Montag, Juli 08, 2013

Militärstreich oder Staatsstreich?

Es ist schon wieder vier Tage her und ich hätte diesen Blog früher geschrieben, wenn ich nicht noch immer schwach auf den Beinen wäre.

Was Ägypten am 4. Juli geleistet hat, ist weder ein Staatsstreich noch ein Militärstreich. Wenn 30 Millionen Menschen auf die Strasse gehen, um einen Tyrannen und ein Terroristen-Regime loszuwerden, ist das ein demokratischer Akt, von mir aus ein Volksstreich. Auf jeden Fall ist es eine unüberhör- und unübersehbare Willenskundgebung.

Ich bin enttäuscht von den westlichen Regierungen, die sich da sehr weit aus dem Fenster gelehnt haben und sogar verlangten, Morsi müsse wieder eingesetzt werden, weil er „legitimer“ Präsident sei.

Wo waren denn all diese Rufer, als Morsi mit gefälschten Wahlen zum Präsidenten gewählt wurde? Wieso meckerte niemand, als er die Verfassung verdrehte und sich über den Staat stellte? Wo waren all diese Demokratie-Aufpasser, als Morsi Gesetze erliess, die gegen die Menschenrechte verstossen und eindeutig gegen Minderheiten zielt? Wo waren sie, als Aktivisten, Journalisten, Blogger, Atheisten und weitere anders Denkende wegen „Blashemie“ oder „Beileidung des Präsidenten“ angeklagt, gefoltert und hinter Gitter gebracht wurden? Wo waren sie, als Morsi Gouverneurs- und Ministerposten mit seinen Muslimbrüdern besetzte?

Ich bin der Meinung, dass das ägyptische Volk der Welt vormacht, was Demokratie ist und dass es nicht mehr gewillt ist, sich sein Schicksal von Tyrannen, Diktatoren und ihren westlichen Geldgebern vorschreiben zu lassen. Ich habe riesige Achtung vor der Leistung der Tamarod-Bewegung, die innert weniger als zwei Monaten 22 Millionen beglaubigte Unterschriften gesammelt hat und anschliessend 30 Millionen Menschen auf die Strasse brachte. Irgendwo las ich von einem sogenannten „Spezialisten“, dass das ja nicht mal die Hälfte der Bevölkerung (85 Millionen) sei. Ok, richtig. Aber es ist viel mehr, als Morsi Stimmen erhielt und ein Vielfaches dessen, das an den gefälschten Parlamentswahlen und der Abstimmung über die Verfassung abgegeben wurden. Ägypter lebten über 30 Jahre lang in einer Diktatur, in der der Ausgang der Wahlen von Anfang an bekannt war. Woher sollen sie jetzt plötzlich Vertrauen in ein System haben, das bisher gezinkt war? Und trotzdem gingen 30 Millionen auf die Strasse. Jetzt wissen sie wieder, dass ihre Stimme zählt!

Ferner sind jene „Militärstreich“-Rufer offenbar leicht gläubig. Das Militär hat gar nie wirklich die Macht abgegeben! Es ist nach wie vor ein Staat im Staat und hütet diese Position mit allen Mitteln. Je länger je mehr glaube ich, dass sie den Deal mit den Muslimbrüdern nur eingegangen sind, um die MB zu entlarven.

Die jetzige Situation ist nicht lösbar ohne das Militär. Es muss auf der Seite des Volkes stehen und es muss gegen die Terroristen und Verbrecher des „legitimen“ Präsidenten vorgehen. Der Übergang zu einem Zivilstaat mit einer „echten“ gewählten Regierung braucht Zeit. Ob das Militär sein Wort hält, wird sich weisen. Doch vor zu schnellem Urteil würde ich zurück schrecken. Ägypten steht seit Januar 2011 in einer Revolution, die noch nicht zu Ende ist, die jetzt vielleicht einen ihrer Höhepunkte erlebt. Das wird nicht ohne Verluste geschehen, aber je schneller umso besser. Ich habe hier auf meinem Blog immer wieder gefragt, wann das Militär eingreift, denn es kann ja nicht tatenlos zusehen, wie ein ganzes Land – und mit ihm ihre eigenen Pfründe – in den unausweichlichen Abgrund stürzt.

Immerhin hat das ägyptische Volk erkannt, was die Muslimbrüder wirklich sind. Und die Welt sieht es nun auch auf den Bildschirmen – ausser sie sieht grad CNN oder Al Jazeera.

Noch mehr enttäuscht bin ich, wie sehr der Westen diese Verbrecherorganisation unterstützt hat. Die westlichen Regierungen verstecken sich hinter einem Etikett, auf dem „Demokratie“ steht. In Wahrheit werden Taliban, Al-Qaida und andere Terroristen unterstützt, damit der Nahe Osten (und andere Regionen) ganz sicher nie stabil werden kann und niemals so etwas wie eine „Demokratie“ entstehen kann.

Ägypter haben das verstanden. Sie werden sich ihre eigene Demokratie erschaffen und wieder ein Vorbild für die Region, vielleicht sogar für andere Länder werden, die sich mit der Bezeichnung „Demokratie“ schmücken.

Lieber Westen: Demokratie findet nicht nur an den Wahlurnen und an Konferenztischen statt. Sie kann auch auf der Strasse stattfinden, wenn die Menschen sonst keine Möglichkeit haben, ihren Willen zu äusser!



4 Kommentare:

  1. Wie immer, toll geschrieben..und Du sprichst mir aus der Seele..
    Hoffe Du fühlst dich bald wieder stark ;-)

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  2. Ich habe eine Frage: (bin übrigens lediglich ein Ägypter, KEINE MUSLIMBRUDER): Warum strotzt der Beitrag von Lügen??? Bist du vielleicht falsch informiert? Entäuscht bin ich, dass manche Schweizer so denken, das aus dem Land der Neutralität und der direkten Demokrateie Leute kommen und so was wie oben verbreiten. Alles, was Du geschrieben hast, lässt sich ganz einfach widerlegen. Du willst dich aber nicht bemühen, um die Wahrheit zu erreichen. So mögen auch manche Leben. Ihr Mann/Freund/Freundin/Nachbar usw. ist nicht die einzige Informationsquelle. Die Wahrheit ist nicht, was die Goebbels Medien jeden Tag ausstrahlen. Die Wahrheit und das Rechte kann man kann man leichter erreichen, wenn man ein lebendiges Gewissen hat, wenn man anderen nicht Unrecht antun will, auch mit Worten. Es ist sehr schwierig, sich selbst erklärende Tatsachen zu erklären.

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  3. Liebe(r) Ratio,
    Als einen Menschen mit Gewissen würde ich dich bitten zu konkretisieren in welcher Weise El-Qamar auf ihrem Blog jemanden Unrecht getan hat, welche Äußerungen als Lügen einzustufen sind und WAS GENAU lässt sich ganz leicht widerlegen? Mich würde sehr deine Meinung dazu interessieren.

    PS: Übrigens ist der Blog deswegen so interessant weil es sich eben NICHT an den "Goebbels Medien" orientiert...

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