Donnerstag, April 26, 2012

Schlag auf Schlag: noch eine Ohrfeige

Um zu verhindern, dass Vertreter des alten Regimes zum nächsten Präsidenten Ägyptens erwählt werden könnten, hat das (islamistisch dominierte) Parlament ein Gesetz zum Ausschluss des aktiven Wahlrechts für jene Personen eingereicht. Dies wurde vom Obersten Militärrat rechtzeitig genehmigt und publiziert.

Ahmed Shafiq – Mubarak’s letzter Vize nach dessen Abtritt, langjähriger Minister und Ex-Luftwaffenchef - war aus dem Rennen.

Aufgeben galt für ihn nicht und er hat gestern Einspruch gegen diesen Erlass erhoben. Und siehe da: Der Oberste Gerichtshof hat den Einspruch heute gutgeheissen und somit darf Shafiq kandidieren! Begründet wurde der Entscheid des Obersten Gerichtshof nicht – es wird gemunkelt, es wollte weitere Einsprachen und damit eine Verzögerung der Wahlen verhindern.

Was für ein Witz!

Nachdem Omar Suleiman aus dem Rennen flog, hat das Militär wieder „seinen“ Mann. Jahrzehntelange Militärerfahrung, regimetreu und kein Islamist. Die Islamisten werden sich grün und blau ärgern. Sie schaffen es nicht mal, sich auf die Unterstützung eines einzigen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten zu einigen. Ihr eigener „Ersatz“-Kandidat Mohamed Mursi hat wenig Chancen. Und jener, der Sympathien der Islamisten, der Liberalen und der Regimetreuen auf sich vereinigen könnte – Abu El Fatuh, ex Muslimbruder – wird diese nun an Shafiq verlieren. Ähnlich wird es Amr Moussa ergehen.

Im Übrigen scheint aufgrund des heutigen Entscheids des Obersten Gerichtshofs die Verfassungsmässigkeit der Wahlen in Frage gestellt…

Ich bin gespannt, was (nicht ob!) sich die Islamisten jetzt noch einfallen lassen werden?

Samstag, April 21, 2012

Khamasin – Sandsturm

Vor einigen Tagen fegte ein fürchterlicher Sandsturm über Ägypten. Am Montag im Delta und über Cairo hinweg, am Mittwochabend erreichte er Hurghada. Ich musste spät abends aus dem Haus und wurde vom Sturm fast davon getragen. Meinen Kopf schützte ich mit einigen Büchern.

Der Khamasin („fünfzig“) fegt normalerweise im März oder April um die Zeit der Koptischen Ostern (was letztes Wochenende war) über Nordafrika und die Levante. Der Name „fünfzig“ kommt daher, dass dieser heisse Wind innerhalb von 50 Tagen ab Frühlingsanfang während drei bis vier Tagen tobt. Das hat heuer perfekt gepasst. Nach dem Khamasin regnet es an der Mittelmeerküste und im Delta und damit wird wieder alles „reingewaschen“. Hier im Süden natürlich nicht – der Staub bleibt da, wo er sich abgelegt hat. Ist der Sturm vorüber, kommt der Sommer.

Die Sichtweite betrug am Mittwoch und Donnerstag höchstens 200 m und draussen war es äusserst ungemütlich, ja sogar gefährlich. Der feine, rötliche Staub lässt auch das Atmen schwer werden und Asthmatiker leiden besonders. In Gebäude und Wohnungen dringt der Staub durch feinste Risse und bedeckt alles mit einer feinen Schicht. Man möchte abstauben und putzen – doch das ist völlig sinnlos: zehn Minuten später ist wieder alles verstaubt. Der Boden muss also rutschig bleiben, die Wäsche ungewaschen, Möbel und Einrichtungsgegenstände verzuckert J. Einfach warten…

Der Wind bläst heute immer noch in Sturmstärke, aber seit gestern Morgen ist der Himmel wieder hellblau, das tiefblaue Meer und die goldgelben Inseln draussen und die dunklen Berge in der Wüste zeichnen sich wieder deutlich vor dem Horizont ab.

Am Mittwochabend hatte ich Glück: ein Taxifahrer sah mich aus einer Seitenstrasse kommend gegen den Wind kämpfen und wartete auf der Hauptstrasse auf mich. Er kannte mich: er hatte mich eineinhalb Stunden vorher in der Seitenstrasse abgesetzt.

