Montag, Dezember 09, 2013

Alltag – wie er nicht sein sollte

Manchmal glaube ich, ich werde wahnsinnig! Kleine Dinge, die zum Alltag gehören, werden in Ägypten zu riesigen, oft unlösbaren Problemen. Deshalb lasse ich manche Dinge einfach sein, wie sie sind: ein Schalter ist kaputt, der Verputz blättert ab, nur zwei der vier Herdplatten funktionieren und so weiter. Am besten ist es: nicht berühren, Niemanden zur Reparatur kommen lassen, solange etwas noch halbwegs funktioniert.

Manchmal muss ich aber eine Lösung suchen und wie das hier so abläuft, erzähle ich heute.

Moskitotüre
Alle Balkontüren sind mit schiebbaren Moskitotüren ausgestattet. Das Moskitonetz an der Küchentüre hatte schon Löcher, als ich einzog. Macht nichts, ich habe einen ausrangierten Stoffsocken darüber genäht – der hatte genau die Form des Lochs! Das sah zwar nicht schön aus, aber es hielt die Stechmücken davon ab, hereinzuschlüpfen. Im Laufe des Sommers konnte ich die Türe nicht mehr aufschieben, d.h., die Rädchen blockierten. Öl nützte nichts; ich brauchte einen Handwerker, der die auswechseln kann. Ich wandte mich an den Verwalter der Anlage und er versprach, jemanden zu schicken, das werde aber einige Zeit dauern. Ich stellte mich darauf ein und trug Wäsche, Frühstück, Laptop und alles andere durchs Wohnzimmer hinaus auf den Balkon.

Nach zwei Wochen erhielt ich Bescheid, dass heute der „Techniker“ da sei und zu mir kommen werde. Der kam, sah und versprach, in vier Tagen einen Handwerker zu schicken. Die vier Tage verstrichen und noch weitere 10 Tage obendrein. Ich wandte mich wieder an unseren Verwalter, der wiederum mit dem „Techniker“ sprach. Es komme jemand um 11 Uhr. Bis um 15 Uhr tauchte niemand auf und ich musste aus dem Haus. Vereinbarungsgemäss übergab ich die Moskitotüre dem Sicherheitsmann am Gate, damit die Leute die Türe in meiner Abwesenheit reparieren könnten. Als ich am Abend zurückkam, war das Moskitonetz ausgewechselt (wie schön!), ich stellte die Türe wieder auf die Schiene – doch sie liess sich noch immer nicht schieben. Die Handwerker hatten nur halbe Arbeit geleistet.

Einmal mehr ging ich zum Verwalter ins Büro und er rief den „Techniker“ erneut an. Der Versprach wieder, dass anderntags jemand um 11 Uhr kommen werde. Sie kamen tatsächlich und leisteten gute Arbeit. Meine Freude jedoch hielt sich in Grenzen – ich hatte vier oder fünf Wochen gewartet, musste unzählige Male den Verwalter bemühen und dieser wiederum rief den Geschäftsinhaber unzählige Male an.

Bank
Ich habe ein Schweizer Franken Konto bei einer internationalen Bank in Ägypten. Wegen den Wechselkursschwankungen aufgrund der politischen Unruhen wechsle ich Geld nur bei Bedarf. Ich schrieb dem Kundenservice der Bank vor langer Zeit und bat, genügend Schweizer Franken in bar bereit zu halten, damit ich Geld abheben könne, wann immer ich wolle. Mit demselben Wunsch gelangte ich an meine Filiale; dort hiess es allerdings, ich müsse in eine andere Filiale gehen (die ist weiter weg und dort wartet der Kunde i.d.R. 45 Minuten, bis er endlich bedient wird). 

Als ich eines Tages Franken abholen wollte, hiess es, sie hätten ein Problem. Ich kannte das Problem dank einer meiner Studenten, der dort am Schalter arbeitet und den ich am Vorabend um Hilfe gebeten hatte. Das Problem: die Bank hatte nur zwei Noten zu Tausend Franken in bar! Ich wollte aber keine Tausend, sondern nur zweihundert Franken. Ich wurde gebeten, in zwei Tagen wieder zu kommen, dann wäre das Geld parat!

Innerlich explodierte ich fast. Ruhig, aber bestimmt verlangte ich, dass man mir heute mein Geld gebe und es an der Bank liege, eine Lösung zu finden. Ich hätte sie mehrmals darauf hingewiesen; ansonsten würde ich mein Konto schliessen lassen. – Dabei wäre das gar nicht möglich gewesen – sie hatten die Summe gar nicht vor Ort. Nach einer Wartezeit von einer halben Stunde wurde mir mitgeteilt, ich solle doch bitte nach sechs Stunden nochmals kommen, bis dahin hätten sie die Geldscheine.

