Dienstag, März 15, 2011

Ende der SS in Ägypten

Eine Nachricht schlechter als die andere. Schreckliche Bilder jagen um die Welt. Japan wird von einem Erdbeben nach dem anderen erschüttert und die beschädigten Atomkraftwerke geben ihr innerstes preis: Radioaktivität tritt aus, Menschen fliehen.

Die Börsen rund um den Globus sind massiv eingebrochen.

In Bahrain werden Demonstranten mit Nervengas vertrieben, schwer verletzt und kaltblütig abgeschlachtet. Truppen aus dem benachbarten Saudi Arabien marschieren ein, um die bahrainische Armee zu unterstützen. Der Ausnahmezustand wird ausgerufen. Führt das schliesslich zu einem neuen Krieg mit Iran? Schiiten gegen Sunniten? Muss das jetzt auch noch sein?

Die Palästinenser und die Syrer demonstrieren unüberhörbar. Die Jemeniten ebenfalls.

Inzwischen metzelt Gaddafi weiterhin sein Volk mit Artillerie nieder und treibt es in die Enge. Bald bleibt den Rebellen nur noch sich zu ergeben.

In der Elfenbeinküste wird ein Bürgerkrieg befürchtet.

Weder die USA noch die EU, weder die UNO noch die NATO haben Rezepte: sie diskutieren ganz ganz intensiv.

Überall nur Gewalt, vor allem von Menschenhand. Hört das denn überhaupt nicht mehr auf?

Eine gute Nachricht gibt es heute doch. In Ägypten. Einer weiteren Forderung der Demonstranten wird entsprochen: die gefürchtete und verhasste Staatsicherheitspolizei wird endlich abgeschafft. Die Bloggerin Zeinobia benennt den Geheimdienst auf ihrem Block immer mit „SS“ – jedes Mal, wenn ich das lese, erschauere ich. Für mich ist „SS“ mit den Schrecken des Zweiten Weltkriegs verknüpft. Aber natürlich ist Staatsicherheitspolizei, oder in Englisch State Security auch „SS“. Und der Schrecken, welche in Ägypten verbreitet wurde, ist vermutlich vergleichbar. Die Ägypter hoffen, dass dieser Schreckensapparat nicht nur einer oberflächlichen Änderung unterzogen wird, sondern dass er wirklich aufgelöst wird und ein neuer Sicherheitsdienst aufgebaut wird.

Gestern hatte ich eine interessante Diskussion mit einem gebildeten Ägypter. Er ist der Meinung, dass man einen Staat nicht völlig auflösen kann und von Grund auf neu aufbauen, wie z.B. ein Gebäude oder eine Firma. Ein Staat müsse weiterhin funktionieren, Arbeitsplätze müssen geschaffen, Lebensmittel hergestellt, Märkte müssen funktionieren. Möglich, dass er Recht hat. Aber Ägypten hatte keine Wahl: mit dem bisherigen Regime war ein behutsamer Wandel nicht möglich. Mein Gesprächspartner führte als Beweis an, dass das Regime daran gearbeitet hat, wie gross das Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre war. Stimmt. Aber: davon profitiert haben nur jene ganz oben, jene ganz nahe dem Regime – nicht die grosse Masse. Die ist über die vergangenen Jahrzehnte weiter verarmt.

Zum Schluss unseres Gesprächs habe ich mein Gegenüber gefragt, was er jetzt für sein Land tue? Er denke nach… Ob er einer Organisation beitrete, um Analphabeten in Demokratie zu unterrichten? Sein Land brauche jetzt Menschen wie ihn, sagte ich. Wenn er und seinesgleichen handeln statt warten, können sie etwas bewegen. Er sah mich verdutzt an und ich glaube, er wird auch darüber nachdenken.

In vier Tagen findet das Referendum über die Verfassungsänderungen statt. Ich habe kein gutes Gefühl, dass das gut herauskommt.

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