Samstag, Mai 11, 2013

Wie ist das Leben für eine Frau in Hurghada?

Diese Frage wird mir hin und wieder gestellt, mündlich oder auch schriftlich, und ich versuche hier, eine Antwort zu formulieren. Jede Frau wird darauf unterschiedlich antworten, je nach ihrer Herkunft, ihrem Bildungsstand und ihrer Lebenssituation. Ich kann also nur meine Ansicht wiedergeben und zu einem kleinen Teil jener meiner Bekannten und Freundinnen.

Andere Länder, andere Probleme
Ferien in Hurghada sind wunderschön: die Hotelanlage ist traumhaft und gepflegt, die Angestellten und Verkäufer im Hotel bedienen freundlich, die Sonne scheint, es weht ein angenehmer Wind, das Essen schmeckt gut. So erlebt ein Gast Ferien auch beim zweiten und dritten Mal. Das Leben ausserhalb der Hotelanlage sieht aber anders aus.


Muttertag

Zum Muttertag hier mal einen ganz persönlichen Beitrag:

Liebe Mama,
Danke für alles, was du mir auf meinen Lebensweg mitgegeben hast.
Deine Tochter

Dienstag, Mai 07, 2013

Nicht mehr da und noch nicht weg

Die Grenzen verwischen sich. Meine Verpflichtungen in meiner Heimat sind beendet. Versuche ich mich an die ersten zwei Monate im kalten Winter zu erinnern, empfinde ich nur schwarz. Lange Arbeitstage plagten mich, die Arbeitslast bedrückte mich und vor dem Bürofenster klebte Nebel, tanzten Schneeflocken oder es war dunkelschwarz. Die letzten zwei Monate waren bunter und voller Hoffnung auf den Frühling und auf ein baldiges Ende meines Einsatzes; beide hatten es nicht eilig.


Nun stehe ich erleichtert am Ende oder am Anfang, je nach Blickrichtung. Ich bin noch nicht wieder in Hurghada, aber auch nicht mehr festgehalten in dem starren Korsett des Alltages. Ich habe die Sprachgrenze überquert, die für mich keine Grenze, sondern eine Öffnung darstellt. Mit der Sprache kam auch schon die andere Kultur hinzu. Mit jedem Autobahnkilometer, den ich hinter den Alpen weiter südwärts fuhr, fand ich näher zurück - zu mir.

In Hurghada lebe ich in einer internationalen Gemeinschaft. Das fordert und fördert mich. Ich liebe diese Art von kulturellem und sprachlichem Gemisch, auch wenn es alles andere als einfach ist. Meine Welt dort ist weiter, grösser und vielfältiger als jene in meiner Heimat.

Und trotzdem fällt der Abschied schwer. Tränen in den Augen einer Freundin, Wortfetzen aus einem Gespräch mit meinen Eltern, der Duft der Maiglöckchen – sie sind bald nur noch Erinnerungen oder… Vorfreude auf das nächste Mal?

Drüben jene, die sich schon lange auf ein Wiedersehen freuen und sich während den langen Monaten mit Facebook und Email in meinem Leben hielten.

Abschied bedeutet Wiedersehen. Für ein paar Tage bewege ich mich in einem anderen Kultur- und Sprachraum, der mir Heimat war und noch immer ist. Die Grenzen zwischen hier und dort verwischen sich und werden völlig unwichtig. Wichtig ist das, was in mir bleibt. Der Duft der Macchia, der Blick von Le Manie aufs Meer hinaus, der Geruch des Waldbodens nach dem Frühlingsregen, die erste Frühlings-Radfahrt mit einer Freundin, eine Träne, eine Umarmung, ein „Schlaf gut“, ein Lachen… War es in Deutsch, Englisch oder Italienisch? War es in Hurghada, in Poschiavo oder in Triesen?

Unwichtig. Hauptsache, es ist und ich bin.

Sonntag, März 17, 2013

Port Said – immer noch

Endlich finde ich wieder ein bisschen Zeit für meinen Blog…


Die Stadt an Mittelmeer und Eingang zum Suez Kanal hat seinen Frieden und seinen Glauben an Gerechtigkeit wohl endgültig verloren.