Donnerstag, April 12, 2012

Seuchen im Land der Pharaonen

Ägypten leidet unter allen möglichen Seuchen. Eine davon ist die Vogelgrippe, die auch dieses Jahr wieder Todesopfer gefordert hat. Vor ungefähr zwei Monaten ist die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen und hat inzwischen über 13‘000 Stück Vieh (nach offiziellen Angaben) dahingerafft. Besonders schlimm trifft dies die ärmeren Bauern, die damit ihr Hab und Gut und ihre Einnahmequelle verlieren. Eine Entschädigung wurde versprochen – doch ob sie je die Betroffenen erreicht???

Wer gesehen hat, wie die (armen) Menschen hier leben, mag sich ausmalen können, welche Hygienezustände bei Gefieder und Vieh herrscht. Beschreibbar ist das nicht mehr. Mir graut schon, wenn ich an den Fleischhauern vorbeilaufen muss, bei denen das blutige Fleisch mitsamt dem Schwanz des Viehs herunterhängt… Als die Vogelgrippe vorletztes Jahr ihren Höchststand erreicht hatte, war es verboten, Lebendgeflügel zu verkaufen. Vor einem Jahr tauchten eben diese Verkaufsstände wieder da und dort auf und jetzt gehört das Bild wieder zum Alltag.

Sonntag, April 08, 2012

Noch eine Ohrfeige

Doch, ich bin noch da. Die Lebensmittelvergiftung im Februar hat mir ziemlich zugesetzt und meine Energie in Nichts aufgelöst. Die Ereignisse in Ägypten überschlagen sich zudem innert kürzester Zeit, dass ich fast nicht mehr mitkomme, klare Gedanken zu fassen.

Die neueste Ohrfeige an die Ägypter und ihre Revolution (dieser Ausdruck passt gar nicht mehr) ist, dass Mubaraks ehemaliger Vizepräsident und Geheimdienstchef Omar Suleiman ins Präsidentenrennen eingestiegen ist. Der Mann ist verantwortlich für grausamste Folter und deren tödliche Folgen, wird aber weder angeklagt, noch disqualifiziert. Warum? Weil er vom Armeerat getragen wird. Wer weiss, vielleicht sogar von den USA…

Neben dem Ex-Spitzelchef werden beinahe im Stundentakt Kandidaten aufgestellt und wegen  mysteriösen Umständen vom zuständigen Gericht disqualifiziert. Der Kandidat der Salafisten (den Ultrakonservativen – ein besonders „religiöser“) ist rausgeflogen, weil seine Mutter angeblich einen amerikanischen Pass besass (Präsident kann nur werden, der weder Eltern noch einen Partner mit ausländischer Staatsbürgerschaft hat). Dass der Typ gelogen hat, wollen seine Anhänger partout nicht wahrhaben, sondern wittern dahinter ein Komplott der USA. El Baradei, der im Westen Bekannteste, hat selber aufgegeben. Ayman Nour (ein Liberaler) wurde vor wenigen Tagen aus dem Gefängnis entlassen und vom Armeerat begnadigt, heute aber ebenfalls disqualifiziert mit der Begründung, er müsse seine Anklage noch anfechten. Die Muslimbrüder haben bereits vorgebeugt: nachdem sie während eines Jahres stets versichert hatten, sie würden keinen Präsidentschaftskandidaten aufstellen, kürten sie vor wenigen Tagen ihren (ebenfalls vom Armeerat aus dem Gefängnis entlassenen und begnadeten) Finanzchef. Blankes Entsetzen war die Reaktion quer durch alle Parteien und Volksschichten und Wut über die Erkenntnis, dass auch die Muslimbrüder lügen. Gestern doppelten sie nach: für den Fall, dass ihr Kandidat Khairat El-Shater ebenfalls disqualifiziert werden sollte, stellten sie grad noch einen zweiten Kandidaten auf. Dabei haben sie vor Monaten einen ihrer Führungsleute aus ihrer Organisation ausgeschlossen, eben weil er als Präsident kandidiert. Amr Moussa, dem ehemaligen Chef der Arabischen Liga wird unterstellt, seine Familie hätte familiäre Bande nach Israel… (sic!)

Alles klar? Nein?

Freitag, März 30, 2012

Schauspiel in der Luft

Heute entdeckte ich bei meiner Radfahrt in der Wüste draussen ein wunderbares Schauspiel: Hunderte von riesigen Vögeln kreisten in der Luft.

„Frühling… Migrationszeit… sie versammeln sich für den Flug nach Europa“ ging es mir wirr durch den Kopf. Ich war von dem Anblick so fasziniert, dass ich mein Rad abstellte und dem Treiben zusah. Dort draussen zwischen Innerer und Äusserer Ringstrasse ist eine Art Baumschule und darüber kreisten sie. Dort stieg ich ein weiteres Mal vom Rad und ging einige Meter in die Pflanzungen hinein, um die Vögel besser beobachten zu können. Einige glitten sanft und lautlos über die Büsche, offenbar auf Nahrungssuche. Ihre Flügelspannweite beeindruckte mich und erinnerte mich an die Adler und Kondore, die ich schon beobachten durfte. Am Himmel fanden sich immer mehr dieser Vögel ein, sie tanzten einen unsystematischen Reigen, während weitere Gruppen dazu stiessen. Ich stand lange still, lauschte dem Rauschen des Schilfs im Wind und sah ihnen nach.

