Sonntag, Mai 08, 2011

Religiöse Zusammenstösse - wann ist genug?

In Imbaba, einem ärmlichen, überbevölkerten Stadtteil Kairos, ist gestern Krieg ausgebrochen. 12 Tote und über 200 Verletzte wurden bis jetzt gezählt. Zwei Kirchen brannten.

Einmal mehr ist Zwietracht zwischen Muslimen und Kopten die Ursache. Das Muster ist inzwischen bekannt: aufgrund von Gerüchten (eine zum Islam konvertierte Koptin soll wider ihren Willen in einer Kirche zurück gehalten werden) stürmen Muslime (angeblich wieder Salafisten) eine Kirche. Die Kopten wehren sich, die Muslime werden aggressiv, die Kopten werden aggressiv, Steine fliegen, Knüppel und Messer werden eingesetzt, Schüsse fallen, Molotowcocktails fliegen. Es brennt. Bis Polizei und Militär vor Ort sind, ist der Streit in einen Krieg ausgeartet.

Ein ähnliches Gerücht wurde erst gestern widerlegt: eine ebenfalls angeblich zum Islam konvertierte Koptin sei monatelang in einem Kloster gefangen gehalten worden und Muslime forderten ihre Freigabe. Gestern erklärte die betroffene Frau im Fernsehen, sie sei nach wie vor Christin und frei.

Vielen Ägyptern ist allmählich klar, dass es hier nicht nur um Religion geht, sondern darum, das Land in völlige Instabilität, Chaos und schlussendlich in die Segregation zu treiben. Es ist auch längst kein Geheimnis mehr, dass die Muslimbrüder (in obigem Fall für einmal nicht involviert) von Katar und die Salafisten von Saudi Arabien finanziert sind. Weder das Königreich Saudi Arabien noch die Golfstaaten haben Interesse an einem demokratischen Ägypten.

Nur leider hat das die grosse Masse der Ungebildeten nicht kapiert. Wenn ein „Bärtiger“ etwas sagt, wird ihm gehorcht, auch wenn es darum geht, eigene Landsleute zu massakrieren. Anstatt in diesen wirtschaftlich und politisch heiklen Zeit zusammen zu halten, lassen sie sich von religiösen Gerüchten ins Verderben führen. „Klugerweise“ werden auch immer Verbrecher angeheuert, die mit roher Gewalt und Waffen die Zusammenstösse anheizen. Beides – Verbrecher und Waffen – sind seit Februar leicht zu erhalten.

Regierung und Militär haben angekündigt, harte Massnahmen gegen weitere religiös begründete Ausschreitungen anzuwenden. Es wurden über 190 Leute verhaftet – alle sollen vor das Militärgericht gestellt werden. Ein klares Signal: Abschreckung. Über den Stadtteil wurde eine Ausgangssperre bis morgen Mittag verhängt, Internet und Mobiltelefone teilweise gekappt.

Die Nachricht ist erschreckend und überdeckt viele kleinere Verbrechen, Raubüberfälle und Übergriffe, die zurzeit in diesem Land an der Tagesordnung sind. Die Polizei ist noch immer zu wenig präsent. Verschwörungsanhänger haben nun überhand und eine weitere Bestätigung ihrer Theorie: die Revolution wurde vom Ausland gesteuert, mit dem Ziel, Ägypten zu destabilisieren und einen islamischen Staat einzurichten.

Bleibt zu hoffen, dass der Oberste Armeerat und die Regierung endlich aufgewacht sind, weitere Destabilisierungsversuche im Keim ersticken und wieder Sicherheit ins Land bringen. Gelingt das nicht bald, werden Touristen und Investoren dem Land für Jahre den Rücken kehren. Die Folge für Ägyptens Wirtschaft wäre katastrophal.


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