Montag, Juli 01, 2013

Erfolgreiche „Tamarod“ Kampagne

Gestern sah die Welt die grösste (gemäss BBC) Demonstration mit geschätzten 15 Millionen Menschen auf den Strassen in Ägypten und im Ausland. In Hurghada waren es angeblich 50‘000.

Obwohl die lokalen und internationalen Medien heute eifrig über diese riesige, meist friedliche, Willenskundgebung berichten, habe ich das Gefühl, ich sollte etwas dazu sagen. Leider musste ich alles via Internet verfolgen, denn ich war zu schwach, um auszugehen. Eine Infektion…

Trotzdem war ich überglücklich zu sehen, dass der eifrige Einsatz der „Rebel“-Kampagne belohnt wurde. Die Aktivisten haben über zwei Monate hinweg fleissig und unermüdlich 22 Millionen Unterschriften gesammelt – das ist ein Viertel der Gesamt-Bevölkerung! - und die Menschen davon überzeugt, am 30. Juni auf die Strasse zu gehen, um neue Präsidentschaftswahlen zu fordern. Ein Freund berichtete mir heute Morgen, dass auch viele arme, einfache Leute und viele verschleierte, Frauen auf der Strasse waren; ein anderer zeigte mir Bilder von Plakaten und meinte stolz: „Schau, dir die jungen Männer an, das sind Taxi-Fahrer, Bazaar-Verkäufer und Kellner, keine Reichen und Gebildeten“; eine Freundin erzählte, „sogar Hotelbesitzer und Manager waren dabei, alle waren da“. Aus dem Internet habe ich erfahren, dass Stämme in Oberägypten (einer meiner Freunde sagte einst: „Oberägypten wird nie eine Revolution machen“) der „Rebel“-Kampagne ihre Unterstützung geben. Alle zeigten sie Morsi gestern die Rote Karte und forderten ihn auf zu verschwinden. Dazu tanzten und sangen sie und skandierten „Hau ab!“. Es war eine typisch ägyptische Party.

Tage vor dem 30. Juni wurde ich gefragt, was ich erwarte. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich war zu enttäuscht von den vergangenen 12 Monaten, enttäuscht von der Opposition. Sie war zerstritten, egoistisch und hat das Ziel aus den Augen verloren. Und ich wusste um die MB-Milizen und den weitverbreiteten Waffenbesitz. Bis die „Rebel“-Kampagne startete. Die dahinter stehenden Leute haben geschafft, was die politischen Parteien nicht geschafft haben: die Ägypter wieder zusammen zu führen. Nicht alle, aber eine klare Mehrheit. Und Morsi und seine Freunde von den MB haben den Ägyptern innert nur einem Jahr die Augen über die Bruderschaft geöffnet und dank ihrer Machtgier sich selbst den Todesstoss versetzt.

Seit heute Morgen wage ich wieder, Erwartungen und Hoffnungen zu formulieren. Die Muslimbrüder werden verschwinden, sang- und klanglos abhauen; feig, wie sie sind. Beobachter meinen zwar, man werde Morsi die Möglichkeit geben, mit Anstand zurück zu treten. Das wird er kaum machen, er hält sich ja jetzt schon versteckt. Drei Tage brauche es noch, meinen die Einen, das Militär gibt den Lagern noch 48 Stunden. Die Leute der Kampagne haben einen Plan für den Übergang zu Präsidentschaftswahlen erstellt, das Militär bietet an, vorübergehend die Regierung zu übernehmen. Lieber nicht, meine ich, lasst das lieber die Leute von der „Rebel“-Kampagne machen, aber schützt das Land, sucht die MB-Milizen auf und bringt sie wieder hinter Schloss und Riegel.

Die sehe ich als grosse Gefahr: sie werden die Drecksarbeit verrichten, während der Kopf der Organisation sich ins Ausland absetzt. Angeblich sind Mitglieder der Milizen Angehörige der Hamas (keine Ägypter!). Das lässt nicht viel Gutes erhoffen.

Vor ein paar Tagen sagte ich, ich wünschte mir, die MB würden vor dem Volk feig davonrennen und im Roten Meer ersaufen. Vielleicht kommt es im übertragenen Sinn soweit. Vielleicht habe ich auch schon wieder zu viel Hoffnung für Ägypten?
Egal, morgen gehe ich auch wieder auf die Strasse.


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