Die Strecke von Hurghada nach El Quesir habe ich schon zwei
Mal beschrieben (hier und hier). Im Oktober haben wir endlich eine Zwei-Tages-Fahrt nach Marsa
Alam gemacht.
*****
Ich bin wach, noch bevor der Wecker läutet – ich habe
schlecht geschlafen, wie immer, wenn ich früh aufstehen muss. Die Dämmerung
kündigt sich an; schnell packe ich meine Kamera und reisse die Türe des
Bungalows auf. In wenigen Schritten bin ich am Strand, gerade rechtzeitig um zu
sehen, wie sich ein gleissender Feuerball aus dem Meer erhebt und den Himmel vom
fahlen Dämmerlicht in ein leuchtendes Knallrot übertüncht. Überwältigt stehe
ich da, lausche dem leisen Wellenschlag und beobachte dieses Naturschauspiel.
Kann ich davon je genug kriegen?
Doch es eilt, mein Kamerad will um sechs aufs Rad und ich
gehe zurück, um mich zu waschen und Zähne zu putzen. Der Wasserhahn bleibt
trocken – meinen die, man brauche in der Nacht kein Wasser? – und ich helfe mir
mit dem verbliebenen Mineralwasser.
Kurz später stehe ich in Radkleidung vor dem
Frühstücksbuffet, das noch keines ist.
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Um halb sieben starten wir endlich; der Feuerball hat sich
in die bekannte, unerbittlich herabbrennende Sonne verwandelt. Noch sind die
Temperaturen angenehm, noch ist es kühl und wir rollen während einer Stunde stumm
vor uns hin. Ich brauche Zeit, um wach zu werden, meine Beine fühlen sich müde
an.
Plötzlich bemerke ich eine Bewegung rechts von mir und zucke
zusammen: ein Hund läuft stumm, in ausgreifendem Galopp (kann man das bei
Hunden sagen?) neben uns her. Normalerweise bellen die Hunde und verfolgen uns –
der hier, oder besser: die Hündin hier, scheint sich einen riesigen Spass
daraus zu machen, uns zu begleiten! Sie lässt nicht ab, wechselt hie und da auf
den Asphalt oder auf die linke Strassenseite, sucht ein besseres Terrain, um
mit uns Schritt zu halten. Fasziniert schaue ich ihr zu, wie ihre Vorläufe
ausholen, ihr Körper sich athletisch streckt…
Nach einigen Kilometern halten
wir an, ich will ihr ein Biskuit geben und sie nimmt die Stärkung gerne an.
Doch wir müssen weiter, es wird heisser und wir haben erst einen kleinen Teil
der 135 km hinter uns gelassen. Wir treten wieder kräftig in die Pedale und die
Hündin begleitet uns, doch sie fällt zusehends zurück. Sie schafft es nicht
mehr, mit uns Schritt zu halten, obwohl sie lange nicht aufgibt. Immer wieder
wende ich mich um, um zu sehen, ob sie noch da ist… irgendwann kann ich sie
nicht mehr entdecken. Ich werde diese Begegnung wohl nie mehr vergessen.
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Ich rolle und rolle und rolle. Rauf und runter gehen meine
Beine, meine Hände suchen eine andere Stellung am Lenker. Das lange
Asphaltband dehnt sich in der Sonne aus, es krümmt sich nach rechts und links,
es richtet sich auf, um sich über unendlich steile Hügel zu legen, nur um sich
dahinter wieder frech hinabfallen zu lassen. Ich nehme die Wüste nicht mehr
wahr, es gibt kaum Verkehr. Ich sehe nur dieses elend lange Asphaltband, die
unzähligen Hügel vor mir und links in der Ferne das glitzernde Meer.
Seit El
Quesir stehen regelmässig Schilder mit Kilometerangaben am Strassenrand: Marsa
Alam 85 km, Shalateen 335 km. Marsa Alam 80 km, Shalateen 330 km… Mir kommt
vor, die Distanz verringert sich im Zeitlupentempo, während ich mit aller Kraft
in die Pedalen trete. Erst viel später, nämlich kurz vor Marsa Alam, stellen
wir fest, dass die Kilometerangaben überhaupt nicht stimmen. Von El Quesir nach
Marsa Alam radeln wir 137 km, von Hurghada nach Marsa Alam sind es insgesamt 270
km.
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Muss es denn stetig auf- und abwärts gehen? Wir sind doch am
Meer! Ich habe fürchterlich heiss und sehne mich nach kühlem Wasser.
Dummerweise haben wir unseren Trinkwasservorrat über Nacht nicht gekühlt – das
büsse ich… Kühlung von Innen wäre gefragt. Beim Aufstieg kurz vor Port Ghalib erblicke
ich eine Tankstelle. „Kaltes Wasser“ schiesst
es mir durch den Kopf. Doch weder im Tankstellenshop noch im Café daneben
findet sich die begehrte Flüssigkeit – obwohl haufenweise Kisten mit
Mineralwasser vor dem Café gestapelt sind. Die Kühlvitrinen sind verriegelt und
drinnen finde ich niemanden. Naja, es ist Eid El Kibir, der höchste muslimische
Feiertag, und der Typ wird wohl irgendwo schlafen… Enttäuscht schwinge ich mich
wieder auf meinen Sattel.
*****
Wir kommen an der Abzweigung nach Port Ghalib vorbei und ich
tröste mich mit dem Gedanken, dass ich heute Abend dort mit einem kühlen Bier
sitzen werde. Wir rollen hinab, in die nächste Ebene und trampeln wieder hinauf,
zur nächsten Erhebung.
Ich bin so müde, dass ich eigentlich vom Rad fallen müsste.
Die Musik in meinem Ohr feuert mich an und sobald ich zuoberst auf einer
Erhebung bin und vor mir die nächste Senke liegt, stürze ich mich freudig und
mutig hinab… nur um einige Minuten wieder hinauf zu trampeln. Bei jedem
Aufstieg falle ich weiter hinter meinem Rad-Kameraden zurück – ein Zeichen,
dass meine Kräfte zu Ende sind.
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Plötzlich liegt Marsa Alam vor uns. Kein Strassenschild,
völlig unspektakulär, ja fast enttäuschend erreichen wir unser Ziel. In einer
Nebenstrasse verstauen wir unsere Räder im Begleitfahrzeug und ich schütte
eiskaltes Cola und Wasser in mich hinein, um meine Betriebstemperatur zu
reduzieren.
*****
Wir fahren retour nach Port Ghalib, wo ich zwei Tage bleibe, während mein Rad-Kamerad nach Hurghada zurückkehrt.
*****
Ich gestehe, dass ich am Tag danach so unendlich müde war,
dass ich mich am liebsten nicht mehr bewegen, sondern nur sitzen, oder noch
besser: liegen wollte. Und essen. Ich habe doppelt so viel gefrühstückt und
zwei Mal zu Mittag gegessen und das zwei Tage lang.
Auf der Rückfahrt nach Hurghada (per Taxi) habe ich mich allen Ernstes
gefragt, wie ich diese 270km in zwei Tagen per Rad fahren konnte – es ist mir
noch immer Rätsel! Ich hab’s aber geschafft und ich bin stolz darauf.
(English)
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