Sonntag, August 18, 2013

Hurghada 18. August 2013

Ihr fragt mich nach einer „objektiven“ Meinung bzw. Beurteilung der Lage in Hurghada. Ich versuche es hiermit.

Einfach Alltag
Ich lebe hier. Ich gehe einkaufen, ich gehe aus und ich treibe meinen Sport. Heute früh fuhr ich eine Stunde Rennvelo, schwamm danach eine halbe Stunde im Meer, besuchte eine Freundin in einem Hotel und fuhr mit dem Rad wieder nach Hause. Es gab keine Vorkommnisse.

Am Mittag fuhr ich mit dem Minibus durch die Stadt nach Dahar zum Gemüsemarkt. Dort wurde am Mittwoch die Demonstration der Muslimbrüder gewaltsam aufgelöst und es gab einen Toten und mehrere Verletzte. In Dahar ist alles normal: der Verkehr ist mühsam, die Leute gehen ihren Geschäften nach, der Markt ist gut besucht. Ein paar Soldaten standen herum, sonst sind es Polizisten. Über die Flughafenstrasse bin ich per Taxi heimgefahren. Es gab keine Vorkommnisse.

Ein Helikopter war heute zu sehen, was eher unüblich ist. Und auf Facebook hat eine hier lebende Person berichtet, dass irgendwo in Hurghada ein Auto von der Polizei angehalten worden ist, die Insassen mussten aussteigen und sich auf die Strasse legen, der Kofferraum war voller Waffen.

Gehört habe ich auch, dass die Muslimbrüder am Freitag von Sekalla nach Dahar marschierten.
Eine hier lebende Deutsche hat gestern einen Video über die Lage hier gemacht und ihn auf Youtube gestellt. Hier ist der Link; einen Kommentar möchte ich dazu nicht geben.

Die Wahrscheinlichkeit, in Hurghada durch einen Autounfall oder beim Überqueren der Strasse sein Leben zu verlieren, ist grösser als jene, durch Kugelhagel zwischen Sicherheitskräften und Muslimbrüdern umzukommen. Das ist sarkastisch, aber Tatsache.

Ägypten im Ausnahmezustand
Auch wenn ich keine Angst habe und nicht daran denke, Ägypten zu verlassen, ist mir bewusst, was momentan in Ägypten geschieht. Jedem Einzelnen, der sich per Email über die Lage erkundigte, antwortete ich immer: Ägypten ist in einer Übergangsphase, die noch nicht abgeschlossen ist. Die Situation kann sich täglich ändern. Noch zielen die Radikalen auf die Zerstörung von staatlichen Institutionen, Armee, Polizei und Kopten bzw. christliche Einrichtungen. Mehrere Anschläge wurden angeblich vereitelt. Niemand weiss, ob die Armee die Situation rasch in den Griff bekommt oder sich die Anschläge ausweiten. Aus Erfahrung weiss ich nur, dass man hier mit Überraschungen rechnen muss – typisch ägyptisch eben.

Was die Medien berichtet
Die Medien haben den Auftrag, uns über die Geschehnisse zu informieren. Um ihren Auftrag ausführen zu können, brauchen sie finanzielle Mittel. Die bekommen sie entweder durch Werbeeinnahmen, vom Staat oder von anderen politischen bzw. wirtschaftlichen Interessenvertretern. Sind sie durch Werbeeinnahmen finanziert (was nur teilweise möglich ist), liegt das Interesse der Programmverantwortlichen logischerweise daran, so viele Zuseher/-hörer anzusprechen, wie nur möglich. Wie erreichen sie das? Mit reisserischer, skandalöser und aussergewöhnlicher Berichterstattung. Ähnlich verhält es sich, wenn der Staat, die Wirtschaft oder die Politik Geldgeber ist: er will üblicherweise seine Meinung vermitteln.

Meiner Meinung nach zeigen die Medien momentan über die Lage in Ägypten ein sehr unausgewogenes und einseitiges Bild. Ich bin darüber enttäuscht, obwohl ich mir dessen während meiner Zeit hier in diesem Land bewusst geworden bin.

Empfehlung?
Ich wurde konkret gefragt, ob ich meinen Urlaub in Hurghada umbuchen oder antreten würde. Ich kann das nicht beantworten, gebe aber Folgendes zu Bedenken: ich finde es übertrieben, dass einige Länder die Reisewarnung auf die Provinz Rotes Meer ausgedehnt haben. Allen voran die Skandinavier und die Amerikaner. Allerdings verstehe ich auch, weshalb: es geht um die Haftung und somit um Geld. Hingegen sind die Hotelanlagen oft weit vom Stadtzentrum und somit von möglichen Demonstrationen entfernt. Die Ferienorte am Roten Meer liegen mehrere Hundert Kilometer von Kairo, Alexandria und den Städten am Nil entfernt. Wer Angst hat, soll besser zu Hause bleiben. Wer Vertrauen in jene Länder, Reiseveranstalter und Fluggesellschaften hat, die nur zur Vorsicht raten („Menschenansammlungen vermeiden“), aber keine Reisen annullieren, soll herkommen und seine Ferien hier geniessen.


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