Samstag, Mai 20, 2023

Ich hab’s getan – eine Wohnung gekauft (Teil VII einer langen Fortsetzungserzählung)

Ameisen – das Übel

Der letzte Sommer war ein Ameisensommer. Nicht nur bei mir, sondern in vielen Wohnungen in ganz Hurghada.

Die kleinen Dinger haben Null Anstand und Respekt. Sie drängeln sich durch die kleinsten Ritzen und Löcher, von denen die angeblichen "Handwerker" (siehe Beispiel) jede Menge übrig gelassen haben. Eigentlich sollte ich die ganze Wohnung neu plättelen (zu Deutsch: kacheln) und verkitten. Jedenfalls konnte ich wunderbar beobachten, aus welchem Loch die Ameisen rauskamen, wo sie ihre Strassen verlegten und wo sie wieder verschwanden. Im Bad sah ich das besonders gut, genauer gesagt unter der Dusche.

Dienstag, Mai 09, 2023

Ausflug nach Oberägypten - 3. Tag

Dritter Tag: Naqadah

Diese kleine Stadt wenige Kilometer nördlich von Luxor steht auch schon lange auf meiner Liste. Warum? Weil einer meiner Freunde von hier kommt und hier lebt und die Stadt heute zwar aus touristischer Sicht bedeutungslos ist, aber handwerklich und geschichtlich interessant ist.

Noch mehr Webtradition

Hier wurden ebenfalls seit Urzeiten handgewobene Stoffe hergestellt. Mein Freund B. sagte mir, früher kam das Tuch für die Kaaba in Mekka, die Kiswa, von hier. Die Stoffe wurden auch in den Sudan geliefert.

Montag, Mai 08, 2023

Ausflug nach Oberägypten - 2. Tag

Zweiter Tag: Abydos

Autofahren - nichts für Weicheier

Von Sohag nach Abydos soll die Fahrt ca. eineinhalb Stunden dauern. Ich brauche zweieinhalb. Das wirft meine Planung ziemlich über den Haufen, obwohl ich genauso fahre, wie mir Google Maps das vorgibt. Einmal weigere ich mich, in ein Dorf hineinzufahren, wo die Löcher in den Strassen tiefer sind, als mein Auto verkraftet. Selbst im ersten Gang fahren ist fast nicht möglich und wir humpeln wieder aus dem Dorf hinaus. Ich rede mir gut zu: „Du hast ja einen Jeep“, was nicht ganz stimmt, aber so, wie ich mit meinem Wagen umgehe, stimmt es dann wieder.

Als ich dann endlich vom Niltal Richtung Abydos abzweige, verzweifle ich fast. Obwohl täglich unzählige Busse Touristen von Luxor zum Tempel von Abydos fahren und auch wieder zurückbringen, ist die Strasse in einem Zustand, der jeder Beschreibung spottet. Minibusse, Traktoren, Esel, Lastwagen, Motorräder und diese unberechenbaren Tiktoks sind immer und überall. Sie überholen, wo es eigentlich gar nicht mehr möglich ist und dazwischen drängen sich alle anderen, die auch noch ein Stück von der Strasse für sich beanspruchen möchten. Die ist nur zu zwei Dritteln befahrbar und davon wiederum klafft alle 200m ein Loch. Dem weichen alle aus, also fahren alle in ihrem ganz persönlichen halsbrecherischen Tempo auf derselben Fahrspur. Übrigens: Fussgänger hat es auch noch. Ein Albtraum! Ich verteidige meine Bedürfnisse energisch, weil ich irgendwann mal ankommen statt nur abgedrängt oder überholt werden möchte.

Sonntag, Mai 07, 2023

Ausflug nach Oberägypten - 1. Tag

Januar ist eine ideale Reisezeit hier, finde ich. Die Temperaturen sind tagsüber angenehm, es gibt keine Feiertage und folglich sind nicht so viele Touristen (Einheimische wie Fremde) unterwegs.

Also erfüllte ich mir einen langgehegten Wunsch und fuhr nach Akhmim (Achmim) bei Sohag. Dort wurden schon zur Zeit der Pharaonen edle Stoffe auf riesigen Webstühlen von Hand gewoben.

Auf meinem Wunschzettel für diese kurze Reise standen auch Abydos und Naqadah. „Kurz“ bezüglich eingeplanter Tage und berechneter Distanzen, nicht aber bezüglich der Strassenverhältnisse. Das war leider ein Fehler. Habe also wieder was gelernt 😏.

Erster Tag: Auf nach Sohag

Die Kilometer und Stunden durch die Red Sea Mountains dehnen sich in die Länge. Die Strasse ist zwar gut, die Landschaft manchmal eintönig, manchmal atemberaubend schön, aber die Distanzen sind wirklich nicht zu unterschätzen. Nach mehreren Stunden Fahrt liegen die Berge hinter mir, am Horizont flimmert unscharf das Sandsteingebirge des Niltals. Irgendwo auf einer Hochebene, wo sich zahlreiche Farmen befinden, nehme ich spontan einen jungen Autostöppler mit. Er wartet mit einem älteren Mann in Galabya und Turban an der Zufahrt zu einer Farm. Ich denke mir: Den nimmst du mit, tust eine gute Tat und hast Unterhaltung. Kommt ja eh weit und breit kein anderes Fahrzeug hier vorbei, vielleicht wartet er schon lange auf eine Mitfahrgelegenheit.

