Montag, Juni 24, 2013

Zum Blauen Mond: ein Platz für Notleidende (Teil II)

Klinik
Die Klinik ist eigentlich eine Galerie. Monique malt und ihr Mann ist Steinmetz. Nun ist der OP-Raum in der Galerie und das Atelier dient als Büro und Arbeitsraum. Überall sind liebevolle Arbeiten der beiden Künstler aufgestellt, aufgehängt und man tritt im wahrsten Sinne des Wortes auf sie: sogar die Bodenkacheln sind mit Weisheiten in verschiedenen Sprachen beschriftet und bemalt. 



Für Kunst bleibt kaum mehr Zeit, stattdessen werden hier verletzte Tiere operiert und – was sich in ganz Hurghada herum gesprochen hat – Strassentiere werden gratis kastriert. Monique ist seit Jahren treibende Kraft dafür, dass wilde Hunde und Katzen nicht mehr mit ausgelegtem Gift getötet, sondern kostenlos kastriert werden können. HEPCA und weitere Tierschützer standen ihr zur Seite.

Von Wohnung und Atelier zum Tierheim
Und wie fing das alles an?
„Vor unserer Haustüre miaute eine verletzte Katze.“ Ihr Mann holte sie herein, sie pflegten sie und irgendwann verschwand sie wieder. „Dabei hatten wir vorher mit Tieren überhaupt nichts am Hut!“ Kurz danach tauchte ihr Mann mit zwei Wellensittichen in einem Körbchen auf. Also bauten sie eine Voliere auf der Veranda des Ateliers. Und weil die Vögel gemäss Informationen aus dem Internet – da holte sie sich ihr erstes Wissen - nicht gerne alleine leben, kauften sie noch drei weitere Vögel hinzu. Beim Futterkauf in Kairo erstanden sie eine Katze, denn die andere war ja davon gelaufen. 

Der „Strassenmatador“ hat gleich dafür gesorgt, dass es Nachwuchs gab und bald standen Monique und ihr Mann inmitten einer Schar kleiner Kätzchen. Kastrieren müsse man sie; deshalb gingen sie zu einem Tierarzt. Der hat alle miteinander zu Tode kastriert. Als Ersatz wollten sie deshalb einen Hund haben. Der brachte gleich zwei weitere Kollegen mit und folglich mussten auch die kastriert werden. Der Gang zum Tierarzt brachte wieder das gleiche Resultat wie bei den Katzen.

Zum Blauen Mond: ein Platz für Notleidende (Teil I)

Ein Tierheim mitten in der Wüste, mit viel Herzblut aufgebaut


Hurghada bietet mehr als nur Sonne, Meer und billigen Alkohol und den damit verbundenen Sextourismus. Dank persönlichem Engagement entstehen da und dort Organisationen und Angebote, die entgegen dem üblichen Trend nicht kurzfristigen Gewinn erzielen, sondern eine langanhaltende Verbesserung eines unhaltbaren Zustandes erreichen möchten.  Das „Bluemoon“ ist eines davon und darüber berichte ich in diesem Blog.

„Bluemoon“ ist nicht der Name einer lauschigen Landbeiz, sondern der Name für ein Tierheim mitten in der Wüste. Monique erwartet mich in ihrem knallroten VW-Käfer an der Mittleren Ringstrasse. Über eine Sandpiste holpern wir weitere 500 m in die Wüste hinein. Wir steigen aus und stehen praktisch im Herzen des Tierheims. Ein weisser Welpe begrüsst uns schwanzwedelnd, Katzen beschnuppern mich neugierig und streichen mir um die Beine, während ich mich umsehe. Ein riesiger Tisch, um den ein gutes Dutzend Stühle gruppiert sind, dahinter zwei Sofas, die mit Webteppichen bedeckt sind, ein Küchentisch mit Sitzbank, eine Wasserpfeife. Weiter rechts ein riesiger Steintisch auf gemauerten Sockeln. Hunde und Katzen überall. Wände und Säulen sind aus Bauschutt und gebrochenen Steinen aus der Wüste gemauert, Schatten spenden Palmwedel und Stroh. Der Boden: Sand. Natürlich! Alles aus Natur gebaut. In die Säulen sind Nischen eingearbeitet, um Kunstwerken aus Stein Platz zu geben. Ich fühle mich sofort wohl. Der halboffene Bau lässt den Blick zu den nahen Gehegen frei.

