Sonntag, November 25, 2012

Mursis Erklärung und die Folgen

Seit Präsident Mursi am Donnerstag seine Verfassungserklärung veröffentlicht hat, überstürzen sich die Ereignisse wieder. Die Börse hat beinahe 10% verloren; die Menschen in mehreren Städten demonstrieren und schlagen sich die Köpfe ein; die USA, die EU und die UNO machen Druck und pochen eindrücklich auf die Einhaltung von Demokratie und Gewaltentrennung.

Richter und Journalisten treten in Streik und fordern von Mursi, dass er seine Erklärung zurückzieht. Weitere Mitglieder der Verfassungskommission sind zurück getreten. Erneut ist Ägypten mit negativen Schlagzeilen weltweit in den Medien und ich werde gefragt: wie ist es in Hurghada? Antwort: Es ist ruhig, es gab und gibt Demonstrationen, aber friedliche. Wäre ich Ägypterin, ich ginge auch auf die Strasse.

Und wie ist es sonst noch in Hurghada? Verzweiflung macht sich breit. Ein Beispiel: einer meiner „Schüler“, Ali H., ist nach mehrwöchiger Geschäftsreise aus Europa zurückgekommen. „Ich habe zehntausend Dollar in diese Geschäftsreise investiert“ und jedes Mal, wenn ich zurückkomme, ist wieder eine Katastrophe passiert.“

Der Tourismus wird wieder einbrechen, Investoren werden sich erneut abwenden. Als wir am Freitag in El Quesir waren, sagte mir eine Frau, dass sie sofort alle Umbauarbeiten an ihrer Wohnung gestoppt hat. Der IMF ist kurz davor, mit Ägypten eine Vereinbarung für ein Darlehen zu unterzeichnen.

Was um alles in der Welt haben sich Mursi und seine Bärtigen überlegt, als sie diese Erklärung herausgaben? Das Land braucht Geld, jene Menge Geld! Haben sie denn die Konsequenzen nicht bedacht? Kann man denn so blöd sein?

Ich führe es auf die unbeschreibliche Machtgier zurück. Ali H. hingegen meint, die hätten schlichtweg keine Ahnung von Demokratie und auch keine von Staatsführung. Aber die meisten Mitglieder des Führungsgremiums der MB haben im Ausland studiert, argumentiere ich. Doch Ali H. gibt mir dieselbe Antwort, die mir schon meine Arabischlehrerin gab: studiert ja, aber sie haben die westliche Kultur inklusive Demokratie nicht kennen gelernt. Sie haben sich nicht verändert, ihren Horizont nicht erweitert, sie sind die Bauern hinter den Ochsen geblieben, die sie immer schon waren. In Deutsch sagen wir „hinter dem Mond…“. In einem jedoch sind wir uns einig: positiv ist, dass sich die Opposition vereinigt hat.

Bisher umfasste für mich Bildung immer auch: Kultur, Verständnis, Toleranz, Offenheit. Ich bin zerknirscht, enttäuscht: ich muss einmal mehr mein Weltbild korrigieren.

Vorhin las ich im Internet, dass Mursi bereits einen Rückzieher auf Raten macht: seine Machterweiterung sei nur vorübergehend. Als ob das etwas ändern würde! Er war sich zu sicher: IMF und der Waffenstillstand gaben ihm wohl Flügel. Wie heisst es doch so trefflich: wer hoch steigt, fällt tief.

Und wo bitte, ist das Militär??????

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