Das klappte dann auch. Sie mussten diese von El Gouna kommen lassen! Die Wartezeit von zwei Tagen hätte bedeutet, dass das Bargeld von Kairo hertransportiert wird. Dabei haben die Nationalbank und Wechselstuben massenweise Schweizer Franken, die sie täglich in Pfund umtauschen!

Neulich war ich wieder bei „meiner“ Filiale und der Cashmanager teilte mir lächelnd mit, dass sie auch hier genügend Schweizer Franken in bar hätten. Nur für mich – ich sei die einzige Kunden in Hurghada mit einem Schweizer Franken Konto! Welche Rarität!

Ersatzbeutel für Staubsauger
Was für eine Geschichte! Ich warne: sie hat kein Happy end, sie hat überhaupt kein Ende und ich weiss nicht mehr, ob ich lachen oder heulen soll!

Ich will eigentlich nur diesen blöden Staubsauger-Beutel austauschen, weil der jetzige vom vielen herausnehmen und leeren beinahe auseinander fällt. Doch
  • Im Geschäft, wo der Staubsauger gekauft wurde, gibt es kein Zubehör.
  • In besagtem Geschäft nannte man mir den Namen eines Ladens, der Staubsauger-Beutel verkauft. Allerdings war die Adresse falsch und ich suchte vergebens. Und im Geschäft mit dem richtigen Namen und anderer Adresse gibt es diese Marke nicht.
  • Ich habe im Internet gesucht und bin auf den türkischen Hersteller gestossen. Dieser verwies mich an den Importeur in Kairo.
  • Der versprach, mir einen Staubsauger-Beutel per Kurier zu senden(!!!). Die Speditionsquittung schickte er mir per Email. Ich druckte sie aus und suchte mithilfe eines Taxifahrers das Geschäft. Um 11 Uhr früh war es geschlossen und auf meine Telefonanrufe antwortete niemand. Um 15 Uhr stand ich nochmals dort: gleiches Ergebnis.
  • Ich rief den Importeur in Kairo an, der versprach, die Spedition anzurufen. Ich hörte stundenlang nichts mehr, rief wieder an und er sagte, er sei am Prüfen. Per Email fragte ich erneut zwei Mal nach… er sei am Prüfen…
  • Ich schrieb erneut dem Herstller in der Türkei. Die entschuldigten sich höflich und versprachen, mir Ersatz per DHL (aus der Türkei!!!) zu schicken. Es könne aber einige Zeit dauern.
  • Heute Morgen kam der DHL Lieferdienst, ich nahm das Paket entgegen, bezahlte Steuern und Zoll, öffnete das Paket ganz aufgeregt – hej, ich suche seit einem halben Jahr nach diesen blöden Staubsauger-Beuteln! – und stelle fest, dass die Dinger zu gross sind! Falsche Artikel-Nummer, Fehler der Türken.
  • Eine Antwort auf mein heutiges Email habe ich noch nicht bekommen. Ich bin, ehrlich gesagt, am Ende.
Soll ich noch weitere Müsterchen aus dem ganz normalen Alltag erzählen, der sich hier oft zum völlig unglaublichen Wahnsinn zusammen ballt? Nicht mal das mag ich mehr. Wenn ich meinen ägyptischen Freunden davon erzähle, erfahre ich weitere unglaubliche Geschichten, die sich ein gesunder Menschenverstand gar nicht mehr ausdenken kann. Aber das ist eben Ägypten.

Geschrieben habe ich das alles innerhalb einer Stunde – doch jedes einzelne Problem, und sei es auch noch so winzig – zieht sich über Wochen und Monate dahin… In solchen Momenten frage ich mich allen Ernstes, weshalb ich mir das antue!


1 Kommentar:

  1. In Mietverträgen in Deutschland ist vereinbart, dass kleine Reparaturen bis 75 Euro der Mieter trägt, da man sonst für jeden tropfenden Wasserhahn einen Handwerker bestellen müsste, was auch nicht einfach ist. Denn diese rücken bei uns für kleine Sachen ungern aus. Die bedienen oftmals nur noch, wegen Arbeitskräftemangel, Großaufträge und machen sich ansonsten rar. Ob es ein Analogon gibt in ägyptischen Mietverträgen, keine Ahnung. Es ist aber aufschlußreich zu hören mit welchen Problemen man konfrontiert ist im Ländle der ewigen Sonne.

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