Gehege – jedem Tier sein Reich
„Machen wir doch zuerst einen Rundgang“, schlägt Monique vor und zeigt mir die Zöglinge ihrer Mini-Gärtnerei. Hier werden Sukkulenten gezüchtet, die sie an den Märkten weiterverkauft. „Was sind Sukkulenten?“ frage ich. „Pflanzen, die Wasser in ihren Blättern speichern“ lautet die Antwort, die mir genauso logisch erscheint, wie ich mich unwissend fühle. Gleich daneben zwitschert es in einer Voliere. Ich blicke durch die engen Maschen und entdecke hellblaue und weisse Kanarienvögel, die auf Bambusstäbchen hocken und schaukeln. Für einen Moment werden Kindheitserinnerungen wach… mein Opa… gelbe Kanarienvögel… 



Doch Moniques Stimme holt mich sofort in die Gegenwart zurück. Sie marschiert in die Sonne hinaus, die um neun Uhr morgens schon unerbittlich heiss vom Himmel brennt. 
Einen Esel liebkosend erzählt sie mir, dass sogar die Regierung misshandelte Esel bringe, die sie von Dieben konfisziert hat. Ausgerechnet die Regierung! 

Ironischerweise wurden sie und ihr Mann Salah von derselben Regierung wegen Wasserdiebstahls angezeigt und zu einem Jahr Gefängnishaft verurteilt. Während wir zu den Katzengehegen schlendern, erfahre ich, dass ihr jedoch die Vorgängerregierung die Bewilligung zum Wasserbezug ab Pipeline erteilt und das Land gegen einen Kauf-/Mietvertrag überlassen hat. Da das Gezerre über das Wasser schon seit einem Jahr andauert und ihr die finanziellen Mittel zum Wasserkauf ab Tankwagen fehlen, vertrocknen die Pflanzen und Büsche. Folglich ist sie gezwungen, auch Grünfutter zu kaufen, das sie sonst selbst ernten könnte. Ein Teufelskreis, aus dem sich nicht so schnell herauskommen lässt. In Naher Zukunft wollen sie selber Grundwasser entsalzen. Eine gebrauchte Entsalzungsanlage steht bereit und wird gekauft, sobald genügend Geld beisammen ist.




Montag, Juni 03, 2013

Überdosis

Sogar die Flugzeuge fliegen in die falsche Richtung. Sie starten südwärts, statt nordwärts wie üblich. Alle paar Minuten beobachte ich, wie eines knapp über die Häuser in die dunkle Nacht hinauf zielt. Südwärts starten sie nur bei absoluter Windstille.

Ich sitze seit Einbruch der Dunkelheit auf dem Balkon. Geduldig, schicksalsergeben und hoffend. Nur einmal entweicht mir ein „ohh!“ – dann nämlich, als der Gebäudekomplex schräg gegenüber erleuchtet wird. Kurz darauf versinkt es wieder im Dunkeln. Ganz Hurghada sitzt im Dunkeln.

Freitag, Mai 31, 2013

Mein heisser Laptop und die Folgen

Begonnen hat alles im September letzten Jahres. Mein Laptop lief heiss und ich brachte ihn in ein Computergeschäft, um den Ventilator zu reinigen. Das war schon Mal nötig und danach lief der Laptop weiterhin… heiss. Damals zerkratzten die Fachleute das Gehäuse und die „Delete“-Taste war etwas eingesunken. Aber alles funktionierte.

Also, eines Abends, auf dem Rückweg von einer Unterrichtsstunde ausser Haus, so um 19 Uhr, ging ich in das Geschäft und erklärte mein Anliegen. Der junge Mann starrte mich an, als ob er kein Wort verstehen würde. Also fragte ich, ob er Englisch spreche. Ja natürlich, war seine Antwort, aber ich solle doch mein Anliegen dem Chef sagen. Wieso sagte er mir das nicht sofort? Also trug ich mein Anliegen dem Chef vor. Dieser kannte mich von früher.

Zwei Stunden solle ich warten. Kein Problem, ich sagte, dass ich nach 21 Uhr zurück käme, das Gerät aber dringend brauche. Ich arbeitete damals an einer mühsamen Übersetzung und seit ich in Ägypten lebe, kann ich ohne Internet nicht mehr sein.

