Donnerstag, September 05, 2013

Reisewarnungen und deren Folgen

Seit die europäischen Länder Reisewarnungen für Ägypten ausgesprochen und diese in einem zweiten Schritt auf die Region Rotes Meer ausgeweitet haben, ist der Tourismus hier zusammen gebrochen. Oder beschönigend ausgedrückt: eine Pause wurde eingelegt.

Wie schon im Frühjahr 2011 sind Flugzeuge leer in Hurghada gelandet und haben Touristen ausgeflogen. Die Hotels leeren sich, eines nach dem anderen schliesst. Einige wenige sind noch offen und bewerben nun den Inlandtourismus mit enormen Preissenkungen. Auch einige Tauchbasen arbeiten noch. In der Tiefe des Meeres scheint die Welt wohl noch eher in Ordnung.

Wenn ich morgens mit meinem Rennrad unterwegs bin, komme ich mir vor wie in einem falschen Film, den ich aber schon einmal durchlebt habe: kaum Mini- und Hotelbusse, die junge Männer zu den Hotels fahren, wenige Taxis und Privatfahrzeuge. Vor den Hotelanlagen sitzen ein paar Sicherheitsleute herum, die unzähligen Souvenirgeschäfte bleiben geschlossen. Der Tand aus China, die ewig gleichen T-Shirts sowie die Fantasienamen der Geschäfte wirken auf mich noch schäbiger als sonst.

Dahinter stehen aber Menschen, Familien und Verzweiflung. Zehntausende von Angestellten haben in den letzten Wochen Hurghada verlassen, um Zwangsferien zu nehmen. Während diesen sogenannten Ferien erhalten sie keinen Lohn, keine Arbeitsausfallsentschädigung, noch sonst irgendeine Unterstützung. Das gibt es hier nicht. Viele Arbeitgeber bleiben ihren Angestellten den Lohn mit fadenscheinigen Begründungen schuldig.

Eine Hotelangestellte sagt unseren Termin ab, weil sie nur einen Teil ihres vertraglichen Lohnes ausbezahlt bekam. Die Buchhalter wollten die ruhigere Zeit zur Auffrischung ihrer Englischkenntnisse nützen, werden aber von einem Tag auf den anderen ebenfalls nach Hause geschickt. Die Fotografin liefert ihre Bilder ab, der Abnehmer gibt ihr 50 % des vereinbarten Entgeltes und behauptet, nicht mehr zu haben.

Der mehrsprachige Reiseleiter (ein Anwalt mit Master-Diplom aus Frankreich) erhielt nur seinen Basislohn von 300 Pfund (ca. 30 Euro); das vereinbarte Wohngeld von 900 Pfund wurde einbehalten und Provisionen für Ausflüge sowie Trinkgelder fallen logischerweise nicht an. Umsatzbeteiligung steht zwar im Vertrag, wird aber nie ausbezahlt. Das ist kein Einzelfall, sondern die Regel und die wird von allen Tour Operators eingehalten, egal wie klingend ihre Namen, egal wie bekannt ihre europäischen Partner sind. Der Reiseleiter, seine Kollegen und mit ihnen eine Heerschaar von Arbeitern sind völlig verzweifelt, wissen nicht, wie über die Runden kommen. Die vergangenen zweieinhalb Jahre haben nicht genügend eingebracht, um etwas auf die Seite zu legen. Das gilt für die Angestellten, nicht aber für die Firmeninhaber und das oberste Management. Die scheffeln Euro-Millionen und halten die Angestellten wie Sklaven.

Gewerkschaft gründen? Solches Gehabe wird mit Mafia-Methoden verhindert. Sich wehren und den Arbeitgeber verklagen? Entlassung und Drohungen an Leib und Leben. Streiken? Polizeigewalt, Gefängnisaufenthalt und Rausschmiss. Grad heute berichten die Medien von der (vermutlich willkürlichen) Gefangennahme eines Anwalts, der sich für die Rechte von Arbeitern einsetzt. Aufbegehren gegen Ungerechtigkeit hat in Ägypten keine Tradition und nur schon die Idee dafür wird im Keime erstickt.

Trotzdem ist das Land in einem Tumult. Oder eben genau deswegen?

Wann kommen die Touristen zurück? Niemand weiss es. Die Drohung seitens der USA, Syrien anzugreifen, hängt wie ein Unheil ankündigendes Gewitter über der Region. Das ist zwar ein anderes Thema, hat aber Auswirkungen auf die Wirtschaftslage Ägyptens. Touristen kommen dann garantiert keine mehr.

Vielleicht müssen dann auch wir unsere Koffer packen. Ich meine wir Ausländer, die hier leben. Und was machen die Ägypter dann?


2 Kommentare:

  1. Auch wir sind Ausländer, die hier leben und im Tauchbusiness unseren Lebensunterhalt verdienten. Weggehen? Wohin denn? Wir haben keine Basis mehr in Europa, keine Wohnung und kein Dach über dem Kopf. Ägypten ist unsere Heimat. Die Aussichten sind trübe.

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  2. Danke für den schönen Blog. Hurghada ist meine zweite Heimat. Ende nächsten Jahres wollten auch wir nach jahrelanger Vorplanung nach hurghada auswandern. Wir stehen gerade vor dem scherbenhaufen unserer Zukunft. Was tun...? Ich will die Hoffnung nicht aufgeben.

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