Samstag, Juni 16, 2018

Einblick in die Existenz einer Plastiktüte


Plötzlich ist Plastikabfall in aller Munde bzw. in allen Medien. 
Folgenden Text habe ich schon 2010 geschrieben:

Ganz kurz nur hat sie ihren Dienst getan: Sie wurde fabriziert, um Chips, Cola oder Eiscreme zu halten. Sie ist nicht besonders kräftig, aber doch genügend fest, um ein paar Kleinigkeiten zu tragen, damit diese nicht auf die Strasse purzeln. Nun wurde die kleine weisse Plastiktüte zusammen geknüllt und achtlos auf die Strasse geworfen. Dort krümmt sie sich, sucht Halt an einem Stein, einem Zaun.

Ein Müllmann nimmt sie auf und wirft sie in seinen Kübel. Dort liegt sie auf Plastikflaschen, Zigarettenkippen und Blechbüchsen. Weitere Plastiktüten gesellen sich zu ihr, Glasflaschen und Pizzaschachteln erdrücken sie. Nach einigen Tagen wird der Kübel ausgeleert, in einen grossen Metallcontainer. Fast könnte die Plastiktüte mit dem Wind entwischen – doch schon wird sie von anderem Unrat festgehalten.

Mit einem heftigen Ruck wird der Container gekippt. Plötzlich fühlt sich die kleine weisse Plastiktüte befreit: Ein Windstoss erfasst sie, hebt sie hoch, lässt sie durch die Luft wirbeln! Diese unerwartete Freiheit irritiert sie… wo soll sie denn hin? Ziellos tanzt sie in die Höhe, lässt sich herabfallen, treibt knapp über der Strasse dahin, weicht einem Busch aus und gewinnt wieder an Höhe. Am liebsten würde sie vor Freude jauchzen, so herrlich ist es, sich mit dem Wind treiben zu lassen.

Doch abrupt wird ihr stilles Juchzen abgewürgt. Die Plastiktüte hat sich in den Ästen eines hohen Baumes verfangen, der Wind zieht ihre Schlaufen in unterschiedliche Richtungen. Die Tüte droht zu zerreissen, wehrt sich, flattert, zittert noch eine Weile, doch der Wind ist stärker.



Sonntag, Juni 03, 2018

Kulturelle Aufklärung


Was für ein feiner Unterschied! Danke kann heissen „Nein, danke – ich möchte dich aber nicht vergraulen“.

Erklärt hat mir das einer meiner Studenten, dem ich ein Glas Wasser anbot. Mein Angebot wurde oft mit „Danke“ erwidert. Da das keine Antwort darauf ist, habe ich jeweils nachgefragt: „ja oder nein?“. Nein, lautete dann die Antwort und ich wunderte mich, weshalb das nicht gleich klar gesagt wird.

Warum?

Eine Einladung zum Essen oder auch nur zu einem Getränk signalisiert, dass man mit der Person eine (freundschaftliche) Beziehung aufbauen möchte und sich für sie interessiert. Im hiesigen Kulturkreis isst kaum jemand alleine, immer gesellen sich Familienmitglieder und Freunde zueinander, um eine oft einfachste Mahlzeit miteinander zu teilen.

Wenn ich Essenden „Guten Appetit“ wünsche, werde ich regelmässig gebeten teilzunehmen.
Lehnt also jemand ein Angebot mit „Nein, danke“ ab, heisst das hier, dass man eine Verbindung zu dieser Person ablehnt. Das ist ein Affront, denn einen Menschen darf man nicht zurückweisen.

Gut zu wissen. Nun brauch ich nicht mehr „ja oder nein?“ nachfragen, ein „Danke“ reicht mir.

Montag, Mai 28, 2018

Regen, Regentröpfchen, fall mir…


Ich halte inne… was ist das für ein Geräusch da draussen? Ich lausche und versuche, es mit etwas Bekanntem in meinen Erinnerungen zu verbinden, suche, zögere… und dann ist es da:

Regen! Es regnet wieder!

Ganz zart fallen Tröpfchen aus den dunklen Wolken, die da oben am Himmel kleben. Wenn sie im  Sand versinken, hört sich das an wie liebliches Flüstern.

Grad war ich mehrere Wochen in Europa, wo ich oft unter Gewitter und niederprasselnden Tropfen eingeschlafen bin. Es war beruhigend und ich habe jeweils ausgezeichnet geschlafen. Am besten gefiel mir, wenn es anderntags wieder schön war.

Jetzt bin ich aber in Hurghada und es regnet seit gestern immer wieder. Die Luft riecht schwer und feucht, nicht so trocken wie üblich. Die Wolken, die sich meist wieder rasch verziehen, verleihen der Landschaft ein anderes, weicheres Licht. Es stört nicht. Im Gegenteil: Es fühlt sich für mich heimelig an. Mehr wie Mittelmeer. Noch mehr daheim.



Mittwoch, April 18, 2018

Innehalten und Sein


Die Mamis haben sich neben dem Pool niedergelassen und tratschen seit Stunden; ihr Nachwuchs vergnügt sich mit den Liegepolstern, die sie zu einer Spielburg zusammen gestellt haben. Emsig hüpfen die Kinder hin und her, lassen sich von den Mamis verhätscheln und tauchen dann wieder in ihre Fantasiewelt ein.

Jessy, der Hund der Wohnanlage, der die ganze Nacht bellt und tagsüber normalerweise im Schatten döst, wühlt aufgeregt im Blumenbeet. Ob er darin einen Knochen vermutet?

Bernd vom Bodensee sitzt wie jeden Tag um diese Zeit vor einem Glas Bier und nuggelt genüsslich an der Wasserpfeife.

