Dienstag, Juni 19, 2012

Machtspiele - todernst

Noch bevor die Wahllokale schlossen, hat der Militärrat einen weiteren Poker gespielt: ein Dekret zur Übergangsverfassung räumt dem Militärrat nun praktisch die Macht über alle staatlichen Funktionen ein.

Wer immer als nächster Präsident ernannt wird – er wird sein Amt nicht lange ausüben.

Man redet von einem „weichen“ Staatsstreich seitens des Militärs. Und es gibt viele Gerüchte: Am Donnerstag – wenn die Wahlresultate veröffentlicht werden - werde Blut fliessen. Schon seit Montagabend feiern sich beide Kandidaten als Sieger, als ob sie damit Fakten schaffen wollten. Es wird empfohlen, Lebensmittel einzukaufen, weil eine Ausgangsperre (über Kairo?) verhängt werden soll.

Vorsorglich hat der Militärrat bestimmt, dass auch Zivilisten, die sich „auffällig“ verhalten, von der Militärpolizei festgenommen werden können. Und die Muslimbrüder wissen nichts Schlaueres, als zu erneuten Demonstrationen aufzurufen. Sie wollen ihren Präsidenten und wenn sie ihn nicht bekommen, dann sei das Wahlbetrug und dann drohen sie mit Aufständen. Und mit einer zweiten Revolution drohen sie. Ausgerechnet sie, die im Januar und Februar 2011 mit Abwesenheit glänzten.

Einer meiner ägyptischen „Schüler“ meinte heute, die Polizeieinheiten des Innenministeriums seien eines – aber die Militärpolizei sei nochmals ganz was anderes. Das kann die nächsten Tage nicht gut heraus kommen. Ausnahmsweise habe ich kein gutes Gefühl. Was Machtgier doch alles zerstören kann.

Seit eineinhalb Jahren sitze ich  im Theater der Weltbühne und verfolge aufmerksam ein Bühnenstück, in dem ein Staat durch jene zerstört wird, die lediglich ihre persönlichen (wirtschaftlichen bzw. religiösen) Interessen verfolgen. Ein Drama ersten Grades.


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