Samstag, Juni 23, 2012

Am Strassenrand

Ein alter Mann kauert am Strassenrand. Neben ihm sitzt eine sehr junge Frau mit einem Kleinkind. Seine Tochter? Seine Frau?

Es ist morgens um sieben, unter dem aufgespannten Sonnenschirm ist die Temperatur noch angenehm. Zwei Holzkistchen sind auf das Trottoir gestellt: darüber liegt ein Tuch und darauf säuberlich ausgebreitet ein paar Säckchen Kerne und Nüsse, Papiertaschentücher, Zigaretten, Chips. Dinge, die niemand braucht und doch jeder kauft.

Als ich mit meinem Rennrad vorbei fahre, hält der Mann die Hand zum Gruss hoch und ruft freundlich. Ich lächle und grüsse zurück.

Aber mein Lächeln gefriert. Die Szene ist nicht mitten in der Stadt und auch nicht mitten in einer Wohnsiedlung. Sie ist draussen auf der Ringstrasse vor einem immens grossen Kreisel. Es ist morgens um sieben und es hat schon über 30° C. Wer hält hier an, um den Leuten was abzukaufen? Wie lange harren die beiden mit Kind in der Hitze auf dem Trottoir aus? Was machen sie am Mittag, wenn es im Schatten 40° C wird? Wie kommen sie zu kühlem Wasser?

Überhaupt: wie sind sie da hinaus gekommen? Ich rechne: ein Säckchen Kerne kostet vielleicht zwei bis drei Pfund. Sie schlagen vielleicht 50 Piaster oder ein Pfund drauf. Oder vielleicht sogar zwei. Was bleibt da am Ende des Tages übrig? Vorausgesetzt, sie können auch etwas verkaufen, sind es vielleicht 20 Pfund. Dafür gibt es 3 Kilo Reis, ein grosser Stapel subventioniertes Fladenbrot, ein Huhn, ein Drittel Kilo Fleisch oder einen Sack voll Gemüse. Bei Obst wird es schon schwieriger, Melonen sind billig, Mangos gäbe es nur eineinhalb Kilo.

Dieses Lächeln… es geht mir nicht mehr aus dem Kopf… so freundlich… so zufrieden… und so ehrlich…
Und in meinem Magen bleibt beim Gedanken an die Szene ein Klumpen, wie so oft, wenn ich hier unterwegs bin. Ob es den vorbei fahrenden Mercedes-Kompressor- und BMW-Fahrern wohl auch so geht?

2 Kommentare:

  1. Da können einem schon mal die Tränen kommen :-(

    Sehr schön geschrieben.

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  2. Danke Peter.Thelen; die ganze Situation in Ägypten ist - bei näherem Hinsehen - zum Heulen.

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