Seit die europäischen Länder Reisewarnungen für Ägypten
ausgesprochen und diese in einem zweiten Schritt auf die Region Rotes Meer ausgeweitet
haben, ist der Tourismus hier zusammen gebrochen. Oder beschönigend
ausgedrückt: eine Pause wurde eingelegt.
Wie schon im Frühjahr 2011 sind Flugzeuge leer in Hurghada
gelandet und haben Touristen ausgeflogen. Die Hotels leeren sich, eines nach
dem anderen schliesst. Einige wenige sind noch offen und bewerben nun den
Inlandtourismus mit enormen Preissenkungen. Auch einige Tauchbasen arbeiten
noch. In der Tiefe des Meeres scheint die Welt wohl noch eher in Ordnung.
Wenn ich morgens mit meinem Rennrad unterwegs bin, komme ich
mir vor wie in einem falschen Film, den ich aber schon einmal durchlebt habe:
kaum Mini- und Hotelbusse, die junge Männer zu den Hotels fahren, wenige Taxis
und Privatfahrzeuge. Vor den Hotelanlagen sitzen ein paar Sicherheitsleute
herum, die unzähligen Souvenirgeschäfte bleiben geschlossen. Der Tand aus
China, die ewig gleichen T-Shirts sowie die Fantasienamen der Geschäfte wirken
auf mich noch schäbiger als sonst.
Dahinter stehen aber Menschen, Familien und Verzweiflung.
Zehntausende von Angestellten haben in den letzten Wochen Hurghada verlassen,
um Zwangsferien zu nehmen. Während diesen sogenannten Ferien erhalten sie
keinen Lohn, keine Arbeitsausfallsentschädigung, noch sonst irgendeine
Unterstützung. Das gibt es hier nicht. Viele Arbeitgeber bleiben ihren
Angestellten den Lohn mit fadenscheinigen Begründungen schuldig.
Eine Hotelangestellte sagt unseren Termin ab, weil sie nur
einen Teil ihres vertraglichen Lohnes ausbezahlt bekam. Die Buchhalter wollten
die ruhigere Zeit zur Auffrischung ihrer Englischkenntnisse nützen, werden aber
von einem Tag auf den anderen ebenfalls nach Hause geschickt. Die Fotografin
liefert ihre Bilder ab, der Abnehmer gibt ihr 50 % des vereinbarten Entgeltes und
behauptet, nicht mehr zu haben.
Der mehrsprachige Reiseleiter (ein Anwalt mit Master-Diplom
aus Frankreich) erhielt nur seinen Basislohn von 300 Pfund (ca. 30 Euro); das vereinbarte
Wohngeld von 900 Pfund wurde einbehalten und Provisionen für Ausflüge sowie
Trinkgelder fallen logischerweise nicht an. Umsatzbeteiligung steht zwar im
Vertrag, wird aber nie ausbezahlt. Das ist kein Einzelfall, sondern die Regel
und die wird von allen Tour Operators eingehalten, egal wie klingend ihre Namen,
egal wie bekannt ihre europäischen Partner sind. Der Reiseleiter, seine
Kollegen und mit ihnen eine Heerschaar von Arbeitern sind völlig verzweifelt,
wissen nicht, wie über die Runden kommen. Die vergangenen zweieinhalb Jahre
haben nicht genügend eingebracht, um etwas auf die Seite zu legen. Das gilt für
die Angestellten, nicht aber für die Firmeninhaber und das oberste Management.
Die scheffeln Euro-Millionen und halten die Angestellten wie Sklaven.
Gewerkschaft gründen? Solches Gehabe wird mit Mafia-Methoden
verhindert. Sich wehren und den Arbeitgeber verklagen? Entlassung und Drohungen
an Leib und Leben. Streiken? Polizeigewalt, Gefängnisaufenthalt und
Rausschmiss. Grad heute berichten die Medien von der (vermutlich willkürlichen)
Gefangennahme eines Anwalts, der sich für die Rechte von Arbeitern einsetzt.
Aufbegehren gegen Ungerechtigkeit hat in Ägypten keine Tradition und nur schon
die Idee dafür wird im Keime erstickt.
Trotzdem ist das Land in einem Tumult. Oder eben genau
deswegen?
Wann kommen die Touristen zurück? Niemand weiss es. Die
Drohung seitens der USA, Syrien anzugreifen, hängt wie ein Unheil ankündigendes
Gewitter über der Region. Das ist zwar ein anderes Thema, hat aber Auswirkungen
auf die Wirtschaftslage Ägyptens. Touristen kommen dann garantiert keine mehr.
Vielleicht müssen dann auch wir unsere Koffer packen. Ich
meine wir Ausländer, die hier leben. Und was machen die Ägypter dann?
Auch wir sind Ausländer, die hier leben und im Tauchbusiness unseren Lebensunterhalt verdienten. Weggehen? Wohin denn? Wir haben keine Basis mehr in Europa, keine Wohnung und kein Dach über dem Kopf. Ägypten ist unsere Heimat. Die Aussichten sind trübe.
AntwortenLöschenDanke für den schönen Blog. Hurghada ist meine zweite Heimat. Ende nächsten Jahres wollten auch wir nach jahrelanger Vorplanung nach hurghada auswandern. Wir stehen gerade vor dem scherbenhaufen unserer Zukunft. Was tun...? Ich will die Hoffnung nicht aufgeben.
AntwortenLöschen