Seit Präsident Mursi am Donnerstag seine
Verfassungserklärung veröffentlicht hat, überstürzen sich die Ereignisse
wieder. Die Börse hat beinahe 10% verloren; die Menschen in mehreren Städten demonstrieren
und schlagen sich die Köpfe ein; die USA, die EU und die UNO machen Druck und pochen
eindrücklich auf die Einhaltung von Demokratie und Gewaltentrennung.
Richter und Journalisten treten in Streik und fordern
von Mursi, dass er seine Erklärung zurückzieht. Weitere Mitglieder der Verfassungskommission
sind zurück getreten. Erneut ist Ägypten mit negativen Schlagzeilen weltweit in
den Medien und ich werde gefragt: wie ist es in Hurghada? Antwort: Es ist
ruhig, es gab und gibt Demonstrationen, aber friedliche. Wäre ich Ägypterin,
ich ginge auch auf die Strasse.
Und wie ist es sonst noch in Hurghada? Verzweiflung macht
sich breit. Ein Beispiel: einer meiner „Schüler“, Ali H., ist nach mehrwöchiger
Geschäftsreise aus Europa zurückgekommen. „Ich habe zehntausend Dollar in diese
Geschäftsreise investiert“ und jedes Mal, wenn ich zurückkomme, ist wieder eine
Katastrophe passiert.“
Der Tourismus wird wieder einbrechen, Investoren werden sich
erneut abwenden. Als wir am Freitag in El Quesir waren, sagte mir eine Frau,
dass sie sofort alle Umbauarbeiten an ihrer Wohnung gestoppt hat. Der IMF ist
kurz davor, mit Ägypten eine Vereinbarung für ein Darlehen zu
unterzeichnen.
Was um alles in der Welt haben sich Mursi und seine Bärtigen
überlegt, als sie diese Erklärung herausgaben? Das Land braucht Geld, jene
Menge Geld! Haben sie denn die Konsequenzen nicht bedacht? Kann man denn so
blöd sein?
Ich führe es auf die unbeschreibliche Machtgier zurück. Ali H.
hingegen meint, die hätten schlichtweg keine Ahnung von Demokratie und auch
keine von Staatsführung. Aber die meisten Mitglieder des Führungsgremiums der
MB haben im Ausland studiert, argumentiere ich. Doch Ali H. gibt mir dieselbe
Antwort, die mir schon meine Arabischlehrerin gab: studiert ja, aber sie haben
die westliche Kultur inklusive Demokratie nicht kennen gelernt. Sie haben sich
nicht verändert, ihren Horizont nicht erweitert, sie sind die Bauern hinter den
Ochsen geblieben, die sie immer schon waren. In Deutsch sagen wir „hinter dem
Mond…“. In einem jedoch sind wir uns einig: positiv ist, dass sich die Opposition vereinigt hat.
Bisher umfasste für mich Bildung immer auch: Kultur,
Verständnis, Toleranz, Offenheit. Ich bin zerknirscht, enttäuscht: ich muss
einmal mehr mein Weltbild korrigieren.
Vorhin las ich im Internet, dass Mursi bereits einen
Rückzieher auf Raten macht: seine Machterweiterung sei nur vorübergehend. Als
ob das etwas ändern würde! Er war sich zu sicher: IMF und der Waffenstillstand
gaben ihm wohl Flügel. Wie heisst es doch so trefflich: wer hoch steigt, fällt
tief.
Und wo bitte, ist das Militär??????
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