein Geld gebe und es an der Bank
liege, eine Lösung zu finden. Ich hätte sie mehrmals darauf hingewiesen;
ansonsten würde ich mein Konto schliessen lassen. – Dabei wäre das gar nicht
möglich gewesen – sie hatten die Summe gar nicht vor Ort. Nach einer Wartezeit
von einer halben Stunde wurde mir mitgeteilt, ich solle doch bitte nach sechs
Stunden nochmals kommen, bis dahin hätten sie die Geldscheine.
Das klappte dann auch. Sie mussten diese von El Gouna kommen
lassen! Die Wartezeit von zwei Tagen hätte bedeutet, dass das Bargeld von Kairo
hertransportiert wird. Dabei haben die Nationalbank und Wechselstuben
massenweise Schweizer Franken, die sie täglich in Pfund umtauschen!
Neulich war ich wieder bei „meiner“ Filiale und der
Cashmanager teilte mir lächelnd mit, dass sie auch hier genügend Schweizer
Franken in bar hätten. Nur für mich – ich sei die einzige Kunden in Hurghada
mit einem Schweizer Franken Konto! Welche Rarität!
Ersatzbeutel für Staubsauger
Was für eine Geschichte! Ich warne: sie hat kein Happy end,
sie hat überhaupt kein Ende und ich weiss nicht mehr, ob ich lachen oder heulen
soll!
Ich will eigentlich nur diesen blöden Staubsauger-Beutel
austauschen, weil der jetzige vom vielen herausnehmen und leeren beinahe
auseinander fällt. Doch
- Im Geschäft, wo der Staubsauger gekauft wurde, gibt es kein Zubehör.
- In besagtem Geschäft nannte man mir den Namen eines Ladens, der Staubsauger-Beutel verkauft. Allerdings war die Adresse falsch und ich suchte vergebens. Und im Geschäft mit dem richtigen Namen und anderer Adresse gibt es diese Marke nicht.
- Ich habe im Internet gesucht und bin auf den türkischen Hersteller gestossen. Dieser verwies mich an den Importeur in Kairo.
- Der versprach, mir einen Staubsauger-Beutel per Kurier zu senden(!!!). Die Speditionsquittung schickte er mir per Email. Ich druckte sie aus und suchte mithilfe eines Taxifahrers das Geschäft. Um 11 Uhr früh war es geschlossen und auf meine Telefonanrufe antwortete niemand. Um 15 Uhr stand ich nochmals dort: gleiches Ergebnis.
- Ich rief den Importeur in Kairo an, der versprach, die Spedition anzurufen. Ich hörte stundenlang nichts mehr, rief wieder an und er sagte, er sei am Prüfen. Per Email fragte ich erneut zwei Mal nach… er sei am Prüfen…
- Ich schrieb erneut dem Herstller in der Türkei. Die entschuldigten sich höflich und versprachen, mir Ersatz per DHL (aus der Türkei!!!) zu schicken. Es könne aber einige Zeit dauern.
- Heute Morgen kam der DHL Lieferdienst, ich nahm das Paket entgegen, bezahlte Steuern und Zoll, öffnete das Paket ganz aufgeregt – hej, ich suche seit einem halben Jahr nach diesen blöden Staubsauger-Beuteln! – und stelle fest, dass die Dinger zu gross sind! Falsche Artikel-Nummer, Fehler der Türken.
- Eine Antwort auf mein heutiges Email habe ich noch nicht bekommen. Ich bin, ehrlich gesagt, am Ende.
Geschrieben habe ich das alles innerhalb einer Stunde – doch
jedes einzelne Problem, und sei es auch noch so winzig – zieht sich über Wochen
und Monate dahin… In solchen Momenten frage ich mich allen Ernstes, weshalb ich
mir das antue!
In Mietverträgen in Deutschland ist vereinbart, dass kleine Reparaturen bis 75 Euro der Mieter trägt, da man sonst für jeden tropfenden Wasserhahn einen Handwerker bestellen müsste, was auch nicht einfach ist. Denn diese rücken bei uns für kleine Sachen ungern aus. Die bedienen oftmals nur noch, wegen Arbeitskräftemangel, Großaufträge und machen sich ansonsten rar. Ob es ein Analogon gibt in ägyptischen Mietverträgen, keine Ahnung. Es ist aber aufschlußreich zu hören mit welchen Problemen man konfrontiert ist im Ländle der ewigen Sonne.
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