Vor einem Jahr, Anfang Februar, war da dieses Fussballspiel Ahly Kairo gegen das Team Masry in Port Said. Ein Spiel wie viele Fussballspiele rund um den Globus: Fans, Aggressionen, Gewalt, Beinahe-Krieg. Fussball ist etwas von dem Wenigen, das den Menschen noch etwas Abwechslung bietet. Doch dieses Fussballspiel war schlimmer: denn nach Schlusspfiff gingen die Fans aufeinander los: Sie wurden von den Rängen gestürzt, sie wurden mit Messern verletzt; wer fliehen wollte, stand vor verriegelten Ausgängen und wurde zu Tode getrampelt. Folge: über 70 Tote, mehrheitlich Fans von Ahly Kairo.

Der Schock war riesig, die Wut auch. Familien haben ihren Ernährer oder ihre Söhne verloren. Sie fuhren am Nachmittag in Bussen nach Port Said als Fans und wurden am anderen Morgen als Leichen in Särgen nach Kairo zurück gebracht. Hinzukommt, dass sich die beiden Fangemeinschaften gegenseitig beschuldigen, Auslöser dieses Massakers zu sein.

Die betroffenen Familien und die Fussballvereine verlangten eine Untersuchung und Bestrafung der Schuldigen. Beides liess auf sich warten; doch immerhin trat ein hoher Beamter zurück.

Inzwischen sickerte durch, dass – wie sonst üblich - vor dem Spiel keine Sicherheitsprüfungen gemacht wurden, um Besucher nach Waffen oder anderen gefährlichen Gegenständen zu durchsuchen. Es wurde bekannt, dass sich die Polizei während des Spiels zurückzog. Dem einen oder anderen Fan dämmerte es, dass sich da etwas anbahnte und er verliess das Spiel in der Pause oder während der zweiten Halbzeit. Das rettete manch einem das Leben. Auf Fotos ist zu sehen, wie Sicherheitsausgänge verschweisst (!) waren.

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Beim Schreiben dieser Zeilen erinnere ich mich, wie ich einmal in Alexandria mit einer Freundin unterwegs war, als eines dieser grossen Fussballspiele stattfand. Ausnahmsweise fuhr sie ihren Wagen selbst und wir mussten an einem Stadion vorbei, wo sich die Fans nervös und erregt bis in die Strassen drängten. Trotz grosser Hitze verriegelte sie Fenster und Türen und betete, dass wir heil davon kämen. Sie erzählte mir auch, wie ein Mann durchs offene Fenster ihre goldene Halskette abgerissen hatte…

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Im vergangenen Januar verkündete das Gericht das Urteil: 21 Todesurteile, davon zwei oder drei Polizisten, die anderen alles junge Männer und Jugendliche aus Port Said. Kairos Ahly Fans jubelten zuerst, wurden dann aber wütend, weil sie das Urteil als zu milde empfanden. Die Menschen in Port Said hingegen waren erschüttert, denn ihrer Meinung nach werden sie als Sündenböcke für die wahren Drahtzieher gebraucht. Der Trauerzug wurde zu einer Demonstration, die in brutalen Krawallen und zu weiteren Toten führte. Im Internet sind Bilder und Videos zu sehen, wie Scharfschützen die Menschen in den Strassen niederstrecken.

Darauf rief Mursi eine monatelange Ausgangssperre aus, die prompt von den Bewohnern ignoriert wurde. Weder die Polizei, noch das Militär griffen ein. In ihrer Verzweiflung begannen die Port Saider mit zivilem Ungehorsam und übernahmen ihre Stadt in Selbstverwaltung. Die Polizei streikt. Beides, der zivile Ungehorsam sowie der Polizisten-Streik haben auf andere Städte im Delta übergegriffen. Das Militär bewacht nun die wichtigsten Gebäude. Einzig der Betrieb des Suez Kanals wurde bis auf wenige Stunden verschont.

Vor einigen Tagen wurde das Urteil bestätigt. Und immer weitere Tatsachen kommen ans Licht. Beweise, wie z.B. dass ein zum Tode Verurteilter das Spiel vor der zweiten Halbzeit verliess, weil er an einer Hochzeit teilnahm, wurden von den Untersuchungsrichtern nicht akzeptiert. Selbst die Polizei in Port Said gibt zu, im Chaos wahllos Hunderte von Männern festgenommen zu haben und darunter mögen sich zahlreiche Unschuldige befinden. Andere wurden zuhause verhaftet oder, wie einer in einem Interview mit der Online-Zeitung „Ahram Online“ erzählt, weil er sich weigerte, die Namen der Port Said Ultras bekannt zu geben. Ein anderer sagt, dass er zum Tode verurteilt sei, sich aber nicht der Polizei gestellt hat. Jede Minute können sie ihn ergreifen…

