Sonntag, Juni 17, 2012

Ehrliche Wahlen?

Gestern und heute dürfen sich die Ägypter zwischen den zwei schlimmsten Vertretern als künftigen Präsidenten entscheiden: entweder für einen Islamstaat, deren Vertreter Lügner sind, oder zurück zur alten Diktatur. Letzteres wird natürlich von Shafiq nicht so verkauft, sondern momentan verspricht er Demokratie und betont, dass es keinen Weg zurückgebe!

Die Menschen sind innerlich zerrissen. Für wen sollen sie sich denn auch entscheiden? Welcher ist das kleinere Übel (es geht gar nicht darum, wer der Bessere ist!). Viele Ägypter wählen deshalb überhaupt nicht oder geben einen ungültigen Stimmzettel ab, oft schreiben sie darauf „Nieder mit dem Militärregime“ und „Nieder mit den Muslimbrüdern“.

Munter geht der Wahlbetrug inzwischen weiter. Da wurden Stimmzettel entdeckt, auf denen  bereits ein Kreuz für Mohamed Mursi aufgedruckt  war. Offiziell sprach man von einem „Druckfehler“ und die Wahlzettel wurden ersetzt.

Die lustigste Nachricht ist aber die Folgende: angeblich wurden in den Stimmlokalen Stifte verwendet, deren Farbe nach einer gewissen Zeit unsichtbar werden soll! An Fantasie fehlt es in Ägypten tatsächlich nicht – sei es, dass die Meldung stimmt oder einfach eine Zeitungsente ist.

Die Muslimbrüder haben inzwischen den Entscheid des Verfassungsgerichts angefochten, wonach das Parlament verfassungswidrig sei. SCAF hat dessen Auflösung angeordnet und Soldaten vor die Eingänge des Parlamentsgebäudes postiert, um den Parlamentariern den Zugang zu verweigern.

Ehrlich sind auch diese Wahlen nicht. Aber das ist ja eigentlich völlig egal. Möglicherweise sind es die letzten für eine lange Zeit. In Diskussionen höre ich oft, bei den nächsten Wahlen in vier Jahren werde es dann anders. Ich habe meine Zweifel, dass es überhaupt zum „nächsten Mal“ kommen wird. Das Spiel „Demokratie in Ägypten“ ist vorerst beendet, die Spieler sind weggeräumt, die Spielregeln zerrissen, das Spielbrett im Nil versenkt. Jetzt werden noch die letzten Reste weggewischt und dann geht der Alltag weiter wie vor dem 25. Januar 2011.


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