Von Vögeln habe ich praktisch keine Ahnung - eine Wissenslücke, die ich schon seit Jahren beheben möchte -, obwohl ich manchmal am liebsten selber ein Vogel wäre. Dank Recherche im Internet bin ich aber zu 95% sicher, dass es sich hier um die Rohrweihe (Circus aeruginosus), eine Greifvogelart, handelt. Die Grösse und die rostrote/rostbraune Farbe der Flügel mit der schwarzen Umrandung passt. Eine Quelle im Internet erwähnt, dass die Rohrweihe in Ägypten dem Nil entlang überwintert (sonst südlich der Sahara und im südlichen Afrika). Hat sie folglich heute einen Zwischenstopp in Hurghada über dem Pflanzgarten eingelegt?

Hier ist ein Link zu Informationen über die Rohrweihe und zu Bildern. Ich hatte leider keine Kamera bei mir, habe das Schauspiel aber in meinem Gedächtnis abgespeichert.


Montag, März 19, 2012

PlanetSolar in Hurghada



Über Facebook erfuhr ich, dass während ein paar Tagen ein ganz spezielles Boot in Hurghada vor Anker liegen soll. Eines, das nur mit Sonnenenergie betrieben wird.

Das wollte ich unbedingt sehen und ging an meinem freien Tag in die Marina, um Fotos zu machen. Und überhaupt, weil ich gerne in der Marina bin, da es dort ruhig und gepflegt ist.

Da lag sie also, die PlanetSolar: wegen den Solarpanelen wie ein riesiger utopischer Vogel auf Wasser wirkend und von weiteren Neugierigen bestaunt und umrundet. Die PlanetSolar hat auf ihrer Reise dem Äquator entlang fünf Tage in Hurghada Halt gemacht. Sie gab Hurghada etwas Flair der grossen, weiten Welt.

Ich staunte und freute mich insgeheim über das Schweizerkreuz und die Schweizerfahne – ein bisschen Stolz, ein Hauch Heimatgefühl - obwohl ich ja keine Schweizerin bin… Nachfolgend sind einige meiner Fotos. Für Interessierte ist hier auch ein Link auf die Homepage derPlanetSolar mit Informationen zum Boot, zur Besatzung, das Logbuch und anderes...




Dienstag, Februar 28, 2012

Überraschungen im Strassenverkehr

Auf ägyptischen Strassen muss man mit allem rechnen, vor allem mit dem Unmöglichen. Das ist Alltag, das ist normal. Nicht umsonst hat Ägypten eine der höchsten jährlichen Raten tödlicher Unfälle.

In und um Hurghada sind die Strassen richtungsgetrennt, zum Glück! Als neulich ein schwerer, tödlicher Unfall geschah, wurde der Verkehr kurzerhand auf die Gegenfahrbahn geleitet. Ohne Anzeigetafeln, ohne Verkehrspolizist, einfach so. Da fuhren also Autos, Minibusse und Lastwagen gegeneinander, was für Ägypter sehr ungewohnt ist. Gleichzeitig bogen aber die Fahrzeuge von rechts weiterhin in die Fahrbahn ein, auf der plötzlich Gegenverkehr entgegen kam. Folglich gab es zwei Kolonnen herwärts, eine hinwärts, und zwar in der Mitte!!! Haarsträubend!!! Ausnahmsweise machte ich die Augen zu und hoffte, dass das gut gehen möge.

Und warum fahren Autos, Minibusse und Lastwagen über längere Strecken rückwärts, dem Verkehr auf der richtungsgetrennten Fahrbahn entgegen? Manchmal, weil sie verpasst haben abzubiegen. Manchmal aber auch, weil einige Hundert Meter weiter vorne ein mobiler Polizeiposten steht . Wenn die Papiere des Fahrers nicht in Ordnung oder nicht vorhanden sind oder wenn das Fahrzeug eigentlich schon längst fahruntüchtig oder gestohlen ist, heisst es: abhauen. Rückwärts eben. Warum nur, frage ich mich jedes Mal, stellt die Polizei nicht jemanden 500 m früher auf Posten? Das Ergebnis ihrer Kontrolle wäre viel ausgiebiger. Und die gefährliche Rückwärtsfahrerei würde massiv eingeschränkt.