Mittwoch, August 14, 2013

Ägypten brennt

Mein letzter Blogeintrag lautete Vorahnung. Seither sind drei Wochen vergangen, während denen ich im Ausland in den Ferien weilte, aber stetig die Ereignisse in Ägypten verfolgte.

Nun ist das eingetroffen, was ich befürchtet hatte: Ägypten brennt. Die Muslimbrüder haben zeitgleich mit der Räumung ihrer Demonstrationen in Kairo durch die Sicherheitskräfte mit der Zerstörung Ägyptens begonnen. Nicht nur staatliche Institutionen wie Armee, Polizeistationen und Regierungsgebäude, sondern Kirchen und die berühmte Biblioteca Alexandrina wurden angegriffen und in Brand gesetzt. In vielen Provinzen wird geschossen und gebrandschatzt. Wie viele Menschen ihr Leben lassen mussten, ist unklar, denn die Medien bieten unterschiedliche Zahlen und keine Quelle ist glaubwürdig. Den Rekord hält Al Jazeera inne, der Fernsehsender spricht von über 2000 Toten!

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Gestern machte ich folgende Notizen (und wollte sie heute aufschalten), welche die Vorzeichen dessen widergeben, was seit heute im Land geschieht:

Drohend prangen schwarz die Worte „Ägypten ist islamisch“ an Kirchentüren und Mauern. Kirchen werden geplündert und niedergebrannt. Nachts ziehen demonstrierende und „islamisch“ skandierende Horden durch die Dörfer und Städte. Kopten wagen sich nach Anbruch der Dunkelheit nicht mehr aus ihren Häusern. In Mittel- und Oberägypten sind Kopten schutzlos den aufgestachelten islamistischen Eiferern ausgeliefert. Die Polizei ist machtlos oder gar willenlos. Pogrom? Die Medien schweigen mehrheitlich, die Kopten aus Angst vor weiteren Racheakten ebenfalls.

Wer Europas jüngere Geschichte kennt, dem sollten bei solchen Meldungen die Alarmglocken läuten. Pogrom, Kristallnacht, Judenhetze. Oder ist es schon zu lange her????

Bis zum heutigen Abend sind mindestens 18 (andere Quellen sprechen von 7) Kirchen gebrandschatzt und zahlreiche Geschäfte von Kopten zerstört worden. – Und niemand tut etwas dagegen und niemand berichtet darüber!

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Und zu den besetzten Plätzen, die heute unter Anwendung von Gewalt – wohl bemerkt: von beiden Seiten – geräumt werden notierte ich:

Seit sechs Wochen belagern bezahlte Anhänger der Muslimbrüder ganze Strassenzüge in Kairo, um für die Rückkehr Morsis zu demonstrieren. Die Bewohner des Quartiers werden belästigt, bedroht und daran gehindert, zu ihren Häusern zu gelangen. Viele haben den Job verloren, weil sie es nicht schafften, täglich rechtzeitig durch die Menschenmassen zur Arbeit zu gelangen. Lärm und Gestank sind unerträglich und zermürbend.

Im belagerten Raum wird gebetet, gefeiert, gefoltert und gemordet. Fernsehstationen berichten vom baldigen Fall der illegitimen Regierung. Kinder und Frauen dienen als Schutzschilder gegen die erwartete gewalttätige Auflösung der Belagerung.
Welches Land, welche Stadt im Westen würde das so lange dulden? Ich erinnere mich, an Bilder aus den USA, England, Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien, wonach Demonstranten brutal auseinander getrieben und niedergeknüppelt wurden. Genau diese Länder rufen Ägypten jetzt zu Gewaltverzicht bei der Räumung auf. Welch ein Hohn!

Ich bin gegen Gewalt. Es ist schrecklich, was heute geschieht. Sicher hätte es eine andere Möglichkeit gegeben, diese Demo aufzulösen. Doch die Auflösung war überfällig. Jedoch kreide ich den Westen an, der erneut mit gespaltener Zunge redet. Die heutigen Ereignisse zeigen auch, dass einige der sogenannten „friedlichen“ Demonstranten schwer bewaffnet sind. Sie haben Waffen, Munition, Barrikaden aus Sandsäcken und Zementmauern erbaut. Sind das friedliche Demonstrationen? Würde dies eines der westlichen Länder bei sich dulden? Und nun tauchen Leichen auf, die dort seit Tagen gehortet wurden!

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Heute Nachmittag wurde der Notstand ausgerufen und kurz darauf eine Ausgangssperre ausgesprochen (ohne Red Sea).

Mir graut über meine Vorahnung und ich hoffe, dass das Militär und die Polizei die Situation in ein oder zwei Tagen in den Griff bekommt – aber ich bezweifle es. Zu clever haben die Muslimbrüder agiert und zu lange liess man sie gewähren. Vor dem, was danach kommt – wenn mal wieder Ruhe in den Städten und Dörfern herrscht – graut mir erst recht. Ich sehe Ägypten wieder dort, wo es im Januar 2011 stand.


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