Es heisst zudem, dass die Ahly Ultras, die sich im Verlaufe der vergangenen zwei Jahre immer öfter politisch engagieren, sich mit den Muslim Brüdern trafen. Man munkelt, dass mit der Zahl der Verurteilten und jenen, die in den Strassenschlachten umkamen, nun gleich viele Tote wie bei den Ahly Fans sind…

Haarsträubend. Dabei ist das noch nicht alles. Mag sein, dass die MB mit Port Said und den anderen Städten am Suez Kanal eine offene Rechnung zu begleichen hatten: die Bewohner dort stellen sich seit je gegen die MB. Jedenfalls scheint es, als ob die Regierung die Menschen in Port Said ausbluten lassen wollte: auch ihr Statut als „Sonderwirtschaftszone“ (zollfreie Zone) ist in Gefahr.

Fussball ist Spielball der Politik. Die einen spielen munter mit, die anderen vermuten es, können sich aber nicht wehren. Ein Spiel, bei dem es Gewinner und Verlierer gibt. Vorerst noch. Nur merkt noch keiner, dass am Ende alle verlieren.

Auf der Strecke bleiben die Arbeiter, die Frauen und Mütter. Es gibt immer weniger Arbeit und nun trauern die Frauen um ihre Männer und halbwüchsigen Söhne. Eine junge, allein erziehende Witwe ist in dem erzkonservativen Land am Ende. Eine Frau, dessen Mann jahrelang im Gefängnis sitzt oder der zum Tode verurteilt wird, ist ebenfalls am Ende. Eine Familie, die ihren Ernährer verliert, ebenfalls. Wohin sollen die Menschen mit ihrer Wut und ihrer Trauer? Es gibt keine Polizei, bei der sie ihr Recht einfordern können. Es gibt kein Gericht, das Gerechtigkeit walten lässt. Es gibt kein Sozialsystem, das die Betroffenen finanziell, geschweige denn psychologisch unterstützt. Es ist eine Tragödie sondergleichen und ich bezweifle, dass sie schon zu Ende ist.

Sarkastischer Nachtrag:
Bei besagtem Spiel gewann wider Erwarten und ausnahmsweise Port Said. 

Sonntag, Februar 24, 2013

Sofa Partei - حزب الكنبة


Seit Ausbruch der Revolution kursiert in Ägypten der Begriff „Hesb el-kanaba“ – Sofa Partei – herum. Gemeint sind damit all jene Ägypter, die, zuhause auf dem Sofa sitzend, die Ereignisse im Land im Fernsehen verfolgen. Sie verhalten sich passiv, lassen sich nicht dazu bringen, ihren bequemen Platz für die Gefahr und Unsicherheit der Strasse aufzugeben. Aus ihrer Sicht waren jene dort draussen auf dem Tahrir Platz Spinner, Aufgestachelte, Agenten, Nichtsnutze und Störenfriede.

Dass „jene dort draussen“ sich einsetzen und ihr Leben riskieren für etwas, was irgendwann allen Ägyptern zugutekommen sollte, ist bei der zahlenmässig grössten Partei des Landes – der Sofa Partei – nicht angekommen. Trotzdem hörte man nach jedem erneuten Aufstand, dass sich „neue“ Gesichter dazu gesellten. Sie waren stolz, endlich dabei zu sein, und schienen begriffen zu haben, worum es geht.

Vor zwei Wochen hat die Stadt Port Said mit einer neuen Art von Aufstand begonnen: mit „zivilem Ungehorsam“. Port Said fordert Gerechtigkeit für die vielen Toten am diesjährigen Jahrestag des hässlichen Massakers im Fussballstadion vor einem Jahr und den Toten von damals. Ausgerechnet Port Said. Es ist eine der Städte am Suezkanal, welcher einer der wichtigsten (und finanziell letzten) Lebensadern Ägyptens darstellt und grosse Bedeutung für den Welthandel hat. Sehr heikel. Noch ist der Betrieb am Suezkanal gewährleistet. Sollte er ausfallen, dürfte eine Intervention seitens der Import- und Exportmächte in West und Ost nicht ausbleiben. Trotzdem nehmen Arbeiter des Kanalbetriebes (freiwillig oder unfreiwillig) am „zivilen Ungehorsam“ teil.

