Viele Touristen fliegen ab, nur wenige kommen an. Vor den
Hotels sieht man Angestellte mit Tränen in den Augen, ihr Köfferchen neben
sich, auf den Bus wartend. Sie fahren nach Hause zu ihren Familien. Ein
Reiseleiter von Travco (TUI-Partner) hat mir von einer Sitzung erzählt: ab 25. müssen
alle Angestellten drei Wochen in die Ferien. Sie sind verzweifelt, Ferien- oder
Arbeitslosengeld gibt es nicht, Ersparnisse auch nicht mehr, zu schwierig waren
die vergangenen zweieinhalb Jahre. Die meisten schwören, sich eine Arbeit
ausserhalb des Tourismus zu suchen. Aber wo?
Öl ins Feuer hat Mazen Okasha mit seiner Aussage im ZDF
gegossen, als er sagte, Hurghada sei zu gefährlich. Er ist ein Feigling, denn
ER wusste seltsamerweise genau, was in Hurghada geplant ist und hat sich nach
Deutschland abgesetzt. Woher hatte er seine Erkenntnisse? Man mag sich die
Antwort selber geben. Jedenfalls hat sein Interview eine Welle von Anzeigen
gegen ihn ausgelöst und er wird aus dem Verband der Reiseleiter ausgeschlossen.
Zudem wurde gedroht, seinen Laden zu zerstören. Nach Hurghada zurückkehren ist
für ihn wohl unmöglich geworden.
Gestern Abend, unter einem herrlichen Vollmond spazierten in
der Marina mehrheitlich ägyptische Paare, Familien und Jugendliche, nur wenige
Europäer waren zu sehen.
Das ist eine Seite von Hurghada.
Eine andere hier: Wie ich immer wieder betone, befindet sich
das Land in einer Umbruchphase, die noch lange nicht abgeschlossen ist und
folglich ändert sich die politische Lage und mit ihr die Sicherheit ständig.
Zum Guten wie zum Schlechten. Vorgestern wurde in einem Restaurant in aller
Herrgott’s Früh eine Razzia gemacht, wobei Waffen und Hotelpläne zum Vorschein
kamen. Der Inhaber war ein Muslimbruder. Diese Nachricht hat mich nicht erschreckt,
sondern erleichtert. Ich habe mich stets gefragt, wie lange sich die MB auf
Anschläge gegen den Staat und Kopten beschränken würden. Es ist zu befürchten,
dass irgendwann der Tourismus drankommt, so wie in den 90er Jahren. Dass diese
Razzia durchgeführt wurde zeigt, dass die Armee weiss, was sie tut, Kenntnisse
der potentiellen Gefahr hat und handelt. Seit einigen Tagen sind nun auch der
Flughafen, Banken und andere wichtige Gebäude sowie nachts die Strassen
gesichert.
Nun hoffe ich nur, dass weiteres Ungemach verhindert wird
und die Anschläge mit der Festnahme der wichtigsten MB-Köpfe abnehmen, besser
noch aufhören werden. Gestern wurde wieder einer der MB-Köpfe, vermutlich auf
der Flucht Richtung Libyen, gefasst.
Das Blutvergiessen, die wechselnden Meldungen von Toten,
Anschlägen, Gefangennahmen, Demonstrationsaufrufen und die gestrige Nachricht,
wonach ex-Präsident Mubarak aus dem Gefängnis entlassen werden soll (was nicht
ganz richtig ist: er kommt unter Hausarrest, denn ohne weitere Verurteilung darf
er gemäss ägyptischem Gesetz nicht länger im Gefängnis behalten werden, trotz
weiteren Anklagen) zehren an den Nerven. Die Leute sind an einem Tag euphorisch
und stehen 100% hinter El Sisi, dem Armeechef, dann plötzlich fühlen sie, dass
die Muslimbrüder in einen Hinterhalt gelockt werden und jetzt höre ich, dass
Mubarak ein Engel war im Vergleich zu den Muslimbrüdern. Grotesk, aber wahr ist
die Aussage, dass sie lieber eine Diktatur hätten. Es ist ein Wechselbad der
Gefühle, das für die emotionalen Menschen hier einem Psycho-Krieg gleichen
muss.
Trotz allem geht das Leben hier weiter, ich arbeite, treffe
mich mit Freunden und kaufe ein. Ich wünsch mir aber, dass die Ungewissheit einer
vernünftig planbaren Zukunft weicht.
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