Mein letzter Blogeintrag lautete Vorahnung. Seither
sind drei Wochen vergangen, während denen ich im Ausland in den Ferien weilte,
aber stetig die Ereignisse in Ägypten verfolgte.
Im belagerten Raum wird gebetet, gefeiert, gefoltert und gemordet. Fernsehstationen berichten vom baldigen Fall der illegitimen Regierung. Kinder und Frauen dienen als Schutzschilder gegen die erwartete gewalttätige Auflösung der Belagerung.
Nun ist das eingetroffen, was ich befürchtet hatte: Ägypten
brennt. Die Muslimbrüder haben zeitgleich mit der Räumung ihrer Demonstrationen
in Kairo durch die Sicherheitskräfte mit der Zerstörung Ägyptens begonnen.
Nicht nur staatliche Institutionen wie Armee, Polizeistationen und
Regierungsgebäude, sondern Kirchen und die berühmte Biblioteca Alexandrina
wurden angegriffen und in Brand gesetzt. In vielen Provinzen wird geschossen
und gebrandschatzt. Wie viele Menschen ihr Leben lassen mussten, ist unklar,
denn die Medien bieten unterschiedliche Zahlen und keine Quelle ist
glaubwürdig. Den Rekord hält Al Jazeera inne, der Fernsehsender spricht von
über 2000 Toten!
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Gestern machte ich folgende Notizen (und wollte sie heute
aufschalten), welche die Vorzeichen dessen widergeben, was seit heute im Land
geschieht:
Drohend prangen schwarz die Worte „Ägypten ist islamisch“
an Kirchentüren und Mauern. Kirchen werden geplündert und niedergebrannt.
Nachts ziehen demonstrierende und „islamisch“ skandierende Horden durch die
Dörfer und Städte. Kopten wagen sich nach Anbruch der Dunkelheit nicht mehr aus
ihren Häusern. In Mittel- und Oberägypten sind Kopten schutzlos den
aufgestachelten islamistischen Eiferern ausgeliefert. Die Polizei ist machtlos
oder gar willenlos. Pogrom? Die Medien schweigen mehrheitlich, die Kopten aus
Angst vor weiteren Racheakten ebenfalls.
Wer Europas jüngere Geschichte kennt, dem sollten bei
solchen Meldungen die Alarmglocken läuten. Pogrom, Kristallnacht, Judenhetze.
Oder ist es schon zu lange her????
Bis zum heutigen Abend sind mindestens 18 (andere Quellen sprechen von 7) Kirchen
gebrandschatzt und zahlreiche Geschäfte von Kopten zerstört worden. – Und niemand
tut etwas dagegen und niemand berichtet darüber!
*****
Und zu den besetzten Plätzen, die heute unter Anwendung von
Gewalt – wohl bemerkt: von beiden Seiten – geräumt werden notierte ich:
Seit sechs Wochen belagern bezahlte Anhänger der
Muslimbrüder ganze Strassenzüge in Kairo, um für die Rückkehr Morsis zu
demonstrieren. Die Bewohner des Quartiers werden belästigt, bedroht und daran
gehindert, zu ihren Häusern zu gelangen. Viele haben den Job verloren, weil sie
es nicht schafften, täglich rechtzeitig durch die Menschenmassen zur Arbeit zu
gelangen. Lärm und Gestank sind unerträglich und zermürbend.
Im belagerten Raum wird gebetet, gefeiert, gefoltert und gemordet. Fernsehstationen berichten vom baldigen Fall der illegitimen Regierung. Kinder und Frauen dienen als Schutzschilder gegen die erwartete gewalttätige Auflösung der Belagerung.
Welches Land, welche Stadt im Westen würde das so lange
dulden? Ich erinnere mich, an Bilder aus den USA, England, Deutschland,
Frankreich, Spanien und Italien, wonach Demonstranten brutal
auseinander getrieben und niedergeknüppelt wurden. Genau diese Länder rufen
Ägypten jetzt zu Gewaltverzicht bei der Räumung auf. Welch ein Hohn!
Ich bin gegen Gewalt. Es ist schrecklich, was heute
geschieht. Sicher hätte es eine andere Möglichkeit gegeben, diese Demo
aufzulösen. Doch die Auflösung war überfällig. Jedoch kreide ich den Westen an,
der erneut mit gespaltener Zunge redet. Die heutigen Ereignisse zeigen auch,
dass einige der sogenannten „friedlichen“ Demonstranten schwer bewaffnet sind.
Sie haben Waffen, Munition, Barrikaden aus Sandsäcken und Zementmauern erbaut.
Sind das friedliche Demonstrationen? Würde dies eines der westlichen Länder bei
sich dulden? Und nun tauchen Leichen auf, die dort seit Tagen gehortet wurden!
*****
Heute Nachmittag wurde der Notstand ausgerufen und kurz
darauf eine Ausgangssperre ausgesprochen (ohne Red Sea).
Mir graut über meine Vorahnung und ich hoffe, dass das
Militär und die Polizei die Situation in ein oder zwei Tagen in den Griff
bekommt – aber ich bezweifle es. Zu clever haben die Muslimbrüder agiert und zu
lange liess man sie gewähren. Vor dem, was danach kommt – wenn mal wieder Ruhe
in den Städten und Dörfern herrscht – graut mir erst recht. Ich sehe Ägypten
wieder dort, wo es im Januar 2011 stand.
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