Donnerstag, August 22, 2013

Hurghada am 22.8.2013

Viele Touristen fliegen ab, nur wenige kommen an. Vor den Hotels sieht man Angestellte mit Tränen in den Augen, ihr Köfferchen neben sich, auf den Bus wartend. Sie fahren nach Hause zu ihren Familien. Ein Reiseleiter von Travco (TUI-Partner) hat mir von einer Sitzung erzählt: ab 25. müssen alle Angestellten drei Wochen in die Ferien. Sie sind verzweifelt, Ferien- oder Arbeitslosengeld gibt es nicht, Ersparnisse auch nicht mehr, zu schwierig waren die vergangenen zweieinhalb Jahre. Die meisten schwören, sich eine Arbeit ausserhalb des Tourismus zu suchen. Aber wo?

Öl ins Feuer hat Mazen Okasha mit seiner Aussage im ZDF gegossen, als er sagte, Hurghada sei zu gefährlich. Er ist ein Feigling, denn ER wusste seltsamerweise genau, was in Hurghada geplant ist und hat sich nach Deutschland abgesetzt. Woher hatte er seine Erkenntnisse? Man mag sich die Antwort selber geben. Jedenfalls hat sein Interview eine Welle von Anzeigen gegen ihn ausgelöst und er wird aus dem Verband der Reiseleiter ausgeschlossen. Zudem wurde gedroht, seinen Laden zu zerstören. Nach Hurghada zurückkehren ist für ihn wohl unmöglich geworden.

Gestern Abend, unter einem herrlichen Vollmond spazierten in der Marina mehrheitlich ägyptische Paare, Familien und Jugendliche, nur wenige Europäer waren zu sehen.

Das ist eine Seite von Hurghada.

Eine andere hier: Wie ich immer wieder betone, befindet sich das Land in einer Umbruchphase, die noch lange nicht abgeschlossen ist und folglich ändert sich die politische Lage und mit ihr die Sicherheit ständig. Zum Guten wie zum Schlechten. Vorgestern wurde in einem Restaurant in aller Herrgott’s Früh eine Razzia gemacht, wobei Waffen und Hotelpläne zum Vorschein kamen. Der Inhaber war ein Muslimbruder. Diese Nachricht hat mich nicht erschreckt, sondern erleichtert. Ich habe mich stets gefragt, wie lange sich die MB auf Anschläge gegen den Staat und Kopten beschränken würden. Es ist zu befürchten, dass irgendwann der Tourismus drankommt, so wie in den 90er Jahren. Dass diese Razzia durchgeführt wurde zeigt, dass die Armee weiss, was sie tut, Kenntnisse der potentiellen Gefahr hat und handelt. Seit einigen Tagen sind nun auch der Flughafen, Banken und andere wichtige Gebäude sowie nachts die Strassen gesichert.

Nun hoffe ich nur, dass weiteres Ungemach verhindert wird und die Anschläge mit der Festnahme der wichtigsten MB-Köpfe abnehmen, besser noch aufhören werden. Gestern wurde wieder einer der MB-Köpfe, vermutlich auf der Flucht Richtung Libyen, gefasst.

Das Blutvergiessen, die wechselnden Meldungen von Toten, Anschlägen, Gefangennahmen, Demonstrationsaufrufen und die gestrige Nachricht, wonach ex-Präsident Mubarak aus dem Gefängnis entlassen werden soll (was nicht ganz richtig ist: er kommt unter Hausarrest, denn ohne weitere Verurteilung darf er gemäss ägyptischem Gesetz nicht länger im Gefängnis behalten werden, trotz weiteren Anklagen) zehren an den Nerven. Die Leute sind an einem Tag euphorisch und stehen 100% hinter El Sisi, dem Armeechef, dann plötzlich fühlen sie, dass die Muslimbrüder in einen Hinterhalt gelockt werden und jetzt höre ich, dass Mubarak ein Engel war im Vergleich zu den Muslimbrüdern. Grotesk, aber wahr ist die Aussage, dass sie lieber eine Diktatur hätten. Es ist ein Wechselbad der Gefühle, das für die emotionalen Menschen hier einem Psycho-Krieg gleichen muss.

Trotz allem geht das Leben hier weiter, ich arbeite, treffe mich mit Freunden und kaufe ein. Ich wünsch mir aber, dass die Ungewissheit einer vernünftig planbaren Zukunft weicht.

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