Ich genoss im Fischrestaurant ein paar Häuser weiter einen herrlichen Fisch, Tahina und Fladenbrot. Erneut stieg ich die Treppen über der ortstypischen Metzgerei (beim Vorbeigehen senke ich den Blick, um das aufgehängte, rohe Fleisch nicht ansehen zu müssen) zum Computergeschäft hoch, hoffend, dass mein Laptop fertig war.

Samstag, Mai 11, 2013

Wie ist das Leben für eine Frau in Hurghada?

Diese Frage wird mir hin und wieder gestellt, mündlich oder auch schriftlich, und ich versuche hier, eine Antwort zu formulieren. Jede Frau wird darauf unterschiedlich antworten, je nach ihrer Herkunft, ihrem Bildungsstand und ihrer Lebenssituation. Ich kann also nur meine Ansicht wiedergeben und zu einem kleinen Teil jener meiner Bekannten und Freundinnen.

Andere Länder, andere Probleme
Ferien in Hurghada sind wunderschön: die Hotelanlage ist traumhaft und gepflegt, die Angestellten und Verkäufer im Hotel bedienen freundlich, die Sonne scheint, es weht ein angenehmer Wind, das Essen schmeckt gut. So erlebt ein Gast Ferien auch beim zweiten und dritten Mal. Das Leben ausserhalb der Hotelanlage sieht aber anders aus.


Muttertag

Zum Muttertag hier mal einen ganz persönlichen Beitrag:

Liebe Mama,
Danke für alles, was du mir auf meinen Lebensweg mitgegeben hast.
Deine Tochter

Dienstag, Mai 07, 2013

Nicht mehr da und noch nicht weg

Die Grenzen verwischen sich. Meine Verpflichtungen in meiner Heimat sind beendet. Versuche ich mich an die ersten zwei Monate im kalten Winter zu erinnern, empfinde ich nur schwarz. Lange Arbeitstage plagten mich, die Arbeitslast bedrückte mich und vor dem Bürofenster klebte Nebel, tanzten Schneeflocken oder es war dunkelschwarz. Die letzten zwei Monate waren bunter und voller Hoffnung auf den Frühling und auf ein baldiges Ende meines Einsatzes; beide hatten es nicht eilig.


Nun stehe ich erleichtert am Ende oder am Anfang, je nach Blickrichtung. Ich bin noch nicht wieder in Hurghada, aber auch nicht mehr festgehalten in dem starren Korsett des Alltages. Ich habe die Sprachgrenze überquert, die für mich keine Grenze, sondern eine Öffnung darstellt. Mit der Sprache kam auch schon die andere Kultur hinzu. Mit jedem Autobahnkilometer, den ich hinter den Alpen weiter südwärts fuhr, fand ich näher zurück - zu mir.

In Hurghada lebe ich in einer internationalen Gemeinschaft. Das fordert und fördert mich. Ich liebe diese Art von kulturellem und sprachlichem Gemisch, auch wenn es alles andere als einfach ist. Meine Welt dort ist weiter, grösser und vielfältiger als jene in meiner Heimat.

Und trotzdem fällt der Abschied schwer. Tränen in den Augen einer Freundin, Wortfetzen aus einem Gespräch mit meinen Eltern, der Duft der Maiglöckchen – sie sind bald nur noch Erinnerungen oder… Vorfreude auf das nächste Mal?

Drüben jene, die sich schon lange auf ein Wiedersehen freuen und sich während den langen Monaten mit Facebook und Email in meinem Leben hielten.

Abschied bedeutet Wiedersehen. Für ein paar Tage bewege ich mich in einem anderen Kultur- und Sprachraum, der mir Heimat war und noch immer ist. Die Grenzen zwischen hier und dort verwischen sich und werden völlig unwichtig. Wichtig ist das, was in mir bleibt. Der Duft der Macchia, der Blick von Le Manie aufs Meer hinaus, der Geruch des Waldbodens nach dem Frühlingsregen, die erste Frühlings-Radfahrt mit einer Freundin, eine Träne, eine Umarmung, ein „Schlaf gut“, ein Lachen… War es in Deutsch, Englisch oder Italienisch? War es in Hurghada, in Poschiavo oder in Triesen?

Unwichtig. Hauptsache, es ist und ich bin.