Samstag, April 08, 2023

Zivilcourage oder Fehler?

Gestern sass ich frühabends vor meinem Laptop, betrachtete Bilder meiner letzten Ausflüge nach Oberägypten und wollte eigentlich darüber schreiben. Es kam aber anders und das wirkt noch immer nach. Jetzt schreibe ich über das, was da gestern passiert ist, um es loszuwerden.

Vom oberen Stockwerk klangen seltsame Laute und dumpfe Geräusche herunter, dazwischen schrie jemand.

Schon vor zwei Wochen hörte ich etwas, ging hinauf, konnte aber nicht zuordnen, woher der Lärm gekommen war.

Und gestern Nachmittag ging es wieder los, diesmal länger. Entschlossen ging ich hinauf und klingelte. Ein Mann riss die Türe weit auf und ich fragte die Frau im Hintergrund: „Are you okay?“.

So habe ich das gelernt. Man soll das Opfer ansprechen, nicht den Angreifer. Damit nimmt man dem Angreifer den Wind aus den Segeln. Die Frau erwiderte wenig überzeugend: „Yes, but my husband…“. Ich blickte den Mann an und wiederholte meine Frage. Er meinte, ja, es sei alles ok. Nochmals wiederholte ich meine Frage der Frau zugewandt und sie bejahte.

Na gut, dann hört mit dem Lärm auf. Ich ging wieder in meine Wohnung runter und es blieb ruhig.

Bis am Abend. Mir gefror das Blut in den Adern und ich stürmte entschlossen hinauf. Gleichzeitig kam meine Nachbarin herauf, sie hatte die Schreie auch gehört. Ich klingelte. Der Mann öffnete und bat uns einzutreten. Nein, danke. Ich sprach die Frau an. Sie schluchzte und zitterte und taumelte die wenigen Schritte in den Gang zu uns heraus. Dort brach sie zusammen.

Sonntag, April 02, 2023

Begegnung am Markt

Unschlüssig trete ich vor die Markthalle. Gerne hätte ich mehr Obst und Gemüse gekauft, aber das Angebot hat mich nicht überzeugt.

Ein junger Mann lächelt mich an. Ich will ihn gar nicht wahrnehmen, aber er ist hartnäckig, drängt sich in mein Blickfeld. Über einem ausgesprochen hübschen Gesicht liegen wirr dichte, lockige Haare. Wieder lächelt er und zeigt tadellose Zähne. Mit den Armen fuchtelt er herum, sein schlanker Körper im blauen Overall tanzt mit und deutet eine Verbeugung an.

Mir dämmert, er macht mir ein Kompliment. Entschlossen gesellt er sich neben mich, weist mit dem Arm in die nächste Halle und sieht mich fragend an. Nein, da war ich schon. Er gibt nicht auf: und die? Interessiert mich auch nicht mehr. Meine Schritte führen mich ans Tor, wo mein Auto geparkt steht.

Seine Arme umschliessen ein unsichtbares Paradies, zeigen mir, dass es seines ist: Hier putzt er Autos. Ob er meines reinigen soll? Nein, danke. Schon gar nicht mit dem Lumpen da.

Inzwischen verstehe ich, dass er taub oder taubstumm ist. Er gibt zwar Laute von sich, aber unverständliche.

Sein warmer Blick lässt nicht los. Glückselig schreibt er in Englisch die Buchstaben D – E – A – F (taub) auf die verstaubte Fensterscheibe der Fahrertür. Ja, das habe ich verstanden und jetzt bitte, lass mich alleine. Mit weiteren Gesten fragt er zielstrebig, ob ich ihn heirate, und wendet mir nochmals sein hübsches Antlitz zu.

Kopfschüttelnd steige ich ins Auto. Erst da wendet er sich um und marschiert selbstzufrieden wieder Richtung Markt, winkt noch und überlässt mir einen letzten Blick auf seinen blauen Overall.

 

Montag, März 20, 2023

Wie im Film

Ich fuhr noch ein klein bisschen verschlafen zur El Salam Klinik, um meine Augen untersuchen zu lassen. Alles gut. Aber die Strassenszenen heute Vormittag waren für mich mal wieder wie im Film.

Der Fruchtverkäufer leert frische Erdbeeren aus einer kleinen Kartonschachtel auf ein weites, rundes Tablett, das mit Alufolie bedeckt ist. Das wiederum steht auf einer hochkant gestellten Plastikkiste. Er dreht das Tablett hin und her, bis es ihm gefällt. Seine Welt besteht momentan nur aus Erdbeeren. Vor dem Tablett kniend beginnt er voller Hingabe, die grössten und schönsten Früchte reihum an den Rand zu legen, sie aneinander zu reihen, bis…