Montag, Februar 11, 2013

Vom Traum zum Alptraum

Zwei Jahre ist es her, dass Präsident Mubarak zurückgetreten ist. Die Emotionen sprudelten damals über, die Menschen hier fühlten sich befreit und voller Energie, eine Zukunft mit genügend Nahrung für alle, mit Freiheit und Gerechtigkeit („Brot, Freiheit, soziale Gerechtigkeit“) zu gestalten. Während sich die westliche Welt die Augen über diesen friedlichen Abgang eines verhassten Diktators rieb, staunten und befürchteten die arabischen Staaten, dass ihnen bald Ähnliches blühen werde. Der orientalische Traum währte nicht lange.


Ägypten erlebt einen Alptraum, in dem alles vorkommt, was sich Macht besessene, gierige, korrupte, brutale und skrupellose Menschen nur irgendwie ausdenken können. Es ist weiter von seinen Zielen „Brot, Freiheit, soziale Gerechtigkeit“ entfernt als vor zwei Jahren bei Ausbruch der Revolution:

Die Preise steigen unaufhörlich, während das Land kaum mehr Fremdwährungsreserven aufweist. Ein Grossteil der Lebensmittel wird importiert und wird bald nicht mehr bezahlt werden können. Bald werden nicht nur Aktivisten und Hooligans demonstrieren, sondern auch Hungernde. Das hat Ägypten 1977 schon einmal erlebt.

Wer sich kritisch gegen das bestehende Regime (Mursi, die MB und ihre Sympathisanten) oder die „von der Mehrheit geschützte“ Religion äusserst, wird im besten Fall angeklagt, im schlechteren Fall eingesperrt, gefoltert und in einem zweifelhaften Gerichtsverfahren für Jahre hinter Gittern versorgt. Das Notstandsgesetz ist wieder aktiviert und Ausgangssperren werden ausgesprochen. Allerdings foutierten sich die Bewohner Port Saids kürzlich darüber und demonstrierten ungeachtet der Ausgangssperre. Frauen werden gezielt sexuell angegriffen, um sie von den Protesten und von den Strassen fern zu halten. Demonstranten werden von Scharfschützen abgeknallt. Die Regierung rief dazu auf, Mitglieder des kürzlich aufgetauchten „Schwarzen Blocks“ zu verhaften und soeben hat ein Gericht beschlossen, „Youtube“ für einen Monat zu sperren. All das hat nichts mit Freiheit zu tun.

Willkür prägt den ägyptischen Alltag und den Staat. Das Rechtssystem ist undurchschaubar und entweder stark mit dem bestehenden oder dem ehemaligen Regime verbandelt oder, was eigentlich fast noch schlimmer ist, handelt völlig losgelöst von Gesetzen und der umstrittenen, von der Mehrheit abgelehnten Verfassung.

Ein Scherbenhaufen. Und es wird noch mehr Scherben geben.

Freitag, Februar 01, 2013

Demonstranten und Polizei

Wer noch immer nicht glaubt, wie brutal Demonstranten von den Zentraleinheiten behandelt werden, der sehe sich dieses Video an; der Mann ist angeblich um die fünfzig.

http://www.youtube.com/watch?v=AlgUUGKZ4R4&feature=youtu.be

Bisher habe ich es vermieden, so brutale Videos auf meinem Blog zu veröffentlichen; jetzt reicht es aber: die Welt soll endlich sehen, wie es wirklich in Ägypten zu und her geht!

Die Aufgabe der ägyptischen Polizei war und ist es, Bürger einzuschüchtern, zu foltern und zum Schweigen zu bringen. Allerdings habe ich grad auf Facebook gelesen, dass CSF (Zentraleinheit)-Soldaten sich weigerten, auf Demonstranten einzuprügeln. Dafür wurden sie von ihren vorgesetzten Offizieren verprügelt, worauf Demonstranten die Soldaten schützten.

Ägypten eben.

Update:
In Windeseile hat dieses schreckliche Video die Medien erreicht. Der Innenminister Ägyptens hat sich angeblich bei dem malträtierten Mann entschuldigt und gesagt, dies sei ein einzelner Ausrutscher der Sicherheitspolizei!!! Doch es geht noch weiter: Ankläger behaupten nun, der Mann sei von Demonstranten verprügelt und durch Polizisten beschützt worden!
Das Regime lügt weiter, als ob es weder Augenzeugen, Kameras, Videos und Internet gebe. Beweise gibt es zuhauf - aber keinen anständigen Anwalt und keine gerechte Justiz, welche die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen und diesem Gewalt-Monopol ein Ende setzen.