Momo und Olbi diskutieren angeregt unter dem Vordach bei der Trattoria, wie fast jeden Tag.

Eine schwarz gekleidete Frau, Besuch von Angestellten aus Oberägypten, sitzt bewegungslos auf einem Reissack unter dem Baldachin. Seit Stunden. Sie scheint etwas verloren. Das kleine Mädchen langweilt sich, getraut sich nicht herumzuhüpfen wie die anderen Kinder. Grenzen im Kopf.

Ich habe ein Badetuch auf den unbequemen Stuhl gelegt, meine Beine hängen halb über den Tisch. Ich zeichne. Das ist neu und aufregend. Ich versinke in Betrachtungen und dem Versuch, das Gesehene mit einem Stift auf Papier zu bringen. Zwischendurch lasse ich los und nehme meine Umgebung wahr. Wäre nicht das Stimmengewirr der Mamis und der Kinder – ich würde mich in einem Stilleben wähnen. Jedenfalls fern des Alltags.

Im Radiosender Centoduecinque läuft ein romantisches Lied. Lächelnd nehme ich meinen Stift wieder in die Hand und versinke in meiner Zeichnung.


Dienstag, April 10, 2018

Wenn Religion bunte Blüten treibt


In den Jahren, die ich in dieser Weltgegend verbracht habe, hat sich meine Meinung über Religion geformt. Nein, nein! Darüber schreibe ich nicht. Ich finde, jeder soll für sich selbst seine Form von Religion finden – oder eben nicht. Nur soll sie mir niemand aufzwingen.

Doch genau das kommt hier immer wieder vor und daraus ergeben sich manchmal witzige Situationen.

Religiöse Segregation
Bei meinem ersten längeren Aufenthalt in Alexandria gab man mir zu verstehen, dass ein gläubiger Muslim keiner Frau die Hand geben dürfe. Ich fühlte mich verwirrt, wusste nicht mal recht, ob ich mich vor den Kopf gestossen fühlen sollte oder nicht. Eine andere Kultur? Muss wohl sein. Komischerweise hat der Ehemann meiner Bekannten mit der Zeit eine Ausnahme gemacht und mich per Handschlag begrüsst! Ich war in die Familie aufgenommen worden, wurde zu Festen eingeladen und erhielt Geschenke.

Sonntag, April 08, 2018

Workshop für kreatives Schreiben


Schreiben nach Lust und Laune unter fachlicher Anleitung, mit Übungen und Tipps

Möchtest du schon lange schreiben? TagebuchLebensGeschichteErzählungBlog? Oder gar ein Buch?

Mit dem Umsetzen hapert es aber noch? Schreibblockade muss nicht sein! Kreativität können wir erlernen und üben, genau wie andere Fähigkeiten auch. In meinem Workshop holen wir mit verschiedenen Techniken unsere Kreativität an die Oberfläche und lassen sie in Worte, Sätze und Texte einfliessen. Unsere Arbeitsorte variieren genauso wie Themen und Eindrücke.

Programm

Ziel:         kreativ schreiben, ohne Hemmungen, nach Lust und Laune,
Schreibblockaden abbauen, Kreativität entdecken und fördern,
Gefühle, Eindrücke und Ideen niederschreiben;

Wann:      jeweils vormittags von 9.30 Uhr bis 12 Uhr (ca. 2 ½ Stunden – kann variieren)
Freitag, 13.4.2018 / Sonntag, 15.4.2018 /
Mittwoch, 18.4.2018 / Freitag, 20.4.2018;

Wo:          Erster Treffpunkt: Garten des Paradise Village, Intercontinental Area, Hurghada; die weiteren Treffpunkte gebe ich jeweils vor dem nächsten Kurstag bekannt (das kann auch ein Strand oder die Wüste sein!);

Wer:        Erwachsene, welche der deutschen Sprache auf mindestens Niveau B2 oder Muttersprache mächtig sind und Lust am kreativen Schreiben haben;
                Mindestteilnehmerzahl: vier Personen / Maximalteilnehmerzahl: acht Personen;

Kursgeld: 450 le pro Person, zahlbar am ersten Kurstag; evtl. Auslagen für Konsumationen, Eintritte, Fahrten nicht inbegriffen;

Hinweis:  Wir werden an verschiedenen Orten arbeiten; bitte neben Schreibpapier und Stift deshalb auch etwas Flexibilität mitbringen;

Bitte teilt die Ausschreibung mit euren Freunden in Hurghada! Ich danke euch!!!




Samstag, April 07, 2018

Rezeptionist: Blick hinter die Kulisse


Sein Lachen entblösst eine Reihe tadelloser Zähne, die noch nicht vom Teekonsum verfärbt sind. Er sieht gut aus, der junge Mann. Intelligent ist er auch. Abdo wirkt wie die junge Nachwuchsvariante des erfolgreichen Managers, der auch zu mir kommt und schon recht gut Deutsch spricht.

Abdo hat Ägyptologie studiert und arbeitet als Rezeptionist. Zuerst war er in einem dieser Durchschnittshotel in der Sheratonstrasse angestellt. Dort war er schon Supervisor. Eines Morgens erzählte er mir begeistert und voller stolz, dass er nun in einem Tophotel in einem Resort 25 km von Hurghada arbeitet.

Die Begeisterung hielt nicht lange an. Im Unterricht verknüpfen wir Grammatik und Wortschatz mit seiner Welt. Es ist eine Welt, die der Tourist meist nicht sehen kann. Soll er auch nicht, schliesslich hat er für den Traum einer heilen Welt im piekfeinen Hotel an der weiten Bucht viel bezahlt. Dafür hat er hart gearbeitet und ist von weither gekommen.

Oft kommt der Rezeptionist völlig übermüdet von der Nachtschicht zu mir oder geht nach